18. Nachwehen

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Sie hatte gewusst, dass er aus Askaban geflohen war. Mad-Eye und auch Dumbledore hatten sie im Februar besucht und ihr gesagt, sie solle aufpassen, falls er versuchen sollte, das Haus aufzusuchen, das er so verachtete. Bis dahin war ihr die Bedeutung ihres Nachbarhauses unbekannt, sie war einfach davon ausgegangen, dass die Besitzer nicht viel ausgingen, genauso wie sie.

Sie war immer noch wütend darüber, dass sie neben seinem Elternhaus wohnte und ihr niemand etwas gesagt hatte, aber es erklärte zumindest, warum Lupin immer so grimmig dreinblickte, wenn er ab und zu bei ihr vorbeikam. Am Tag von Harrys Entführung, einem Dienstag, hatte sie den ganzen Tag über Wache vor Nummer Zwölf gehalten, lediglich eine Stunde in der Nacht war sie abwesend, weil sie Alice, Frank und Mary besucht hatte. Am Mittwoch hatte sie wieder über Nummer Zwölf gewacht, sogar bis in den Donnerstag hinein, nur für den Fall, dass er vorbeikommen würde. Und als Mary ihr am Donnerstagabend dann die Zeitung gereicht hatte, in der sie las, dass er Harry entführt hatte, war ihre zerbrechliche Welt noch mehr zusammengebrochen. Sie wusste, was das bedeutete. Harry war tot.

Und dann tauchte er bei ihr zuhause auf und hatte ihr etwas anderes erzählt.

Sie hatte sich seine Geschichte angehört, ihm seinen Zauberstab zugeworfen und ihm gesagt, er solle zum Teufel aus ihrem Haus verschwinden, wenn ihm sein Gesicht so gefalle, wie es sei. Er hatte protestiert und sie hatte ihm eine Ohrfeige verpasst, woraufhin er es begriffen hatte und gegangen war. Sie hatte sich eine Tasse Tee gemacht und sich eingeredet, dass das alles nie passiert war.

Das kein halbtoter Sirius Black am Sonntagabend in ihren Flur appariert war, drei Tage lang geschlafen hatte und dann aufwachte, um ihr eine verrückte Geschichte über Peter Pettigrew und die Potters zu erzählen. Es hatte ungefähr einen Tag gedauert, bis sie den Mut aufbrachte, die schöne Verleugnung zu zerbrechen und sie zum ersten Mal seit seiner Abreise wieder das Gästezimmer betrat und das Bett unbenutzt vorfand.

Sie hatte die nächsten drei Tage damit verbracht, ihre Gefühle neu zu ordnen. Es war nicht fair, dass sie nach acht Jahren, in denen sie den Mann verabscheut hatte und davon überzeugt war, mit ihm fertig zu sein, nur eine Stunde in seiner Gesellschaft brauchte, um in alte Muster zurückzufallen. Sie war hin- und hergerissen gewesen zwischen der Frage, ob sie ihn verfluchen oder küssen sollte. Und genau aus diesem Grund wagte sie nicht, einem seiner Worte zu vertrauen.

Sie war schon immer zu nachsichtig, wenn es um ihn ging; zu weich und zu schwach, um ihre eigenen Gefühle da herauszuhalten und ihre Entscheidungen mit dem Kopf zu treffen. Sie hatte ihm so sehr glauben wollen und hätte es sogar beinahe getan, bis sie sich selbst gezwungen hatte, noch mal darüber nachzudenken und Beweise gefunden hatte, dass seine Geschichte unmöglich war. Sirius hatte alles so erzählt, als ob Pettigrew noch am Leben war, was niemals stimmen konnte. Es war unmöglich, dass ein Mann unbemerkt von der Strasse entkommen konnte und Pettigrew war kein kleiner Mann gewesen. Und er kam ihr nicht wie ein Verräter vor – er hatte sich zu sehr auf den Schutz der anderen Rumtreiber verlassen, als dass er versucht hätte, ohne sie zu leben.

Sirius jedoch war schon immer mutig gewesen. Kühn genug, um sie zu belügen, als er verletzt und ihr ausgeliefert war. Kühn genug, um die Seiten zu wechseln und klug genug, damit ihn niemand verdächtigte, bis es schliesslich zu spät war. Er war klug genug, um sich den Dementoren zu widersetzen und seine Zeit im Gefängnis damit zu verbringen, einen Ausbruch zu planen und eine fast glaubhafte Erklärung für seine Unschuld zu finden.

Pettigrews Finger war eine nette Geste, etwas, das ein Verräter vielleicht sogar tatsächlich tun würde, um alle glauben zu lassen, er sei tot, während er eigentlich untertauchte. Aber untertauchen war nicht möglich, wenn es keine Möglichkeit zu fliehen oder zum Verstecken gab und sein Gesicht war bis Mitte November zusammen mit dem der Potters und Sirius auf der Titelseite der Zeitung gewesen.

Innocent [Harry Potter Fanfiktion]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt