28. Wunsch und Bedürfnis

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„Draco", sagte Lucius, „würdest du bitte nachsehen, wie weit Dobby ist?"

„Soll doch Hydrus gehen", sagte Draco, der seinen Vater finster ansah.

„Heute ist mein Geburtstag", jammerte Hydrus.

„Der war vor Wochen. Ausserdem hast du mich an meinem Geburtstagsessen auch dazu gezwungen, also kann er es an seinem auch tun."

Vor einer Woche hätte er sich niemals gestritten, schon gar nicht in Gesellschaft. Die Parkinsons, Greengrasses, Notts, Bulstrodes, Goyles, Crabbes und Shafiqs sahen alle fassungslos aus, als sie Draco so respektlos reden hörten. Narcissa seufzte leise.

Nach ihrem ernsten Gespräch vor zwei Wochen hatte sie Lucius gegenüber nichts mehr zu seinem törichten Plan, Draco zu einem Gryffindor zu machen, gesagt. Auch Lucius hatte zu diesem Thema geschwiegen, aber dieses Mal bedeutete sein Schweigen keinen Sieg für sie. Vielmehr bedeutete es, dass Lucius seinen Plan weiterverfolgte, ohne ihre Aufmerksamkeit zu erregen.

Idiot, dachte sie, als sie ihren Mann aus dem Augenwinkel beobachtete. Lucius war keineswegs ein unintelligenter Mann. Ganz im Gegenteil sogar. Er hatte nur die unglückliche Angewohnheit zu vergessen, dass, egal wie klug er war, sie noch klüger war.

„Draco", sagte Lucius sanft. „Ich glaube, ich habe dich gebeten." Hydrus grinste und einige der anderen Kinder lachten auf Dracos Kosten.

Sie werden sich gegen ihn wenden, dachte Narcissa, die ihren jüngsten Sohn traurig ansah. Selbst Gregory und Vincent, die beide akademisch nicht unbedingt begabt waren, wussten, dass Gryffindor schlecht und Slytherin gut war. Die Greengrass-Mädchen waren die Einzigen, die sich vielleicht nicht allzu sehr daran stören würden, dass er nicht in Slytherin war. Narcissa hätte das vielleicht ein wenig getröstet, wenn sie nicht wissen würde, dass Draco keines der Mädchen übermässig mochte. Vor allem Daphne schien ihn zu ärgern.

Sie schenkte Draco ein Grinsen, als er sich um eines der Sofas, die an die Wand geschoben worden waren, um den Boden vor dem Kamin freizumachen, herumschlich und durch die Doppeltür ging.

„Du meine Güte!", sagte Clementina, die Draco hinterher starrte. „Für wen hält er sich, dass er so mit Lucius spricht? Wenn du mich fragst, Narcissa, braucht er eine Lektion, die ihn daran erinnert, wo seine Manieren liegen."

Narcissa lächelte. „Aber dich hat doch niemand gefragt, Clementina", sagte sie mit einer so sanften, angenehmen Stimme, dass es einige Sekunden dauerte, bis die anderen die Beleidigung hörten. Clementina starrte sie an.

„Geht es Draco nicht gut?", fragte Pansy. „Verhält er sich deshalb so seltsam?"

„Genau das ist es", sagte Narcissa zu dem Mädchen. Ihr Lächeln war diesmal echt – sie mochte Pansy wirklich sehr. „Er ist im Moment nicht er selbst." Sie warf Lucius einen scharfen Blick zu, den er leider nicht sah.

„Er ist nicht krank!", sagte Hydrus laut flüsternd zu Gregory, Vincent und Theodore. „Er tut nur so als ob! Er will mir nur das Geburtstagsessen verderben." Zum Glück schlug Sonja in diesem Moment eine Hand vor den Mund, bevor sie eilig den Raum verliess, so dass keiner der Erwachsenen Hydrus' Worten viel Aufmerksamkeit schenkte.

„Hydrus", sagte Narcissa warnend, als Ernest seiner Frau hinterherlief. Pansys zusammengekniffenen Augen folgten den beiden und Narcissa verspürte einen Anflug von Mitleid für das arme Mädchen. Narcissa trat einen Schritt näher an ihren ältesten Sohn heran und warf ihm einen Blick zu, der ihm, anders als Lucius, nicht entging. Er murmelte eine mürrische Entschuldigung, dann führte er die anderen Kinder aus dem Salon.

Das Abendessen war angenehm. Es waren so viele Leute da, dass die Unterhaltung nie abriss und Dobbys Kochkünste waren wunderbar. Obwohl der kleine Cyril mit seinem Eis eine schreckliche Sauerei anrichtete, gab es keine Explosionen. Narcissa hatte sich schon darüber Sorgen gemacht, als sie Draco zwischen Millicent und Daphne sitzen sah.

Innocent [Harry Potter Fanfiktion]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt