52. Tränen und Vertrauen

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Es war schwer zu sagen, ob dieser Besuch im Lager besser oder schlechter war, als der letzte.

Greyback war nicht mehr in der Nähe, was definitiv ein Vorteil war, aber die Atmosphäre war unendlich viel brisanter und angespannter. Er hatte sich mit Mad-Eye getroffen, bevor er in den Gwydir Forest gereist war. Sie waren beide zum Schluss gekommen, dass es das Beste war, Smoky für die ganze Sache verantwortlich zu machen. Smoky war ein namenloses, gesichtsloses Wesen und sie wäre vollkommen sicher, wo auch immer sie sich befand, aber sie war den Bewohnern des Lagers bekannt und gab ihnen einen anderen Sündenbock als die Auroren - oder Remus oder Matt - den sie beschuldigen konnten.

Und das taten sie auch. Wenn sie vorher davon besessen waren, ihre abtrünnige Schwester zu finden, so war das nichts im Vergleicht zu dem, was sie jetzt empfanden. Sie hatten die Nachricht von Greybacks Tod so ziemlich genau so aufgenommen, wie er es erwartet hatte. Sie waren etwa einen ganzen Tag lang geschockt und seitdem gleichermassen wütend und unglücklich.

Matt und er trugen die Hauptlast von beidem. Die Wut richtete sich gegen sie, weil sie sich beide ausserhalb des Lagers aufhielten, weil sie irgendwie immer noch nicht erkannt hatten, dass Greyback die eigentliche Gefahr war.

Es schien keine Rolle zu spielen, dass Matt in Vorbereitung auf den Vollmond stark unter Drogen gestanden hatte und dass Remus sich auf seine eigene Verwandlung vorbereitet hatte, so dass keiner von ihnen eine Ahnung hatte, wer Smoky war oder wo sie zu finden war. Das Elend hatte sich auch an sie gerichtet.

Remus war sich nicht sicher, ob es daran lag, dass Greyback ihm und Matt egal war und sie deshalb nicht um ihn weinten, oder ob es daran lag, dass sie immer wieder von unglücklichen Menschen in die Enge getrieben wurden, die sich ausweinen wollten oder in Erinnerungen schwelgten.

Und Remus ertrug es, obwohl er versuchte, die meisten Tränen Matt zu überlassen. Selbst nach seiner Erfahrung mit Dora machte Remus nichts mehr Angst als eine weinende Frau. Er bemühte sich, die Leute im Lager wie Menschen zu behandeln, die einen Elternteil oder einen Bruder verloren hatten und nicht wie eine Gruppe, die um ihren verrückten Anführer trauerte. Er versuchte, mitfühlend zu sein und die richtigen Dinge zu sagen. Und er versuchte verzweifelt, nicht frustriert zu sein, weil er dort war, während er doch eigentlich in London sein sollte.

Er hatte Dora nicht mehr gesehen, seit er nach dem letzten Vollmond vor ihr zusammengebrochen war und ehrlich gesagt war er sich nicht sicher, ob er sie überhaupt wiedersehen wollte. Wie sollte er sich für sein Verhalten entschuldigen, ohne wie ein noch grösserer Vollidiot zu wirken?

Sie hatte ihm täglich Briefe geschickt. Der erste kam vor sechs Tagen und sie fragte ihn, ob es ihm gut ginge und dankte ihm für das Geburtstagsgeschenk, dass er ihr auf dem Küchentisch hinterlassen hatte. Es war ein Muggel-Stimmungsring, den sie wahrscheinlich schon gesehen oder schon einmal davon gehört hatte und er hatte gedacht, er könnte ihr gefallen. Dazu schenkte er ihr eine Autobiografie eines Auroren und Schokolade, nur für den Fall, dass sie nach Askaban musste, um Greybacks Tod zu untersuchen. Die Briefe baten ihn auch um ein Treffen, das sie vereinbaren wollte, weil sie mit ihm sprechen müsste. Matt kam mit der Meute genauso gut zurecht wie er selbst, aber es war ihm peinlich, zu ihr zu gehen.

Es war ihm sogar zu peinlich, auf ihre Briefe zu antworten. Sirius hätte ihm zweifellos eine Standpauke gehalten, aber Sirius war nicht hier. Harry und er sassen zusammen in einer Arrestzelle im Ministerium fest, während Remus hier herumlief und hinter Greyback aufräumte. Die Briefe waren im Laufe der Tage immer unruhiger geworden.

Heute, genau eine Woche nach seiner Ankunft im Lager, hatte er einen weiteren Brief erhalten.

„Von wem ist der Brief?", fragte Matt, der von seinem Frühstück aufblickte.

Innocent [Harry Potter Fanfiktion]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt