Die Begabten 2

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Elodie

Feuer, Hitze, Asche. In diesem Moment wünschte ich mir, eine Bändigerin zu sein. Diesen Gegner hätte ich gerne in Flammen gesteckt. Was wollte er hier? In MEINER Arena. Wollte er MIR die Show stehlen?! Wollte er mich ruinieren?!
„Ich sagte...", knurrte ich „Greif. Mich. An!"
Meine Kraft ließ meine Stimme vibrieren und mein Gegner zitterte heftig. Niemand anderes hätte sich meinem Willen widersetzen können. Gut, dass die Zuschauer es nicht hören konnten, sie hätten sonst die Arena gestürmt.
„Nein, nein nein, Elodie...ich muss..." Dieser Schweinehund kannte meinen Namen, wahrscheinlich auch meine Geschichte, normalerweise war ich nur die Sirene. Er wurde also informiert, warum ich nicht? Wieso hatte Barem es nicht gewusst?! Wie konnte das sein?! Das war noch nie passiert! Barem hatte mich immer vorbereiten können!
„Lass du deine Waffen fallen!", rief er.
Mein Gegner zitterte am ganzen Körper, um meinen Befehl nicht zu gehorchen, und dennoch seine Macht zu benutzen. Seine Stimme war trotzdem standhaft und ich spürte meine Äxte langsam an meinen Händen hinabgleiten...Ich hatte so etwas noch nie erlebt, ich war noch nie einer anderen Sirene begegnet. Ich WOLLTE ihm gehorchen. Seine Stimme war zu verführerisch, seine Augen zu strahlend. Sein ganzes Auftreten zu perfekt. Fühlten das die Menschen, die ich mit meiner Macht beeinflusste, auch? Wollten sie mir so sehr gefallen, dass sie mir gehorchen mussten? Oder war das bei jeder Sirene anders?
Genau konnte man es wohl nicht wissen. Wir waren viel zu selten.

Das kühle Metall rutschte langsam zwischen meinen Fingern hinab.
Nur meine Wut ließ mich seinen Befehl abschütteln, dieser Kerl würde mich nicht ruinieren! Dafür war meine Familie zu wichtig. Dafür war ICH zu stur!
„Garantiert nicht, Neuling!" Ich hob meine Axt und griff ihn an. Mein Herz hämmerte wie wild gegen meinen Brustkorb und ich hörte dröhnend die Schreie der Zuschauer.   
Weit ausholend zielte ich auf sein Bein, um ihm die Füße wegzuziehen. Ich durfte ihn zwar nicht umbringen, so sehr ich es mir auch wünschte, aber ich durfte ihn solange verprügeln, bis der erste Tropfen Blut viel. Das wollte ich genießen. Auskosten wie den guten Wein, den ich einmal im Jahr genießen durfte.
Mein Gegner jedoch wich aus und hob beruhigend die Hände, als wolle er ein wütendes Tier beruhigen.
„Bitte, ich möchte nur mit dir reden...", flüsterte er.
„Ja klar!"
Der wollte mich nur in Sicherheit wägen! Uns BEIDE in den Ruin treiben!
Ich holte erneut aus und diesmal zückte er sein Messer, aber er war im Nachteil, er hatte eine Rüstung an, er war langsam. Er war am Boden, bevor er sich's versah.
„Hör auf!", knurrte er und ich zischte ihn an.
„Dir scheint dein Gewinn egal zu sein, mir aber nicht!"
Ich saß inzwischen rittlings auf ihm und hob die Axt. Mein Herz raste und die Menge brüllte. Ich grinste breit, ich liebte diese Menge. Euphorie schoss durch mich hindurch. Nichts war besser, als bejubelt zu werden. Das war eine unglaubliche Droge.

„Stop!" Seine wunderschöne Stimme ließ mich innehalten und ich blickte in blassblaue Augen, die an den Nordstern erinnerten.
„Ich will nur mit dir reden!" Warum musste seine Stimme so verführerisch sein?! Ich hätte beinahe nachgegeben!
„Dafür hast du dir einen schlechten Ort ausgesucht", knurrte ich.

Ich holte aus, doch er war flinker in dieser Rüstung als gedacht. Nun landete ich auf dem Sand, das Messer in seiner Hand drückte gegen meine Wange. Seine andere Hand fixierte mich am Boden. „Lass mich los!", schrie ich, all meine Kraft in diesem einen Satz setzend.
Fasziniert beobachtete ich, wie er sofort seine Hand von mir losmachte. Ich hatte gewonnen! Er hatte mir gehorcht. Die anfangs verschobenen Grenzen meiner Realität, schienen sich nun langsam wieder zu fügen.
Ich schnellte nach oben, bereit, diesen einen Schlag auszuführen, der Blut bringt, doch ich hatte nicht mit seinem Messer gerechnet.
Es schnitt durch meine Wange wie Wasser. 
Der Gong ertönte, der Kampf war vorbei und ich spürte das Blut von meiner Wange tropfen.
Geschockt fasste ich auf meine Wunde und blickte ungläubig auf das Blut, welches von meinem Finger tropfte.
Das...konnte nicht sein! Das war ein Albtraum! Niemand hatte mich jemals besiegen können!
Ich war zerstört. Ich war nicht mehr Champion.
„Elodie...ich wollte nicht...ich..." Ich schubste meinen Gegner von mir hinunter, verbeugte mich nicht einmal, wie es die Traditionen verlangten. Ich konnte es nicht glauben. Ich war wie in Trance.

Tränen der Wut vermischten sich mit meinem Blut. Sie brannten in meinem Schnitt. Ich stürmte durch die Tür und nockte fast meinen Besitzer um.
„Was ist passiert?! Wie konntest du verlieren?!", Barem packte mich am Arm und starrte mich an.
„Eine verdammte Sirene ist passiert! Wie kann es sein, dass du da nicht Bescheid wusstest!", fluchte ich und wusch mein Gesicht in dem einzelnen Becken des Vorbereitungsraums. Eine meiner Wachen, die mich in Zaum hielten, aufpassten, dass ich nicht abhaute und mich vor verrückten Bewunderern beschützten, nahm mir meine Waffen ab. Er hatte wohl Angst, dass ich sie vor Zorn in jemanden reinrammte. Sie hatten alle Angst vor mir...nur Gale hatte sie nie...
Ich starrte in den Spiegel und sah kurz seine kupfernen Augen vor mir. Sofort ersetzten sie wieder meine, wie jedes Mal. Ich starrte ins grün, dann sah ich rot. Der Kerl hatte mich gut erwischt, genau am Jochbein, tief. Wenn das eine Narbe in meinem ebenen Gesicht hinterlassen würde, würde ich ihn umbringen, blutig, schmerzvoll, ein schauriges Kunstwerk. Ganz einfach. Gale würde mich auslachen, wenn er mich so sehen würde. Er würde sich köstlich amüsieren während ich vor Wut tobte.

„Ich wusste es nicht, alles was ich wusste war, dass es ein Krieger aus Ferhalla ist." Ich öffnete den Mund um etwas zu erwidern, doch mein Besitzer hob die Hand. „Maulkorb". Wache Nummer zwei legte mir meinen Maulkorb an, der meine Kieferhälften zusammenpresste und meine Lippen gegen die Zähne drückte. Selbst er vertraute mir nicht, hatte Angst vor meiner Gabe.
„Pass auf, Elodie.", dunkle Augen betrachteten mich. „Du hast heute sehr viel Geld verloren, du bist sauer, ich verstehe das, ich bin es auch.", schnaubend hob ich eine Augenbraue „Du gehst jetzt auf dein Zimmer und machst dich hübsch, wir empfangen Gäste."

Die BegabtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt