Die Begabten 46

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Verra und ich unterhielten uns über die Festlichkeiten, die uns bevorstanden und versuchte mir auf die Schnelle ein paar Benimmregel zu erklären, die für mich vollkommen unverständlich waren.
1. Ich durfte keine mir fremden Personen ansprechen, da dies als sehr offensiv und aufdringlich als Frau angesehen wird.
2. Ich durfte Lian nicht berühren, wenn er es nicht initiierte.
3. Ich durfte nicht saufen, wie ein Loch.

Ich starrte meine neue Freundin verständnislos an, doch was sollte ich machen? Das war nicht mein Land und nicht meine Sitten.

Als sie mir gerade erklären wollte, welches Besteck besonders wichtig war klopfte es und Cas trat mit einem riesigen Paket in das Wohnzimmer ein. Das schien mehr zu sein, als die luftigen Ballkleider der Damen in Alya.
„Seine Majestät schickt seine Grüße und möchte Elodie im Atrium treffen...um sechs."

„So früh?", fragte Verra irritiert „Das ist in zwei Stunden!"
Die Wache zuckte nur mit den Schultern, legte das Paket ab und verschwand.
Schnell sprang ich auf und grinste Verra strahlend an. „Mach auf!"
Sie scheuchte mich mit ihren Händen voran und lachend öffnete ich langsam die Box.

Das Kleid...oh dieses KLEID. Ich starrte sprachlos in die Kiste und mein Kinn war, glaubte ich, am Boden.
Der Stoff schimmerte hell in Nuancen von flieder. Die Säume waren verziert mit winzigen Perlen und der Rock...so viele Lagen aus dem Stoff und Tüll hätte ich.mir niemals vorstellen können.

Ich wagte kaum es anzufassen...es sah aus wie ein Kunstwerk und ich wollte es nicht zerstören. Verra trat dazu und grinste „Er hat sich für etwas traditionelles entschieden.", gebahr sie und ich zuckte mit den Schultern. Ich hatte ja keine Ahnung.
„Du wirst Hilfe brauchen es anzuziehen...Ich lasse ein paar Mägde rufen."

Kurze Zeit später halfen drei Frauen mich in das Kleid zu schnüren und Verra machte sich irgendwie an meinen Haaren zu schaffen, um es zu einem Knoten in meinem Nacken zu formen. Zum Schluss setzte die Adelige mich auf einen Stuhl und umrandete meine Augen mit Kohle. Verwirrt betrachtete ich sie, doch sie strahlte nur.

„Ich denke, das Band um deinen Kopf bleibt?" Ich nickte nur...das Band würde ich niemals abnehmen. Das einzige, was ich von meinem Bruder noch hatte. Was er wohl so tat, jetzt da die Geldsorgen nicht mehr existierten? Hatte er ein nettes Mädchen kennengelernt? Arbeitete er noch in der Miene?
„Okay! Dann schau dich mal an!" Sie scheuchte mich zu dem Spiegel in meiner Ankleidekammer und ich betrachtete eine andere  Person.

Ich sah so fragil aus, so elegant und beinahe zerbrechlich. Eine Puppe. Das Kleid war unglaublich und umschmeichelte meine schmale Taille. Die Farbe ließ das grün meiner Augen leuchten und die Kohle betonte die Mandelform meiner Augen. Ich lächelte Verra an, die grinsend daneben stand. „Du siehst super aus! Ich muss dich aber leider jetzt verlassen und mich selbst fertig machen. Lian sollte schon auf dich warten." „Danke, Süße! Ich schulde dir was."
Sie umarmte mich und raste aus der Tür, während ich mich noch einmal betrachtete und zögerlich die Räume verließ. Ich wusste gar nicht, wo ich hinsollte. Wo sollte denn das Atrium sein? Doch ich machte mir ohne Grund Sorgen. Cas stand vor meiner Tür und grinste mich an. Er nahm seinen Gehörschutz ab und bot mir seinen Arm an. „Hallo, Elodie...ich werde ab jetzt deine Wache sein."

Überrascht hob ich die Augenbrauen. „Lian gibt mir seine eigene Wache?", fragte ich ungläubig und Cas strahlte stolz.
„Nur das Beste für Majestäts Corra." Ich lachte leise „Natürlich.", schnaubte ich sarkastisch.
„Du verstehst deinen Wert nicht.", sagte die Wache und ich seufzte. „Ich versteh generell nicht viel an diesem Hof.", murmelte ich.
„Das muss eine wahnsinnige Umstellung für dich sein.", sinnierte er und ich nickte. „Es ist nicht nur ein anderes Land, aber auch...der Palast und so...sowas habe ich noch nie gesehen."
„Ich habe schon gehört...", murmelte die Wache. „Es tut mir leid, dass du unter diesen Umständen leben musstest."
„Es war nicht alles schlecht, ich...hatte viele Fans."
„Das glaube ich! Singst du heute? Ich würde es gerne mal hören!"

„Elodie ist meine Begleitung, sie muss heute nicht arbeiten."
Ich schreckte beinahe auf, als ich Lians Stimme hörte und ich wirbelte zu ihm herum. Er starrte mich etwas perplex an, während ich ihn anstrahlte. „Ich würde dir gern ein Geburtstagslied singen.", schnurrte ich.
Er brachte kein Wort heraus, während er mich von oben bis unten musterte. Ich sah unwiderstehlich aus und ich liebte diese Art von Aufmerksamkeit. Ein kleiner Rausch.

Reinkarnation reiner Perfektion!

Er war in einem Anzug in Grau, das Tuch von Laurent in seiner Brusttasche. Er sah verboten gut aus und seine Augen strahlten in dieser Farbwahl.
Cas steckte sein Hörschutz wieder an und ich fragte den Prinzen frech „Willst du die traditionelle oder die versaute Version?"
Ein Atemloses Lachen entwich dem Kronprinzen und er kam auf mich zu um seine Arme um mich zu schlingen. „Du siehst unglaublich aus.", murmelte er und drückte seine Lippen auf meine Stirn.
„Ich weiss!", grinste ich „Aber du hast meine Frage nicht beantwortet?"
„Bekomm ich das traditionelle auf dem Ball und die versaute Version später?", grinste er frech.
„Ach jetzt verlangst du zwei Lieder?", lachte ich und schlang meine Arme um seinen Nacken.
„Könntest du deine Wache wegschicken? Ich habe offiziell keine Befehlsmacht mehr und ich würde dich gerne richtig küssen...ohne Beobachter."

Erstaunt legte ich den Kopf schräg. „Ich habe Befehlsmacht über Cas?"
„Natürlich, er ist deine Wache. Er ist nur dir unterstellt und hört nur auf deinen Befehl." Das klang für mich nach einem Besitztum. Schon wieder war ich verwirrt. Das wurde langsam frustrierend. Ich summte und wandte mich dann zu Cas. „Würdest du bitte vor der Tür auf uns warten?", fragte ich in Gebärden und lächelnd nickte er und verschwand aus der Tür.

„Das ist komisch.", murmelte ich und Lian zog mich an sich heran.
„Du wirst dich dran gewöhnen.", hauchte er leise an meine Wange. Ich wusste gar nicht, ob ich mich daran gewöhnen wollte. Doch ich verdrängte den Gedanken schnell, als Lian fragte: „Okay?"
Ich nickte. Warme Lippen drückten sich auf meine, während seine Hände sich zu meiner Hüfte senkten. Er küsste mich nur kurz, doch das reichte um mich zu erhitzen und Blut in meine Wangen steigen zu lassen.

Die BegabtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt