Die Begabten 3

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Elodie

Mein „Zimmer" war eine winzige Kammer in der Nähe der Arena, die im Besitz von Barem war, dem reichsten Lord Alyas. Die beiden Wachen führten mich hinein und schlossen hinter mir die Tür ab.
Stumm fluchend ließ ich mich auf meine Pritsche nieder und starrte an die Decke.
Manchmal überlegte ich mir, was passiert wäre, wenn ich keine Begabung hätte, ein ganz normales Mädchen wäre. Hätte ich trotzdem einen Weg gefunden mich selbst zu verkaufen für meine Eltern, die alt und krank waren, für meinen Bruder, der immer gearbeitet hatte, um ein wenig Geld zu verdienen? Nun arbeitete er in einer Miene und grub nach Gold. Das wusste ich, weil Barem es gestattete, dass meine Familie hin und wieder zu Besuch kam. Zwar war es meistens mein Bruder, der jeden Monat kam, meine Eltern hatten sich zurückgezogen seit ich nicht mehr bei ihnen lebte, aber es war immer wieder schön jemanden zu haben, der einen gut kannte, der andere wurde mir weggenommen...
Gale hatte mich jeden Tag besucht, bis wir erwischt wurden. Aus meinen Armen gerissen...seit dem hatte ich nie wieder seine wunderschönen kupfernen Augen gesehen.
Ich löste meine Schnallen des ledernen Kampfanzugs und tauschte diesen durch lederne Hosen und ein weißes Leinenhemd. Meine fest an der Kopfhaut geflochtenen Zöpfe löste ich und offenbarte meine Hüftlangen rotbraunen Locken. Meine Wunde versorgte ich nur grob es brannte wie Feuer, war aber nicht sehr schlimm. Irgendwie hatte dieser Schnitt an meinem Wangenknochen etwas ästhetisches. Lag es daran, dass mich nichts entstellen konnte oder hatte eine kleine Imperfektion den gegenteiligen Effekt?
Meine Wachen holten mich ab, nachdem sie geklopft hatten. Sie waren nur einmal reingeplatzt ohne zu klopfen. Da hatte ich mich umgezogen und ihnen auch ohne zu sprechen die Hölle heiß gemacht. Sie waren mit einem blauen Auge und einer aufgeplatzten Lippe wieder aus dem Zimmer gerannt.
Ich lief, Haare werfend, meinen Wachen voraus und bestritt die unzähligen Treppenstufen zu Barems Empfangssaal.
Da hatte ich meinen Besitzer kennengelernt und mich verkauft. Wer würde diesen Ort nicht lieben? Ich.
Der Saal war düster und dennoch voller Gold. Sein Empfangssessel ähnelte einem Thron und Barem blickte auf mich hinab.
„Du kommst auf meine linke Seite." Augenrollend stellte ich mich auf meinen Platz, die Wachen hinter mir.
„Lasst den Prinzen rein." Ich ließ meinen Kopf zu Barem schnellen. Ein Prinz? Alya hatte keinen Prinz, nur einen König und Prinzessinnen. Aber mehr wusste ich auch nicht. Ich hatte mich mit 13 verkauft, die Schule hatte ich zwangsläufig beendet. Meine Bildung beschränkte sich auf die Geschichte der Gründung Alyas und dessen Königshaus. Schreiben wurde uns nicht beigebracht. Wir waren Arbeiter, keine Gelehrten.
Folglich konnte der Prinz nur ein Ausländer sein. Wie mein Gegner.
Beunruhigt beobachtete ich Barem, der nervös mit seinen Händen zu nesteln schien. Ich hatte ihn noch nie nervös gesehen, es gab nie einen Grund. Er war der reichste Lord des Landes, durch mich. Er hatte Macht im Süden, wieso sollte er nervös sein bei einem ausländischen Prinzen?
Die Eingangstüren öffneten sich und ein ganzer Schwall an hellhaarigen, blassen und farblosen Menschen betrat den Saal. Sie waren in hellen Farben gekleidet, meistens weiß oder helle Pasteltöne.
An der Spitze des Aufmarschs stand...Mein Gegner. Hitze erfüllte mich, Wut. Wenn ich könnte würde ich ihn anschreien und ihm die Augen auskratzen, doch die Wachen hatten mich im Blick. Und dieser Bastart hatte die Frechheit mich nichtmal anzusehen. Er blickte meinen Besitzer an.
„Lord Barem", begrüßte mein Gegner meinen Besitzer und ich stellte mir vor, wie er wütend einige Beleidigungen an seinen Kopf werfen würde, wie er es wagen konnte seine Sirene in seiner eigenen Arena zu besiegen. „Prinz Leith, es ist mir eine Ehre euch in meinem bescheidenen Haus begrüßen zu können." Ich schnaubte leise. Bescheidenes Haus? Es war mehr Gold in diesem Haus als im Palast!
„Wo ist euer Krieger, der meine Sirene besiegt hat? So einen Mann würde ich gerne auch kennenlernen. Er hat schließlich den Champion besiegt." Verwirrt legte ich meinen Kopf schief, er stand doch direkt vor ihm.
Dann fiel es mir auf. Er hatte eine Maske getragen!
Ich hatte gegen einen Prinzen gekämpft, einen maskierter Prinzen, der nur von mir erkannt werden würde. Ich hatte die genaue Farbe seiner Augen gesehen, seine silberblonden Haare, die nun gewaschen waren, von dem Sand befreit...und diese Lippen, beinahe schon erschreckend farbig im Gegensatz zu seinem blassen Gesicht. Und nun konnte ich auch seine Gerade Nase betrachten mit unglaublich hohen Wangenknochen. War jede Sirene mit einer akkuraten Schönheit versehen? Das machte mich noch zorniger. ICH war die Reinkarnation reiner Perfektion.
Der Prinz hatte meinen Gewinn gefährdet! Er hatte mich besiegt und sein Gewinn war nur ein Tropfen auf dem heißen Stein! War ihm langweilig gewesen und hatte sich entschlossen mein Erfolg zu ruinieren?!
„Er ruht sich aus, ihre Sirene hat ihn ganz schön geschafft." Ich schnaubte erneut und diesmal fiel der Blick des Prinzen auf mich. Seine Augen schienen sich zu verdunkeln bei meinem Anblick. Er betrachtete mich für einige Sekunden. Ich sah wie er den Kiefer zusammenpresste.
„Was...was hat sie in ihrem Gesicht?", seine Stimme war nun gefährlich ruhig. Voller misstrauen und sein Akzent war nun präsenter als vorher.
„Was?" Barem blickte zu seiner linken herab. Er betrachtete mich ebenso wie der Prinz. Normalerweise würde ich das genießen, doch nun war ich voller unterdrücktem Zorn. Ich WOLLTE nicht betrachtet werden. Zumindest jetzt nicht.
„Ach das ist ihr Maulkorb, eine Erfindung die auch bei bissigen Hunden angewandt wird, nur an sie angepasst. Ihr Kiefer wird zusammengedrückt und ihre Lippen gegen ihre Zähne gepresst. So kann sie nicht sprechen und ihre Gabe gegen uns anwenden." Barem schwoll stolz die Brust, während ich etwas beschämt meinen Blick sank.
„Sie halten ihren Champion wie einen bissigen Hund?" Der leise Vorwurf in seiner engelsgleichen Stimme ließ eine Gänsehaut auf Barems Haut entstehen.
„Was macht ihr mit eurem Krieger? Wie passen sie auf ihre Sicherheit auf?", fragte Barem pikiert. Er mochte es gar nicht so zurechtgewiesen, besser gesagt unterschwellig kritisiert zu werden.
„Er ist kein Besitztum, er gehört mir nicht, er kann tun uns lassen was er will. Er braucht keinen...Maulkorb"
„Stimmt, ich vergaß.", der Lord hatte die Augenbrauen erhoben, doch er vergaß seine Etikette nicht. „Kann ich euch etwas anbieten, Majestät?"
Etwas anbieten? Wieso tat er das? Der Prinz war frech und hatte uns beide um unser Geld gebracht! Wieso erkannte er das nicht?
„Nein danke, ich möchte über Ihre Sirene sprechen."
„Aber natürlich! Viele haben fragen über meine Sirene. Obwohl, Ihr kennt ja selbst eine!"
„Wie alt ist Elodie?" Wieso interessierte ihn mein Alter?! Reichte es nicht, dass er mich gedemütigt hatte?
„Oh...diese Frage kam noch nie!" Mein Besitzer schien kurz zu überlegen und er betrachtete mich. Er wusste es nicht?! Meine Wut schien sich auszubreiten. Erst von meiner Brust bis hoch zu meinen Fingerspitzen.
„Sie müsste jetzt 18 sein, oder Elodie?"
Ich betrachtete den Prinzen misstrauisch. Während Barem mein Alter schätzte. Was wollte dieser farblose Bastard von mir? Auf jeden Fall wollte ich nicht antworten.
„Elodie!" Meine Augen schnellten zu Barem und ich nickte widerwillig.
„Und sie ist seit fünf Jahren ihrem Besitz?"
„Ja." Barem warf sich bei seiner Antwort stolz in die Brust.
„Könnten sie ihr dieses schreckliche Teil vom Gesicht nehmen?"
„Nein, es könnte um Leben und Tod gehen.", belehrte der Lord auf seinem Thron.
„Hat sie jemals versucht dich umzubringen?" Der Kerl runzelte die Stirn.
„Nein...aber sie könnte. Und tut mir leid, Majestät, ich gehe mit meinem Besitz um, wie ich es für richtig empfinde"
„Nehmen sie ihr doch kurz dieses Ding ab." Die Stimme des Prinzen vibrierte leicht von seiner Gabe und Barems Augen wurden glasig. „Okay..."sagte er dann, „ausnahmsweise!" Er winkte meinen Wachen zu und das hoch komplizierte Schloss wurde geöffnet. Der Druck ließ nach und ich musste kurz eine Grimasse schneiden, zwar hatte ich mich an dieses Teil gewöhnt, aber meinen Muskeln tat es nie gut. Es war eine Erleichterung in meinem Gesicht. 
„Gut, dass sie ihren Besitz angesprochen haben, ich möchte ihnen Elodie abkaufen."

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