Die Begabten 26

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Elodie
Laurent wich einem erneuten Schlag aus und lachte, bevor er sich wieder eine volle Gabel in seinen Mund schob. Ich blickte Lian an, der mürrisch, aber gleichzeitig amüsiert seinen Freund anblickte.
„Wie lange kennt ihr euch schon?", fragte ich dann. Diese Vertrautheit sollte zwischen einem Arzt und einem Kronprinzen nicht so oft vorkommen. Überlegend kreuzten sich die Augen der Männer.
„20 Jahre?", fragte Lian und Laurent nickte langsam. „So ungefähr. Wir waren fünf, als ich an den Hof gekommen bin." Der Kronprinz brummte bestätigend.

Unser Essen kam und ich nahm zögernd einen Bissen von dem Dampfenden Teller.
Es war das Beste, was ich jemals gegessen hatte. Lian erklärte mir, dass es eine Art Gemüse Eintopf war und, obwohl ich Gemüse nicht sehr mochte leerte ich den Teller innerhalb von wenigen Minuten.
„Hab ich es dir nicht versprochen?", raunte der Prinz leise in mein Ohr und eine Gänsehaut bildete sich überall auf meinem Körper. „Naja, eins hast du gehalten, mal sehen, wie es in der Zukunft aussieht."
„All meine Versprechen halte ich."
Wie sehr ich ihm glauben wollte, aber ich wusste es besser. Jeder Mensch brach seine Versprechen. Selbst ich hatte welche gebrochen. Und bei seinem Vorhaben konnte er keine Versprechen halten.
Aber Ich bin die Reinkarnation reiner Perfektion.
Ich würde es schon verkraften.

Den Rest des Tages verbrang ich in den Zimmern des Prinzen mit Lian und Laurent. Sie versuchten mir einige Wörter auf Ferhalla beizubringen und waren von meiner Aussprache beeindruckt. Ich nahm schnell die Sprachmelodie der Männer auf und behandelte die Sprache wie ein Lied.

Sprache war genaugenommen ja auch nur eine Aneinanderreihung von irgendwelchen Lauten. So schwer war das nicht. Diesen Lauten eine Bedeutung zu geben war dann doch schwieriger.

„Me corra...", sagte ich leise. Ich wollte unbedingt wissen, was das hieß, wenn Lian mich schon so beim Essen genannt hatte. Gott sei dank dachte der Kronprinz nicht darüber nach, während Laurent sich versteifte.
„Mein Herz.", sagte er leise und abwesend, zuckte dann aber doch zusammen.

Ich starrte ihn an. Er starrte mich an. Wir beide wagten es nicht uns zu bewegen und Laurents Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. „Eine seltene Bezeichnung, da es in Ferhalla eine ganz besondere Verbindung beschreibt."

Der Prinz war der erste, der den Blickkontakt brach. Aber nur, um seine Augen auf meine Lippen zu senken.
„Hinterhältig, es so einfließen zu lassen ohne offen danach zu fragen.", sagte er dann leise und ich verzog die Lippen zu einem Lächeln.
„Hättest du es mir denn verraten?"
Lian überlegte und schüttelte dann den Kopf „Wahrscheinlich nicht."
„Dann war es ja gut, wie ich es gemacht habe."

„Ob es gut war oder nicht wird sich noch herausstellen.", sagte der Kronprinz und betrachtete seine langen Finger.
Die Stimmung sank bei diesem Satz und Laurent versuchte schnell wieder einzugreifen.
„Schade, dass man deine Lippe verunstaltet hat, oder?"
„Schade, dass ich generell verunstaltet wurde.", sagte ich gereizt. „Und du weißt nicht wer es war? Konntest ihn nicht sehen?", fragte Laurent und ich schüttelte den Kopf. „Die Person kam wie aus dem nichts. Hat zugeschlagen und irgendwas gezischt und ist abgehauen."
„Männlich oder weiblich?", fragte nun Lian. „Die Stimme klang männlich.",  murmelte ich und ich mied seinen Blick. Was sollte ich groß sagen. Es war schließlich nicht so passiert. Ich zog mir die Details aus dem Finger in der Hoffnung nicht durcheinander zu kommen.

Bei Sonnenuntergang führte der Kronprinz mich wieder in meine Zimmer. Wir schritten durch verwirrende Gänge und gläserne Fronten. Lian ließ sich Zeit und zeigte mir alle möglichen Dinge. „Da hinten ist der Wintergarten meiner Mutter." Er zeigte auf eine gläserne Tür und ich konnte einen Blick auf violette Blüten erhaschen. „Wintergarten? Was ist das?" Lian schmunzelte, erklärte es mir jedoch, bis ich zufrieden war.

Vor meiner Zimmertür blieb er stehen und er blickte zu mir herab.
„Danke.", sagte er und ich hob die Augenbrauen „Für was?", fragte ich leise.
„Für den Tag.", murmelte er. Ich lächelte still. Ich erwähnte nicht, dass er mich ja gemietet hatte, dass es meine Pflicht gewesen war mit ihm den Tag zu verbringen. Das würde die Stimmung vollkommen ruinieren.
„Wir sehen uns beim Essen.", sagte er leise. „Ach ja?"
Ich wusste nicht, ob ich beim königlichen Familienessen, das jeden Abend war, dabei sein durfte. „Du musst mitkommen, ich denke Leith will es mir eh unter die Nase reiben, dass du bei ihm bist." Lian verzog das Gesicht, als hätte er etwas saures im Mund.
Ich antwortete nicht, was sollte ich dazu schon sagen??? Ich zuckte nur mit den Schultern.
„Bis später, Elodie."
Er legte Saft eine Hand an meine Wange und drückte seine Lippen auf meine Stirn. Ich erstarrte. Ich stand in Flammen. Ich hatte seit einer langen Zeit, keine so weiche und zarte Berührung genossen. Doch das hielt nicht lange an. Ein Wimpernschlag später schob Lian mich in meine Zimmer und schloss die Tür. 

Leith
Sobald, wir die Zimmertür der Sirene zufallen hörten, sprang Bright auf und sprintete durch die Tür. Zack und weg. Er hatte seit Stunden stumm in ein Buch gestarrt und wohl auf Elodie gewartet. Ich war nicht so schnell. Ich wollte mir Zeit nehmen, damit Bright sich alleine davon überzeugen konnte, dass es der Sirene gut ging. 
Doch meine Tür wurde laut aufgeknallt.

Mein Bruder schritt mit seinen Wachen im Schlepptau in meine Zimmer und betrachtete mich eingehend.
Mein Herzschlag setzte aus und wir starrten uns für einige Sekunden stumm an. 
Was wollte mein Bruder jetzt von mir?

„Warum hast du Elodie gekauft?", fragte er dann, aus dem Nichts. Ich hob meine Augenbrauen, versuchte meine Miene unter Kontrolle zu halten. Er sollte ja nicht wissen, was in mir vorging.
„Das habe ich dir bereits gesagt.", antwortete ich kalt.
„Amüsiere mich und erzähl es mir nochmal." Lian verschränkte seine Arme vor meiner Brust und starrte mich an, suchte nach Schwächen in meinem auftreten. Ich stand von meinem Stuhl auf und tat es ihm gleich.

„Elodie ist ein sehr talentiertes Mädchen. Es ist viel zu groß um nur in einer schäbigen Spelunke zu sitzen und sich von Resten zu ernähren. Dazu hat ihr vorheriger Besitzer sie misshandelt. Sie hat das nicht verdient."
Er schnaubte „Und jetzt ist sie hier und wurde angegriffen."
„Das konnte ich nicht vorhersehen."
„Warum nicht? Das hier ist ein königlicher Hof. Der Besitz eines Prinzen ist immer in Gefahr.", knurrte er.
„Du bist ebenfalls ein Prinz und hast sie für den Tag als dein Eigentum beansprucht, was soll da der Unterschied sein?", fragte ich gelangweilt.
„Ich habe sie nicht allein gelassen!", rief er zornig.
Das beeindruckte mich nicht. Der Zorn meines Bruders war etwas Vertrautes, was mich nicht mehr berühren konnte. Was wollte er machen? Mich schlagen? Es gab Schlimmeres.

„Was willst du, Lian?", seufzte ich.
Mein Bruder starrte mich wütend nieder. Wütend und...irgendwie müde. Er wollte es mir nicht sagen. Dachte er ich würde es zu meinem Vorteil nutzen? Naja das konnte ich ihm nicht verübeln.

Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder und überlegte.
„Elodie."

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