Die Begabten 15

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Elodie
Es traf mich wie ein Schlag, als Leith die Gebärdensprache mit seiner Cousine verwendete. Zu viele schmerzliche Erinnerungen waren an diese Sprache geknüpft und als ich diese, dann auch selbst anwandte, erfüllte mich eine vertraute Sehnsucht. Ich fühlte mich, wie mein altes selbst, als ich meine Finger zu dem einen Satz bewegte. Auch fühlte ich so etwas wie Genugtuung als ich die geschockten Gesichter der Adeligen sah. Es war eine Seltenheit, dass es jemand kannte, der nicht von hoher Bildung war. Ich grinste Verra an und sie strahlte zurück. Sie hakte sich bei mir ein und führte mich sofort durch das Hoftor. Ich blickte über meine Schulter zurück zu Leith, der mit entgeistert hinterher blickte.

Wo war sein Bruder? Diesen hatte ich während unserer kurzen Konversation mit dem Königspaar die ganze Zeit gesucht, aber ich fand niemanden, der auf seine Beschreibung gepasst hätte.

Ich betrachtete die hohen Mauern, die uns umgaben, sie waren aus einem glatten hellgrauen Stein und er funkelte wie tausend Sterne. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Verra führte mich durch die Schlosstore, die von vier Männern geöffnet werden mussten. Ich starrte in den Eingangsbereich des Palastes und konnte meinen Mund nicht mehr schließen. Alles funkelte aus Glas und Licht. Ich hatte niemals gedacht, dass aus etwas farblosem so ein Spektrum an Farben an die Wand geworfen werden konnte.

Verra ließ von mir ab und lief vor mir, ihr Gesicht mir zugewandt und begann schnell mit ihren Händen zu fragen:
„Du bist Sängerin?"
Ich nickte
„Und mein Cousin hat dich gekauft."
Ich nickte erneut und ihr langer weißer Zopf fiel ihr vor Aufregung über die Schulter.
„Also seid ihr beide ein Paar?"
Ich konnte nicht anders und musste lachen, war das die erste Vermutung, die sich die Adelige stellte? Ich schüttelte erneut den Kopf. Und Verras Gesicht verschob sich zu etwas leicht angeekeltem.
„Sag nicht du und mein Bruder...", sie vollbrachte eine Gebärde bei der mir der Mund offen stehen blieb und Bright einen halben schrei von sich geben ließ.
„Verra!", das hatte er wohl gesehen. Er joggte auf uns zu und betrachtete ungläubig seine Schwester. „Diese Wortwahl! Dafür bist du noch zu jung!"

„Ich bin achtzehn, Bruderherz, kein Kind mehr!", lachte sie „Du warst zu lange weg!"
„Das sehe ich!", empört schnaubte Bright und legte einen Arm um meine Schultern. Er näherte sich vertraut meinem Ohr.
„Meine Schwester war als ich Ferhalla verlassen hatte, noch unschuldig.", flüsterte er und ich sah mit einer hochgezogenen Augenbraue zu ihm hinauf. „DAS bezweifle ich."
Verras Augen fixierten misstrauisch den Arm ihres Bruders um meinen Schultern. „Wir sind nur Freunde.", sagte ich Verra und sie hob nun selbst eine Augenbraue.
„DAS bezweifle ICH!" Sie drehte sich herum und schritt voraus. Verwirrt blickte ich Bright an und er grinste breit. Wirkten wir wie ein Paar? Dachten sie man hatte mich aus Liebe oder Leidenschaft gekauft? „Der König dachte, Leith hätte dich geschwängert oder heimlich geheiratet, da sind die Gedanken meiner Schwester wohl ähnlich."

Entgeistert blickte ich ihn an und ich realisierte gar nicht, dass wir in einen riesigen Empfangssaal geführt wurden und plötzlich hunderte hellhaarige Menschen fröhlich jubelten.

Ich zuckte heftig zusammen und Bright lachte. Leih seufzte und die Königin hüpfte freudig auf und ab. „Ich habe ALLE eingeladen! Ich freu mich so euch wieder hier zu haben! Kommt!" Ich blieb zurück, als meine beiden Begleiter durch die Menge geführt wurden und in einer fremden Sprache, die schnurrte, wie die Wüstenkatzen zuhause, Gespräche führten. Zuhause...wie ging es meiner Familie? Könnten sie gut mit dem Geld umgehen? Wie ging es meinen Bewunderern in die Arena? Sie würden mich nie wieder auf dem sandigen Boden sehen. Heimweh erfüllte mich. Auch, wenn mein Leben aus Training und Kämpfen bestand, vermisste ich es irgendwie. Das war mir bekannt.

Hier war ich ein Außenseiter. Eine Exotin. Ich spürte hunderte Augenpaare auf mir ruhen und normalerweise würde ich diese Aufmerksamkeit genießen...doch in diesem Moment war das alles schon beinahe bizarr.
Ich bin die Reinkarnation reiner Perfektion. Keiner kommt an mich heran.

Verra kam auf mich zu und drückte mir ein warmes Glas in die Hand. Erst da bemerkte ich, dass ich ein wenig zitterte. Diese Themperaturen hier, war mein Körper nicht gewohnt. Es war...kalt. Sehr kalt. Das kannte ich gar nicht. Dafür war mein Körper nicht bestimmt. Ich klammerte mich an das warme Glas und betrachtete die rote Flüssigkeit.
„Das ist heißer Wein, mit Gewürzen.", sagte Sie mit einer Hand und grinste.
Ich nickte und stürzte ihn herunter.

Geschockt blickte mich die Cousine des Prinzen an. „Das war kochend heiß!" Ich nickte erneut und grinste. Das war mir bewusst gewesen und hatte es mir auch gewünscht. Die Hitze war wilkommen.

„Elodie!", Bright kam auf mich zu und ich sah, dass auch er sich einen Wein genehmigt hatte. Seine Wangen waren leicht gerötet. Ich wusste gar nicht, dass die blassen Menschen aus Ferhalla so viel Farbe haben konnten. Ich legte fragend den Kopf schief und meine langen rotbraunen Locken vielen mir über die Schulter.

„Sing für uns!" Er strahlte mich an und ich zwang mir ein bombastisches Lächeln auf mein Gesicht. Ein Raunen ging durch die Menge und mein Lächeln vertiefte sich. Es war Bewunderung. Ich liebte Bewunderung. Ein Rausch. Nur schade, dass sie nicht jubelten. Das wäre ein Rausch gewesen.

„Welches Lied soll ich singen?", fragte ich und nun stand Leith neben mir. „Nummer 23.", murmelte er und verwundert blickte ich zu ihm hinauf. Ein Liebeslied?
Man führte mich auf eine kleine Erhebung und ich drehte mich zur Menge. Alle Augenpaare waren auf mich gerichtet und unglaublicherweise fühlte ich mich sofort wohler. Mein ganzer Körper kribbelte. Ich war schön, ich war ungewöhnlich und begehrenswert.

Es würde zwar keine Musik im Hintergrund geben, aber die brauchte ich auch nicht. Meine Stimme war Musik genug und ich wusste, dass sie die verschiedenen Töne selbst zu einer Sinphonie aus Klängen verweben würde. Ich lächelte, holte tief Luft und begann.

Freude erfüllte mich, da ich ohne Hemmungen meine Leidenschaft ausleben durfte. Kein Misstrauen und auch keine Angst war in den Gesichtern der Menge zu sehen. Keiner wagte es auch nur sich zu bewegen.
Deswegen erkannte ich sofort den Kronprinzen, der versuchte sich in den Empfang einzuschleichen. Sofort verhakten sich unsere Blicke und ich wurden von den schönsten fliederfarbenen Augen der Welt gefangen genommen.

Die BegabtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt