Die Begabten 30

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Elodie
Ich erwachte in einem glitzernden Nachthimmel und starrte in funkelnde Sterne. Diese Nacht war besser gewesen, als die Nacht davor. Ich hatte einen ruhigen, traumlosen Schlaf gehabt und ich war ausgeruht.
Ich rollte mich aus dem riesigen Bett und stand auf, um mich in den Räumen umzuschauen, das hatte ich gestern nicht mehr gemacht. Ich lief in eine Ankleidekammer und erstarrte. Es waren schon eine Hand voll Kleider in den Schränken zu sehen. Keines davon war meines, jedoch...als ich näher trat konnte ich sehen, dass mein Name in den Säumen eingestickt war. Waren sie für mich gemacht worden?
Ich wählte ein Kleid aus, das silbern schimmerte und irgendwie zu meinem neuen Zuhause passte. Es war aus einem leichten Stoff, auch wenn er dick war.
Ich ließ meine Haare offen und legte mir mein Lederband an. Die weiten Ärmel spielten ganz sanft um meine Hände und fühlten sich an, wie Wolken an meiner Haut.

Ich betrat mein Wohnzimmer, betrachtete die silbrigen Möbel und fuhr über die seidige Polsterung.
Ein aufgeregtes Klopfen ließ mich aufschauen und schnell trat ich vor um sie zu öffnen.
Verra stand strahlend vor meiner Tür und trat kommentarlos in meine Zimmer, einen Schweif an Dienern hinter sich herziehend.
Tablets wurden auf meinen kleinen Wohnzimmertisch platziert und ein dampfender Krug wurde dazugestellt.

Ich hob meine Augenbrauen und betrachtete Verra. Wollte sie den verpassten Wein heute Morgen nachholen? Es schien so, weil der Duft des Weines meine Nase erreichte.

Die Diener verschwanden schweigend und schlossen sachte die Tür, als Verra sich auf ein Sofa flätzte. Ich nahm ihr gegenüber, auf einen Sessel, Platz und starrte sie an.
"Ich bekomme dich doch sonst nicht allein zu sehen, wenn es nicht in aller Frühe is."
Sie grinste, bei ihrer Erklärung und hob die Deckel von den Tabletts. Allerlei Köstlichkeiten starrten mir entgegen. Ich konnte gar nicht so schnell denken, da hatten meine Hände schon die Küchlein vom vorherigen Tag geschnappt. Ein leises Lachen kam aus Verras Kehle und ich blickte auf. Sie war gerade dabei Wein in zwei Gläser einzuschenken.

Ich spürte Verras Blick, als ich das Glas entgegennahm und traf ihre Augen. Grün auf Violet.
„Wie geht es dir?", fragte sie langsam, beinahe vorsichtig.
„Gut. Es war ein bisschen stressig gestern, aber sonst?" Ich zuckte mit den Schultern und lächelte.
„Ich habe eine Frage an dich...", begann sie zögerlich. Ihre Hände formten die Gebärden etwas angespannt. Neugierig legte ich den Kopf schräg und meine rotbraunen Locken fielen mir über die Schultern.
Verra fuhr sich durch die Haare. „Wie hast du einen Gehörlosen kennengelernt? Ich konnte an nichts anderes denken..."
Mein Atem stockte. Ich hatte gehofft, dass dieses Thema nicht mehr aufkommen würde. „Ich habe den Mann, seit einem Jahr nicht mehr gesehen.", begann ich, in der Hoffnung sie würde das Thema fallen lassen, doch ihr Blick lag neugierig auf mir, fast schon verzweifelt. Was ging in ihr vor? Was wollte sie mit diesen Informationen erreichen?
Ich seufzte „Er war ein weiteres Besitztum..."

Große violette Augen starrten mich an, geschockt. Es war anscheinend kein schönes Thema in Ferhalla. Es fühlte sich an, als sollte es eigentlich nicht angesprochen werden. „Aber...wir sind unglücklich auseinandergegangen, also..."
Ein Klopfen unterbrach mich.
„Ja?", fragte ich nun. Wieso mussten alle am frühen Morgen kommen? Ich war gerade erst aufgestanden!
Die Tür öffnete sich und Lian stand grinsend in der Tür. „Guten Morgen, me..." Der Prinz verstummte, als er seine Cousine sah. Sie sprang auf und umarmte den Kronprinzen. Ich blieb sitzen und trank entspannt meinen Wein. Ich machte nicht viel Aufhebens.

Wein am morgen. Das hatte ich auch noch nicht gesehen, doch die Hitze tat mir gut. Sie schob Gale aus meinen Gedanken und ließ mich fokussieren. Verra hatte aber eine andere Idee.

„Wusstest du, dass Elodie mal einen gehörlosen Geliebten hatte?"
Mein Herz blieb stehen. Doch Lian reagierte sehr ruhig. „Interessant.", antwortete er und blickte mich neugierig an. Ich zuckte frech lächelnd mit den Schultern. Ich war keine Unschuld und dafür schämte ich mich nicht. Wieso sollte ich auch? Es hatte mich davor bewahrt, dass Barem meine Unschuld verkaufte.
„Das war vor langer Zeit.", sagte ich und leerte den Wein, bevor ich mich dem Essen widmete. Der Kronprinz setzte sich zu meiner Überraschung auf meine Sessellehne.
„Guten Morgen.", sagte er noch einmal und fuhr mit seiner Hand meinen Nacken hinauf. Ich zuckte heftig zusammen und schlug ihm aus Reflex fest auf den Oberschenkel. Verra verschluckte sich beinahe an ihrem Wein, während Lian lachte. Ich blitzte den Kronprinzen an „Lass das!"

Er lehnte sich zu mir herab und flüsterte an mein Ohr: „Aber ich finde es süß."
Ich schnaubte, konnte aber die Hitze, die durch meine Adern schoss nicht unterdrücken.
„Warum bist du hier, Lian?", fragte Verra patzig und ließ sich wieder auf das Sofa uns gegenüber fallen. „Weil ich es wollte.", antwortete Lian. „Und weil Laurent mich beauftragt hat, als erstes Elodies Mund anzuschauen." Er schnappte sich bei diesen Worten sanft mein Kinn und drehte mein Gesicht zu sich.

Sein Daumen streichelte sanft mein Kinn, während seine Augen erst über mein Gesicht wanderten und sich dann auf meine Lippen senkten. Oh Götter, musste er das machen? Mein Herzschlag setzte aus, um dann in einem Höllentempo weiter zu rasen. Mir wurde heiß und kalt zugleich.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Lian seinen Blick von mir losreißen konnte. „Scheint gut zu heilen.", sagte er dann in Gebärden, damit Verra es auch mitbekam. Ich lächelte leicht. „Ich lasse euch auch wieder allein, ich hole euch in einer Stunde, damit wir los können."
Er drückte mir seine Lippen kurz auf den Kopf, was mich und Verra erstarren ließen. Dann stand er auf und drückte seiner Cousine einen Kuss auf. Ich starrte ihn an. Was dachte er sich dabei?

Er war beinahe an der Tür, bevor er sich wieder umdrehte und zu mir schritt. „Fast vergessen!", sagte er nur und ließ ein kleines Kästchen auf meinen Schoß fallen. Dann war er verschwunden.

Mit rasendem Herzschlag starrte ich auf die Tür, die er hinter sich geschlossen hatte. Was war DAS denn gewesen?
Verra riss meine Aufmerksamkeit wieder zu sich, indem sie mein Glas wieder füllte. Ihre Augenbrauen waren überrascht gehoben und sie blickte mich auffordernd an. Ich schwieg. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Mein Herz schlug wie wild.
„Öffne es.", sagte sie einfach und ich blickte auf das kleine Hölzerne Kästchen in meinem Schoß. Irgendwie hatte ich Angst es zu öffnen. Es war furchtbar privat. Doch er hatte es mir vor ihr gegeben, also konnte ich es wohl öffnen.
Langsam öffnete ich es und blickte auf ein silbernes Halsband, voller Diamanten.

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