Die Begabten 38

10 2 0
                                    

Elodie
Nun endlich standen Lian und ich uns gegenüber und er wagte es sogar auf mich loszugehen. Elegant wich seinem Schlag aus und duckte mich unter seinen Arm. Schnell zog ich ihn mit der stumpfen Seite einer Axt sein Fuß weg. Er war so überrascht über meine Schnelligkeit, dass er stürzte und sofort sprang ich auf ihn drauf, fixierte seine Arme mit meinen Knien und hob die Axt zum angetäuschten Schlag.
Große fliederne Augen starrten zu mir herauf und ich legte neugierig den Kopf schief. Er keuchte leicht.
„Alles gut, me anim?", fragte ich belustigt. Seine Augen verdunkelten sich und fielen hinab zu meinen Lippen.
„Brauchst du einen Eimer kaltes Wasser?"
Er murrte kurz, bis er mich plötzlich von sich stieß und mich am Boden fixierte. „Ich hab gewonnen" , knurrte er in mein Ohr und eine Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper.
Ich grinste und bewegte meine Arme, sodass er sofort von ihnen abließ.
Sofort vergruben sich Meine Finger in seine Haare und er ließ einen ersticken Laut aus seiner Kehle entweichen. „Das bezweifle ich."

Er lachte leise in sich hinein. „Du drehst und wendest es solange bis es dir passt, oder?", ich hob mein Bein an und schlang es um seines. Er verstummte sofort, Feuer in seinen Augen.
Doch ich wirbelte uns wieder herum, sodass ich auf ihm saß.

„Ja, und? Ich muss alle Waffen benutzen die ich habe!"
„Ich weiss nich ob ich froh sein soll, dass du dich wehren kannst, oder ob ich wütend sein soll, weil du dafür einem Gegner so Nahe kommen und dein perfektes Beim um ihn schlingen musst."

Ich legte meinen Kopf in den Nacken und lachte, doch Lians Miene war ernst und angespannt. Ich betrachtete den Prinz vor mir. „Dann sorge dafür, dass ich nicht angegriffen werde, dann bleibt mein perfektes Bein bei mir." Ich strich kurz über seine Wange, über die Narbe, die dort endete. Er zischte kurz und sofort nahm ich meine Finger von seiner vernarbten Haut.

"Entschuldige.", sagte ich schnell. War er noch empfindlich an dieser Stelle? Oder wollte er dort einfach nicht berührt werden?
Er schnappte sich schnell mein Handgelenk „Nein nein...es ist nur...sensibel."
Er selbst legte meine Hand wieder auf seine Narbe. „Mach weiter."
„Ja?", murmelte ich und fuhr nun neugierig die weiße Linie entlang. Lian erzitterte unter mir. Und ich merkte, wie er erstarrte, je weiter ich seinem Auge kam. Ich stockte erneut „Ist es vollkommen erblindet?" „Ich kann nur Licht und Schatten unterscheiden.", murmelte er leise. Ich konnte den Schmerz in seiner Stimme heraushören und ich tat etwas, was ich nur selten getan hatte. Ich strich mit meinem linken Ringfinger über die Stelle genau neben meinem linken Auge und führte ihn an die gleiche Stelle beim Prinzen. Ich zeichnete ein altes Zeichen, eine Rune, genau dahin und pustete darauf. Pustete die Rune und mein Versprechen zu den Göttern.

Er blinzelte irritiert und betrachtete mich fragend. „Ein alter Segen, ein Versprechen.", sagte ich nur leise und stand auf. "Mein Auge ist nun Deins."
Mit diesen Worten wandte ich mich ab und nahm meine Waffen wieder auf.

Stundenlang verbrachten wir in den Trainingsräumen und Lian schien immer wieder beeindruckt über meine Fähigkeiten. Er knallte genauso oft auf den Boden, wie ich. Wir lachten. Und nach einer Weile lagen wir atemlos auf den Matten und starrten an die hohen Decken. Die Wachen schwiegen, doch der Gedanke, dass sie uns beobachteten war komisch.
„Du musst heute gehen.", murmelte Lian leise und drehte seinen Kopf in meine Richtung. Ich nickte. „Sonntag Abend bin ich wieder da.", murmelte ich an die Decke. Ich spürte eine Hand in meinen Haaren und ich lehnte mich in die sanfte Berührung. Er kraulte mich sanft. „Gleich nach dem essen werde ich dich dann mitnehmen." Ich grinste und nickte. „Und Montag ist mein Geburtstag...", begann er und neugierig blickte ich ihn an „Willst du meine Begleitung sein?", fragte er zögerlich. Er war so süß. „Wer denn sonst, me anim? Du kannst jetzt keine andere Frau mehr als Begleitung nehmen, oder?"
„Ich WILL keine andere Frau als Begleitung." Ich strahlte.

Leith
Ungeduldig warteten Bright und ich in Elodies Zimmern auf sie. Meine Nerven waren zum zerreißen gespannt und ich lief eine Schneise in den Teppich. Lian hatte das Abendessen geschwänzt und nun warteten wir ungeduldig, seit einer halben Stunde.
Ein glockenhelles Lachen ließ meinen Cousin und mich aufschrecken. Meine Sirene. Ein leises Brummen, war die Antwort, Lian.
Es brannte in mir. Er schien in ihrer Nähe ganz anders zu sein als sonst. Selbst meine Mutter war überrascht gewesen. Vor allem, weil Lian die ganze Woche nicht beim Abendessen erschienen war.
Elodie quiekte kurz auf und die Tür vibrierte, als ob sie dagegen gerannt wäre. Wir erstarrten, bereit zum Kampf gegen den Kronprinzen, falls er ihr irgendetwas antat.

Erneutes Lachen und eine Gänsehaut bildete sich auf meiner Haut.
„Du musst mich jetzt loslassen.", sagte sie, leise durch das Holz. „Ich will nicht, me corra."
Bright sprang auf bei dem Namen, während mir die Luft weg blieb. Er hatte sie beansprucht. Er war zuerst. Me corra. Sie war sein Herz. Verdammt! Wie konnte er das schon tun? War er wahnsinnig? „Am Sonntag nimmst du mich wieder mit, me anim."
Bright wich alles Blut aus dem Gesicht. Götter, was war da PASSIERT?!
Sie waren nun ein Paar? Aneinander gebunden, wie Eheleute?! Götter, sie hatte es geschafft, oder nicht? Das war der Plan gewesen und doch...Bright sah am Boden zerstört aus. Ich fühlte mich, wie von einem Pferd zertrampelt.
Ein weiteres Brummen ertönte, gedämpft. „Und Montag tanzt du mit mir, aber jetzt musst du mich runter lassen." Erneutes Brummen und die Tür vibrierte erneut. Sie lehnte wohl an der Tür.
„Gute Nacht, me corra.", hauchte mein Bruder und ich schauderte. Ich hatte diese Stimmgebung noch nie an ihm gehört. So sanft, so vorsichtig.
Meine Sirene verabschiedete sich ebenfalls und schlüpfte durch die Tür. Sie hatte ein leises Lächeln im Gesicht, als sie eintrat und ich betrachtete das unglaubliche Kleid, welches sie trug. Grüne Seide, feinste Stickereien.
Sie schaute auf und verschränkte grinsend die Arme vor der Brust.
„Habt ihr mich vermisst?"

Die BegabtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt