Die Begabten 13

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Leith
Die Zeit verging schnell während ich mit Elodie arbeitete. Sie konnte zwar keine Noten lesen, jedoch war ihr Gehör so gut, dass sie Lieder sofort nachsingen konnte.
Es wurden Kleider für sie angefertigt, mit Stoffen aus Alya, aber gefüttert für Ferhalla. Es sollte so aussehen, dass man ihre Kleidung einfach bearbeitet hatte. Und sie sollte rausstechen. Die bunten Farben ihres Landes standen ihr auch sehr gut. Sie strahlte in grün und rot, es ließ ihre Haut golden leuchten und die Augen funkeln.
In der letzten Nacht des Fluges starrte Elodie fragend aus dem Fenster...nach über einer Woche hatte sie sich an die Höhe gewöhnt und schien ihre Flugangst abgelegt zu haben.
„Was ist das denn?", fragte sie Bright, der inzwischen ziemlich gut mit ihr klar kam. Sie verbrachten sehr viel Zeit miteinander. Hatten auch die Bar geplündert und spielten oft irgendwelche Spiele.
„Was?", fragte mein Cousin und trat zu ihr ans Fenster „Das...", begann sie und ich fügte zwischen rein „Das ist Schnee."
„Schnä?" Ich unterdrückte mir ein lachen und schüttelte den Kopf „Schnee. Es ist sehr kalt draussen und der Regen gefriert."
„Regen?", fragte Elodie erneut und nun starrten wir beide sie ungläubig an. Regen gab es in Alya auch nicht?
Leise erklärte ich Regen, bis Elodie zufrieden nickte. Sie hatte verstanden und betrachtete fasziniert das schöne Schneetreiben bei Nacht.
„Bei Sonnenaufgang sind wir da.", sagte ich und grüne Augen betrachteten mich überrascht und nervös.
„Wird dein Bruder mich überhaupt anziehend finden?"
„Wenn er dich nicht anziehend findet, dann weiß ich auch nicht", grinste Bright und legte einen Arm um Elodies Hüfte. Sie hob belustigt einen Mundwinkel und irgendetwas knurrte in mir. Wieso mochte sie meinen Cousin, aber mich behandelte sie mit Vorsicht, Misstrauen und Wut?
Das war nicht fair. Aber Fairness gab es im Zusammenhang mit Elodie niemals. Jeder in diesem Wagen, auch die Diener vergötterten die neue Sirene. Das schlimme war, dass ich jeden einzelnen verstehen konnte. Sie war die Schönheit in Person, lachte wie eine Göttin und war dazu noch intelligent. Man vergaß schnell, dass sie auch gerne zu Gewalt neigte.

Elodie
Nervös und mit hämmernden Herzen starrte ich aus dem Fenster des Wagens und betrachtete das weiße, funkelnde treiben des Schnees. Ich hoffte, dass der ganze Plan gut ging. Was wollte ein Kronprinz von dem Besitztum seines Bruders, den er hasste? Vor allem, wenn sie nicht selbst von Adel war?
Ich blickte auf mein Kleid hinab. Es war strahlend grün mit Stickereien aus meiner Heimat. Es war ein weicher und dünner Stoff, welches natürlich war für unser Klima. Das Fell und der sehr dicke, schwere Stoff, den man hinzugefügt hatte tat dem Kleid nichts schlechtes. Auch, wenn es für mich komisch aussah, aber was sollte ich da sagen? Ich hatte nicht sehr viele Kleider bekommen als Arenakämpferin, für was auch?
Nun war ich Sängerin und hoffte, dass ich damit durchkam. Leith hatte mit mir geübt. Wir hatten über 50 Lieder gelernt, in allen Stilrichtungen. Von Kinderlieder bis Volksliedern und auch Lieder, die nur für Erwachsene waren...bei diesen Liedern war selbst der abgeklärte Prinz ins straucheln gekommen. Ich hatte ihn ausgelacht.

Viel zu schnell kam der Sonnenaufgang und ich konnte nicht anders als ängstlich hin und herzulaufen. Ich wusste nicht genau, wie ich das angehen sollte. Was mochte der Kronprinz? Ich musste ja irgendwie nah an ihn herankommen um ihn zu manipulieren.
„Alles gut, kleine Feuerblüte?", ich wandte mich an Bright, der mich aus seinen violetten Augen Liebevoll betrachtete.
„Ich...weiß nicht.", murmelte ich und betrachtete die glitzernde Landschaft unter uns.
„Wir werden das schon schaffen.", grinste er und griff nach einer verirrten Haarsträhne von mir und wickelte sie sich um den Finger.
„Lian wird dir zu Füßen liegen, auch, wenn er wahrscheinlich erstmal distanziert und überheblich wirken kann."
Ich nickte, natürlich würde er mich lieben...Ich bin die Reinkarnation reinster Perfektion
Er würde mir vertrauen und seinen Plan verraten.
Wie wollte er das alles anstellen? Wie sollte er Krieg gegen Menschen führen, die mächtiger waren als die Menschen die ohne Segnung der Götter lebten?
Wir hatten Fähigkeiten, die uns eigentlich alle Macht der Welt geben sollten. Wieso wir diese Macht nie ergriffen hatten, war mir schleierhaft.
Ich betrachtete den Mann vor mir und lächelte, er war ein echter Freund geworden und er würde schon aufpassen. Bright strahlte mich an und strich über das Lederband um meine Stirn.
„Du wirst noch mehr Leben retten, kleine Feuerblüte."

Ich spürte sofort, als der Wagen sich dem Boden näherte. Mein Magen hüpfte unangenehm in meinem Körper. Und ich krallte mich automatisch in den Sessel in denen wir alle platzgenommen hatten. Bright und Leith hatten anscheinend sehr viel Adrenalin in ihrem Blut. Sie zappelten in ihren Plätzen und gingen zum dritten mal das Prozedere durch, wenn wir landeten.
Wir würden im Schlosshof ankommen und dort von der königlichen Familie empfangen werden. Dann wird ein Bankett zur Begrüßung des Prinzen abgehalten und wenn ich Pech hatte musste ich dort gleich singen.
Es ruckelte heftig an dem Wagen und panisch versteifte ich mich in dem Sitz.
„Schon gut, Elodie, der Sinkflug ist aufgrund der unterschiedlichen Luftverhältnisse immer etwas ruckelig.", sagte Leith und ich betrachtete sein kaltes Gesicht. Er war nervös, das wusste ich. Er war zwei Jahre lang nicht zuhause gewesen. Nun würde er wieder seine Familie sehen. Mit einem menschlichen Besitztum im Schlepptau. Er würde wahrscheinlich nicht gut wegkommen mit diesem Skandal.
Mit einem lauten Knall landeten wir und ich hörte Jubelrufe von draußen.
Nicht so laut und schön wie in meiner Arena, doch eindrucksvoll genug, dass ich sofort aufsprang und aus dem Fenster schauen wollte. Der Prinz hielt mich auf. Sanft schlossen sich seine Finger um mein Handgelenk.
„Du willst doch nicht deinen Auftritt ruinieren?", hauchte er leise und grinste. Dieses Grinsen sah zu gut aus. Und er hatte sogar Grübchen. Schnell und sauer wandte ich meinen Blick ab. Es gab einen Grund warum ich mich von diesem Mann fern hielt. Er ging mir zu sehr unter die Haut. Jede Regung seines Gesicht war faszinierend für mich. Seine Kontrolle. Seine Abgeklärtheit. Und ich wollte das nicht!
Es war besser ihn zu hassen, als ihn an mich heran zu lassen.

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