Die Begabten 33

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Elodie
Ich wusste schon immer, dass ich schön war. Seit meiner Kindheit war ich umschwärmt von bewundernden Menschen, sobald sie meine Stimme hörten waren sie verliebt.

Bis heute war das alles gewesen. Man hatte noch nie gewagt mich entführen zu wollen, mich angreifen zu wollen. Außerhalb der Arena natürlich, doch dies war auch nicht das echte Leben.
Nun lag ich am Boden. Lians Wache neben mir und Verra, die mich untersuchte und gleichzeitig stumm versuchte mich zu beruhigen.

Es war aber nur ein Name, den ich über die Lippen brachte. Sofort schnellten fliederfarbene Augen zu mir und er ließ meinen Angreifer fallen.
Gleich darauf bewegte sich Cas, der seinen Hörschutz wieder aufsetzte und den Mann am Boden festnahm.
Der Kronprinz trat auf uns zu und kniete sich vor mich.

Er betrachtete mich und wischte mir neue Tränen von der Haut.
„Er wollte mich mitnehmen.", wimmerte ich und griff mir geistesabwesend an den Kopf. Ich erfühlte eine Warme feuchte Stelle. Er hatte mir Haare herausgerissen. Wäre ich nicht so erschüttert, hätte ich den Betrunkenen umgebracht. Niemand hatte das Recht mich zu verunstalten.

„Er hat dich nicht bekommen.", hauchte Lian, der mich sanft auf seinen Schoß zog. „Niemand wird dich mir wegnehmen, okay? Du bist sicher bei mir...es tut mir leid, dass ich nicht besser aufgepasst habe."

Er nahm meine Hand und ich zuckte heftig zusammen. Heißer Schmerz raste meinen Arm hinauf. Ich starrte auf die gerötete Haut...verbrüht. Die Heiße Schokolade hatte meine Hand verbrüht.
„Tut mir leid. Tut mir leid.", murmelte er, während er meinen Ärmel hinaufzog.

Er sah wohl zum ersten Mal meinen nackten Arm, denn er zuckte heftig zusammen, beim Anblick des schwarzen Wappens, was ihm entgegenprankte.
„WAS ZUR HÖLLE!", rief er, meine Verbrühung vergessen.
„Er...musste es machen..." hauchte ich. „Sonst wäre ich Diebesgut. Er musste mein Brandmahl entfernen und sein Wappen an mir anbringen."
Er starrte mich an, dann meinen Arm und wieder mich.
„Dein Brandmahl entfernen...", murmelte er und automatisch reichte ich ihm meinen anderen Arm.

Er schob auch da den Ärmel nach hinten und blickte auf meine tiefe Brandnarbe. Er schwieg, lange, ich konnte nicht lesen, was er wohl dachte. War ich jetzt hässlich für ihn? Gebrandmarkt, wie Vieh?
Doch er überraschte mich. Er zog mich noch näher an sich, ließ seine Arme unter mich gleiten und hob mich hoch.

In Lians Armen ragte ich weit über die Menge hinweg. Verra vor uns, schien winzig.
Wären nicht schon zuvor die Blicke der Passanten auf uns gehaftet, würden sie es jetzt tun. Der Kronprinz trug ein ausländisches Mädchen, geschmückt mit Diamanten und gekleidet, wie eine Prinzessin. Götter die Gerüchteküche musste jetzt brodeln.

„Ich lasse Laurent herkommen, die Kutsche würde zu lange brauchen, er ist mit dem Pferd schneller." Ich nickte, während ich Verra bescheid gab. Lian hatte keine Hand frei.
Sie nickte ebenfalls und gab einer ihrer Wachen ein Zeichen. Er verschwand schneller, als ich gucken konnte.

Lian blickte sich um und schritt schnell auf eine Gaststätte zu, um den Blicken der Passanten zu entkommen. Die plötzliche Wärme, um uns herum, ließ meinen Kopf schwindeln. Die Gäste erstarrten und hundert Augen betrachteten uns unverhohlen.
Der Wirt eilte auf uns zu und es war ein komischer Anblick, ihn von so einer Höhe zu betrachten. „Wir brauchen einen privaten Raum, jetzt.", sagte Lian in einem Ton, den ich noch nie gehört hatte. Er war plötzlich Lian Whitewell, Kronprinz von Ferhalla. Streng und unbeugsam. Autoritär.

Der Wirt, war schnell, in seinem Handeln und rannte beinahe voraus, eine Treppe hinauf und in, wie es aussah, seine eigenen vier Wände. Eine Frau, rief irgendwas, für mich unverständliches, bevor sie aus einem Raum trat und einen Topf voller Seife fallen ließ. Sie hatte wohl ihren Kronprinzen erkannt, doch sie eilte auf mich zu. Mein Herzschlag setzte aus, als sie ihre Hände nach meinem Gesicht ausstreckte und ich wich reflexartig zurück, an Lians Brust. Mein Gesicht in seiner Halsbeuge.
Ich spürte, wie er kurz den Atem anhielt, sich dann entspannte und kurz vorsichtig seine Wange auf meinen Scheitel drückte. Ungewöhnlicherweise fühlte ich mich sicher in seinen Armen, versteckt an seinen Hals, umgeben von seinem warmen Duft.

„Sie will dir nur helfen, me corra, sie ist selbst Mutter eines Mädchens, wie sie sagt.", übersetzte Lian sanft.
Ich wusste, dass meine Reaktion übertrieben war, doch ich wurde gerade auf offener Straße attackiert, da durfte ich doch etwas erschüttert sein. Oder?
Die Frau sagte etwas leises.
„Sie steht unter Schock, Majestät.", übersetzte Lian leise „Sie wird Euch in nächster Zeit nicht loslassen wollen, aber setzt euch."
Lian bewegte sich mit diesen Worten und wurde in eine Schlafkammer geführt. Dort tat er, wie geheißen und setzte sich auf die Matratze.

„Me corra, sie fragt, ob sie deine Hand anschauen darf.", begann Lian und ohne von meinem Versteck an seinem warmen Hals aufzuschauen streckte ich meine schmerzende Hand aus. Sanfte Finger berührten meine Haut, doch ich zuckte trotzdem zusammen. Der Kronprinz zischte etwas und die Frau murmelte eine Entschuldigung.
„Warum wollte man mich mitnehmen?", wimmerte ich leise. Meine Gedanken kreisten. Ich hatte doch nicht meine Gabe verwendet, oder? Ich hatte eigentlich nicht gesprochen. Ich hatte nichts getan, um den Mann aufzuregen.

„Ich weiß es nicht, me corra. Schönheit ist etwas wunderbares und viele denken, dass ihnen das Recht gehört es zu nehmen."
Das klang etwas schaurig, doch es schien etwas Wahres dran zu sein. Sonst wäre es wohl nicht passiert.

Laurent war wenig später da, keuchend stolperte er mit einer Tasche in der Hand in das Zimmer, gefolgt von Verra, die anscheinend aus Anstand gewartet hatte. Der Anstand war aber gleich vergessen, denn sie schmiss sich aufs Bett und betrachtete uns besorgt. Ich begegnete ihren Blick zögerlich.
„Du blutest Lian voll.", sagte sie dann aus heiterem Himmel und sofort schreckte ich auf und blickte auf einen großen roten Fleck.
„Oh nein...", hauchte ich, den Tränen Nahe. Es war ziemlich viel Blut, erneut. Ich würde ihm bald seine ganze Garderobe kosten.

„Tut mir leid!"
„Keine Sorge! Lian hat genug Klamotten aber nur ein Herz, komm und zeig mal her."
Laurent lächelte sanft und er näherte sich uns. Ich bewegte mich kein Stück, also gab der Arzt sich damit zufrieden, mich auf Lians Schoß zu untersuchen. Ich bettete mein Gesicht wieder in die weiche, verwundbare Haut seiner Halsbeuge. Er duftete himmlisch warm und zimtig.

Laurent verband meine Hand, doch sie war nicht sehr schlimm verletzt. Meinen Kopf betrachtete er etwas länger.
„Es sieht schlimmer aus, als es ist...die Blutung sollte bald aufhören. Ist dir schlecht? Schwindelig?"

Matt schüttelte ich den Kopf.
„Müde", hauchte ich und Laurent nickte verstehend. „Kein Wunder! Wir sollten wohl nach Hause und dich in ein Bett stecken."
Ich wollte in kein Bett und ich schüttelte den Kopf, dafür war ich viel zu aufgeregt.

„Lass uns nach Hause gehen, me corra.", brummte die tiefe Stimme des Kronprinzen, die meine Knochen vibrieren ließ.

Die BegabtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt