Die Begabten 9

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Elodie
Bright brachte mich zu einem kleinen Zimmer, besser gesagt eine kleine Kammer, die eigentlich nur mit einem Bett bestückt war.
„Die meiste Zeit wirst du eh auf deinem Sitzplatz sitzen."
Ich betrachtete eine Weile die weißen Wände der Kammer, die voll mit künstlerischen weißen Bildern waren.
„Wie lange fliegen wir?", fragte ich leise und mein Herz hämmerte panisch bis zu meinem Hals.
„Zwei Wochen." Ich starrte Bright mit großen Augen an. „Wir kommen von weit weg.", sagte der blasse Mann vor mir und lächelte sanft.
„Hast du keine Angst?", fragte ich leise. Ich war wirklich nicht gewohnt so...nett behandelt zu werden. Als wäre ich keine Gefahr. „Vor dem fliegen? Nein. Wir haben sehr kompetente Bändiger der Luft."
„Vor mir.", berichtigte ich ihn und dachte sehnsüchtig an Gale, er hatte wirklich nie Angst vor mir gehabt.

Bright schwieg und überlegte kurz, als müsse er in sich hineinhorchen. Gale hätte mich sofort ausgelacht...er war aber nicht hier.
„Ich habe keine Angst, ich habe gesunden Respekt vor dir und deiner Macht, diesen habe ich aber auch vor Leith und den kenne ich, seit er geboren wurde."
Ich nickte, nicht so ganz überzeugt.
„Ich könnte dir befehlen so lange die Luft anzuhalten, bis du stirbst. Ich kann dir sagen, dass du mich über alles liebst und ALLES tun würdest um mich glücklich zu machen. Ich kann dir befehlen mich laufen zu lassen und dich dann alles vergessen lassen."
Dunkelblaue Augen musterte mich nachdenklich, aber er schien mir keinen Maulkorb anlegen zu wollen.
„Was du tun könntest und was du tun wirst sind zwei unterschiedliche Dinge, nicht wahr, Elodie?", sagte er ernst.
„Komm, Leith möchte dir im Salon ein paar Fragen stellen." er nahm ungewöhnlich sanft meine Hand und führte mich einen langen hellen Gang entlang.
Fragen? Was wollte dieser Prinz mir denn für Fragen stellen? Wie viele Kämpfe ich gewonnen hatte? Wie viel Geld man aus meinen Kämpfen quetschen könnte? Ich erinnerte mich noch gut an die Fragen, die Lord Barem an mich gestellt hatte, als ich schmutzig und ganz ausgehungert vor ihm gestanden hatte...

Mein Herz schlug heftig und laut gegen meine Brust, ich hatte schon Angst es würde aus mir herausspringen. Zwei Wachen führten mich vor den riesigen und mächtigen Lord. Dieser Mann herrschte über unser Dorf! Er musste mächtig sein. Und er sah dazu noch brutal aus. Sein Kinn und Kiefer waren breit und definiert seine Schultern muskulös und stark...er machte mir Angst.
„Meine Wachen sagten mir, du möchtest mich sprechen?", fragte der große dunkle Mann. Seine Kleidung war in einem tiefen violett, welches so kräftig war, dass es beinahe schon unwirklich schien. Ich nickte scheu.
„Was möchte ein kleines Mädchen von mir?"
Trotzig blitzte ich zu dem mächtigen Lord hinauf. Ich war doch kein KLEINES MÄDCHEN mehr!
„Ich möchte mich zum Verkauf anbieten."
Belustigt blickten die dunklen Augen des Lords auf mich hinab. Dieser alberne Thron auf dem er saß! Er hob fragend seine Augenbrauen.
„Was hast du, was mich dazu verleiten sollte dich zu kaufen?"
Ich war zornig, dachte aber an meine Familie, ich konnte nichts tun...sie brauchten mich. Ich drehte mich der Wache zu meiner Rechten zu.
„Du bist ein singender Schmetterling!", meine Stimme vibrierte und breitete sich in Schallwellen aus...zu den Ohren der Wache die ich direkt angesprochen hatte. Plötzlich wedelte die Wache, die aussah wie ein Fleischklops, wild mit den Armen und sang: „Ich bin ein kleiner Schmetterling, Schmetterling, Schmetterling! Und immer sing..."
Alle im Raum, selbst ich, erstarrten geschockt und betrachteten die Wache. „Eine Sirene...", seufzte Lord Barem fasziniert und auch...befriedigt. Ich nickte stumm. Man mochte es normalerweise nicht, wenn ich sprach. Also blieb ich still.
„Lass ihn bitte aufhören.", bat er mich. „Hör auf und komm wieder zu dir.", sagte ich leise und die Wache erstarrte sofort. Zornig starrte er auf mich herab.
„Du kleine...", knurrte er und machte Anstalten mich zu packen, sofort öffnete ich wieder den Mund, doch Lord Barem hob die Hand.
„Wie alt bist du, Sirene?", fragte er sanft und legte neugierig den Kopf schräg.
„Dreizehn."
„Und du willst, dass ich dich kaufe?"
Ich nickte einmal.
„Wie heißt du?", fragte er leise
Ich nannte ihm leise meinen Namen, ich wollte ihn nicht verschrecken, denn seine Wachen sahen sehr angespannt aus.
„Also, Elodie...dein Angebot ist sehr verlockend , du weißt jedoch, dass ich mit dir, als mein Eigentum, alles anstellen kann, was ich will?"
Ich hatte geschluckt und genickt.
„Ich könnte dich zu einer Hure ausbilden lassen und deine Jungfräulichkeit teuer verkaufen."
Panik stieg in mir auf und Hitze schoss durch mein Gesicht. Meine Hände begannen zu schwitzen und mein Herz raste gegen meine Brust.
„Ich würde lieber kämpfen...", hauchte ich leise, meine Kraft schwang unauffällig mit. Ich wollte keine Hure werden...
„Du würdest wohl ein Spektakel daraus machen.", ein lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Lords aus.

Nun wollte mein neuer Besitzer mich befragen und ich hoffte inständig, dass ich keine Hure werden musste.
Bright führte mich den langen weißen Gang entlang, der in einem riesigen Raum endete. Dort, auf einem hellen, weichen Sessel saß schon der Prinz. Dieser forderte mich leise auf, mich ebenfalls zu setzen.
Bleichblaue Augen betrachteten mich ruhig und genau diese Ruhe ließ das Feuer in mir aufflammen. Wie konnte er so ruhig sein, wenn er gerade mein Leben zerstörte?
„Zuerst möchte ich sagen, dass es mir leid tut, dass wir uns so kennengelernt haben...", begann er und ich hob schnaubend meine Augenbraue. Wenn es ihm sie leid tat...wieso tat er es dann überhaupt?!
„Es wird dir in Ferhalla gut gehen...du wirst Kleider bekommen, Essen und auch freie Bewegung...kein Maulkorb oder Schloss.", er beobachtete jede meiner Reaktionen.
„Du musst nur am Hof bleiben."
Stille.
Ich antwortete nicht, nicht mal mein Gesicht zeigte eine Regung. Er sollte nicht wissen, wie schön ich diesen Gedanken fand.
„Ich habe dich aus einem Grund gekauft, der dich bestimmt interessiert. Es ist wichtig, dass du stillschweigen darüber und über deine Macht bewahrst. Für meine Familie und alle Anderen habe ich dich als Sängerin gekauft, zur Unterhaltung..."
Ich starrte den bleichen Prinzen perplex an, ich sollte nicht erwähnen, dass ich eine Begabte war? Dass ich angeblich von den Göttern gesegnet wurde?
„Nun zu einer wichtigen Frage...", begann Leith und beugte sich zu mir vor, seine Finger fest gefaltet. Seine Augen hielten meine gefangen, als seine dunkle Stimme mir eine Gänsehaut über den ganzen Körper bescherte.
„Wie viele Menschen, kannst du auf einmal mit deiner Macht beeinflussen?"

Die BegabtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt