Die Begabten 50

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Leith
Ich war kurz davor meinen Bruder eigenhändig zu erwürgen. Was hatte er da angerichtet? Er wollte meine Sirene haben, gut. Kann ich akzeptieren. Es war im Plan. Aber so...sich aus Impulsivität und Eifersucht zu verloben...mit MEINER Sirene! Und dann noch als Kronprinz!
An sich spielte es in unsere Karten...doch...nun musste ich an Elodies Beweggründe denken. Hatte sie das eingefädelt? WOLLTE sie Prinzessin werden? Zukünftige Königin? War das überhaupt MÖGLICH?! Sie war kein freier Mensch! Sie GEHÖRTE mir, wie ein Gegenstand...so grausam es sich auch anhören mag. Lian MIETETE SIE.

Nun standen wir im Nebenzimmer des Ballsaals und ich betrachtete meinen Bruder, der mit noch immer verstörtem Blick seine Hände betrachtete, während unser Vater eine Schneise in den hellen Teppich lief und unsere Mutter grübelnd in einem Sessel saß.
Das ging schon eine Viertel Stunde und niemand hatte etwas gesagt.

Der König blieb plötzlich stehen. „Sie heiratet jemand anderen." Ich erstarrte und meine Bruder schwankte. „Was?", hauchte er leise und hob seinen Blick. Er betrachtete unseren Vater mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte. „Sie heiratet jemand anderen. Irgendjemand. Einen Bauern, einen Lord, einen Bettler, mir egal, aber das ist die einzige Lösung, die das Volk überzeugt, dass SIE nicht das Bett mit dir teilt. Und damit keiner der Adelsfamilien glaubt, dass du ein BESITZTUM vor eine Lady stellst."

Das Wort Besitztum ließ meinen Bruder und mich gleichzeitig zusammenzucken.
Nun erkannte ich das Gefühl hinter Lians Augen. Wut.
„Das tue ich aber! Ich will keine Lady und Elodie wird keinen Bauern, Lord oder Bettler heiraten."
„Oh doch!", knurrte nun Vater und blitzte uns an. „Es war überhaupt eine dumme Idee das ganze zuzulassen! Wir hätten sie wegschicken sollen, sobald sie Fuß auf ferhallischen Boden gesetzt hat! Besitztümer sind illegal! Und ihr beide nehmt euch das Recht gegen meine Gesetze zu verstoßen! Ich habe lange genug weggesehen aber nun hat sich der KRONPRINZ an sie GEBUNDEN!".

„Du wirst sie nich verheiraten!", knurrte Lian leise.
„DU gibst mir keine BEFEHLE. Noch bist du kein König!", sagte unser Vater aufgebracht. Er funkelte seinen Ältesten an.
„Du KANNST sie gar nicht verheiraten! Dafür müsste man sie weiterverkaufen! Leith müsste sie kaufen LASSEN."

Alle Augenpaare fielen auf mich. Bis jetzt war ich stummer Zuschauer gewesen, doch nun...
Mein Herz rutschte mir in die Hose. Ich selbst wusste nicht, was ich tun sollte. Zum einen hatte Elodie nur dem Plan gefolgt und könnte nichts damit zu tun haben. Aber sie könnte auch meinen Bruder so beeinflusst haben, um frei zu kommen. Eine Prinzessin zu werden wäre ein ziemlicher Erfolg für ein Besitztum.

Sollte ich meiner Sirene vertrauen?
„Er könnte sie auch verschenken. Das geht ganz einfach. ", grinste unser Vater und ich glaube das war das erste mal, dass mein Bruder uns ich einen Blick teilten, der unsere inneren Wünsche zeigte. Wir beide wollten sie nicht verlieren. Nicht an irgendjemanden und auch nicht überhaupt. Wir nahmen, was wir bekommen konnten.

„NEIN!", brüllte Lian nun. Seine kalten Augen schossen wieder zu dem König.
„ICH WILL sie heiraten, du Arschloch!"

So schnell konnte ich gar nicht sehen, da war Vaters Faust in Lians Gesicht.
„Was ist los mit dir? Du hast mir Respekt zu zollen! Du bist zwar mein Sohn, doch ich bin immer noch dein König!", knurrte er Lian ins Gesicht.
Zu meiner Verwunderung stand er noch fest auf beiden Beinen. Ich wäre wahrscheinlich bei der Wucht des Schlags zusammengebrochen. Er hielt sich nur sein Auge zu. Sein erblindetes Auge. Als er die Hand senkte sah man Blut. Oh Götter! Mir wurde schlecht. Mutter schrie auf, als sie es sah. Vater hatte seine Narbe aufplatzen lassen. Auch er sah geschockt aus. Sobald er sah, was er getan hatte. Lian war der einzige, der ruhig blieb, während er das Blut stumm betrachtete.

„Elodie bleibt wo sie ist.", hauchte er, wandte sich zur Tür und verschwand.

Elodie
Ein Knallen an der Zimmertür ließ mich aus dem Schlafzimmer rennen. Ich unterdrückte einen Schrei, als ich Lian an der geschlossenen Tür lehnen sah. Er hatte seine Augen geschlossen, doch ich sah das Blut, was sein linkes Auge hinab rann. Seine Narbe...offen.
„Me anim!", rief ich und konnte nicht anders, als auf ihn zuzurennen. Helle fliederne Augen öffneten sich und folgten jeder meinen Bewegungen. Das erblindete Auge war blutunterlaufen. „WAS ist passiert?", fragte ich während ich sein Gesicht umfasste und sein Gesicht zu mir nach unten zog, um die Wunde zu untersuchen.

„Vater und ich haben uns gestritten.", sagte er nun, doch er schien sich gar nicht darauf zu konzentriert. Er betrachtete mich nur und legte seine Hände auf meine Hüften. Er zog mich näher an sich. „Ich habe mich schon oft gestritten, in meinem Leben und musste noch nie dafür bluten!", rief ich und zog das fliederne Einstecktuch aus der Brusttasche meiner Seele und tupfte das Blut von der Wunde.
Er zuckte nicht einmal. Er ließ mich nicht aus den Augen und schlang seine Arme fester um mich.

„Wieso schlägt er dich! Das wird ein blaues Auge!"
„Me corra...", begann er leise, doch ich unterbrach ihn schnell.
„Darf ich einen König schlagen? Was ist die Strafe dafür? Werd ich das überleben?", sinnierte ich leise vor mich hin, während ich Lians Auge untersuchte.
„Me corra!", knurrte Lian nun und brachte mich mit sanften Druck auf meinen Hüften dazu ihn richtig zu betrachten. Grün und Flieder. Wie die Pflanze. Eine Einheit.

„Du bist Perfektion, ich liebe dich.", hauchte er und umfasste mein Gesicht.
Ich starrte ihn an und...konnte nichts tun.
Er hatte es gesteigert. Er hatte mich zur Perfektion gemacht. Er stellte mich auf das höchste Podest und...liebte mich. Doch...das konnte nicht sein. Er kannte mich doch nicht richtig oder? Selbst wenn, was würde es ändern? Nichts. Ich war hier als Spionin. Da machte ich meine Aufgabe nicht gut. Ich war eine Sirene, die er hassen würde...und das Wichtigste...er würde mir eh niemals gehören können. Er musste mit einer Lady zusammen sein.

Dieser letzte Gedanke ließ Tränen in meine Augen schießen und ich verkrampfte mich in seinem Griff.
„Sag das nicht...", hauchte ich und versuchte mich aus seinem Griff zu winden. Er hielt mich fest.
„Wieso nicht, ich weiß, dass du genauso empfindest. Ich weiß es!", seine Augen flammten auf.
„Weil...ich ein Besitztum bin! Und ich will keine heimliche Geliebte sein. Zusammen sein, so wie ich es kenne ist niemals möglich. Deswegen darf ich das nicht hören!"
Das alles platzte aus mir heraus und der Kronprinz begann meine Wange zu streicheln.
„Wir werden eine Lösung finden, me corra." Er lächelte leise und zog mich für einen Kuss zu sich hinauf.

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