Die Begabten 59

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Elodie
Alle Blicke ruhten beunruhigt auf dem Begabten, der die Welt zum beben brachte. „Bright?", fragte ich leise und schon begann die Erde zu grollen. Das Geschirr klapperte gefährlich und alle sprangen von den Stühlen. Bright bewegte sich nicht. Hob nicht mal seinen Blick, doch er hatte die Hände zu Fäusten geballt. „Bright!", mahnte nun Leith, doch er schüttelte nur heftig den Kopf.
Lian zerrte an mir und schob mich hinter sich. Mit einer schnellen Handbewegung seinerseits spürte ich auch Cas hinter mir. Sie stellten sich als Schutzschild auf, um meinen ganzen Körper.
Mein Herz, das eigentlich ganz entspannt gewesen war, begann ängstlich zu schlagen. Das war doch nur Bright? Wieso reagierte man so panisch? Meine Seele hatte meine Hand fest in seiner und zögerlich legte Cas seine Hände auf meine Schultern um mir Stabilität zu leihen.
„Beruhige dich!", rief nun seine Mutter, die angestrengt versuchte auf ihren Sohn zuzugehen, ohne hinzufallen. Er sah kurz auf, doch als seine Augen auf unsere Formation fielen krachte es gefährlich laut. Ich zuckte heftig zusammen. Ich wusste, was ein Begabter der Erde tun konnte. Hatte es in der Arena erlebt. Ich sah bildhaft vor mir, wie sich risse im Boden auftaten und drohten mich zu verschlucken.

Es wäre einem beinahe gelungen. Ich war damals schon bis zum Hals in der Erde gesteckt. Fast erdrückt von dem unnachgiebigen Element. Meine Atmung ging außer Kontrolle. Ich spürte den Schmerz der Vergangenheit auf mir und ich wusste ich durfte meine Gabe nicht benutzen. Nicht hier.
Beinahe panisch drückte ich mein Gesicht an Lians Rücken. Ich zitterte am ganzen Leib und Tränen traten mir in die Augen. Ich hatte den Ruhm geliebt, der mir in der Arena zu Teil geworden ist...doch diese Kämpfe...sie waren grausam gewesen. Es gab Begabte, die es liebten Leid zuzufügen und ich war nicht nur einmal mit gebrochenen Knochen davon gekommen.

Lian wandte schnell seinen Kopf, als hätte er gespürt, dass meine ganze Stimmung verändert war. Er nahm mein Gesicht, welches ich nach unten gewandt hatte schnell in seine Hände und Blickte mich an. Er sah die Tränen, das wusste ich. Er spürte meinen rasenden Puls unter meinen Fingern.
Er knurrte leise.
„Leith!", rief er beinahe widerwillig und voller ekel. Sein Bruder wagte es ihn kurz anzuschauen, bevor sein Blick wieder zu seinem Cousin wanderte. „Tu was!"
Meine Seele wandte sich wieder um und ließ mein Gesicht los. „Er beruhigt sich schon selbst.", sagte mein Besitzer, doch eine heftige Welle an Kraft fuhr durch den ganzen Palast und sickte mich zu Boden. Heftig prallte ich auf den harten Marmor und mein Knie platzte auf. Ich konnte mir einen kleinen Schrei nicht verkneifen und auch Verra hatte das Gleichgewicht verloren. Sie wimmerte leise mit ihrem Handgelenk zwischen ihren zarten Fingern. Schnelle robbte ich auf sie zu, traute mich nicht aufzustehen um erneut hinzufallen. Ich zog meine Freundin zu mir und schlang meine Arme schützend, aber auch tröstend um sie. Sie weinte an meiner Schulter.
„Wenn du nichts tust, tue ich etwas, BRUDER!", schrie Lian. Er hatte gar nicht gemerkt, dass ich gefallen war...vielleicht war es besser so. Er hatte jetzt schon ein Messer gezückt.

Ich betrachtete wie Leith tief durchatmete. „Bright.", seine Stimme war so sanft, so voller Macht, dass sein Cousin aufsah.
„Du bist so müde...so so müde.", säuselte der Prinz und kam näher an sein Opfer. „Du musst schlafen."
Das Erdbeben wurde schwächer und man konnte sehen, wie Brights Augen schwer und glasig wurden. „Schlaf", hauchte Leith und plötzliche Stille breitete sich im Speisesaal aus.
Alle waren erstarrt und blickten ängstlich zu Bright, der auf seinem Stuhl zusammengesackt war.

Verra tränkte mein Kleid mit ihren Tränen und ich streichelte sanft über ich weiches, glattes Haar. Ich drückte ihr ein Kuss auf den Scheitel und summte leise ein Wiegenlied, währen ich ihr Handgelenk zu mir zog um es zu betrachten. Es sah jetzt schon übel aus. Es war stark geschwollen und man sah schon , wie es blau wurde. Mein Herz tat weh. Ich zog sie noch näher an mich und Blickte in die Runde. Das Handgelenk meiner Freundin ließ ich nicht los.
Lian fluchte leise und blickte auf den Boden. Und stutzte.
Er sah mein verschmiertes Blut. Er wirbelte herum. „Was!"
„Meine armen Mädchen!", rief die Schwester der Königin laut und rannte auf uns zu.
Sie zog UNS BEIDE in eine feste Umarmung, als sie sich auf den Boden kniete und betrachtete schnell die Verletzung ihrer Tochter. Verra tauchte nicht aus meiner Schulter auf. Sie hatte sich zu meiner Halsbeuge hochgearbeitet und vergrub ihr Gesicht darin.
Nun kam Lian, er folgte der Blutspur direkt zu mir. „Du...blutest...lass mich sehen.", zischte er. Er sah fuchsteufelswild aus.
„Es ist halb so schlimm...Verra...", begann ich, doch wurde schon von seinen warmen Fingern unterbrochen, die mein Kleid hochschoben. Er stockte kurz, als er meine glatte Haut an den Beinen berührte. Seine fliedernen Augen flammten auf und er fixierte mich kurz. Mein Herzschlag setzte aus und ich starrte meinen Verlobten an. Ein Feuer entstand in meinem Innern. „Zeig mal, Liebes.", sagte Lians Tante. Sie selbst schob mein Kleid in die Höhe und zischte leicht, als sie das ganze Blut sah. „Es ist halb so wild!", sagte ich, doch Lian knurrte und sprang auf. „Das kommt davon, wenn man Begabten ihren freien Lauf lässt! Ohne Ausbildung und ohne Kontrolle!", schrie er. „Meine Cousine und meine VERLOBTE sind verletzt! Ohne auch nur einen triftigen Grund!"
Er fixierte den schlafenden Bright und sah kurz so aus, als wollte er seine Hände um seinen Hals legen und daran rütteln.
„Gründe sind für verschiedene Menschen anders, hm?", murmelte Leith und näherte sich seinem Bruder.
„Eifersucht ist kein guter Grund um meine Mädchen zu verletzten."
„Deine Mädchen?", schnaubte Leith abfällig. „Elodie GEHÖRT mir. Ich habe sie GEKAUFT."
„Und ich werde sie heiraten!", konterte er.
„Und Verra ist auch nicht deines", sagte Leith.
„Hast du sie im Arm gehalten als sie krank wurde? Als sie ihren ersten Liebeskummer hatte?! Hast du ihr beigebracht, wie man ohne Sattel reitet? Hast du ihr gezeigt, wie man eine Klinge schwingt? Nein?"
Leith schwieg „Du bist so ignorant!", rief Lian und er kam wieder zu mir und Verra.
„Wir gehen zu Laurent.", hauchte er leise und zog mich und seine Cousine auf die Füße. Zu meiner Überraschung gab mein Knie etwas nach, doch Lian hielt mich fest in seinem Griff und schlang ein Arm um meine Mitte um mich zu stützen. Mit der anderen griff er nach Verras heiler Hand.

Die BegabtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt