Die Begabten 14

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Leith
Mit rasendem Herzen trat ich mit Bright als erstes aus dem Wagen und schon hing meine Mutter mir um den Hals und pflasterte mein Gesicht mit tausend Küssen.
„Ich hab dich so vermisst! Briefe sind nicht das selbe! Du bist dünn geworden!!!", rief sie mir ins Ohr und ich war mir ziemlich sicher ab nun mit einem Tinnitus herum laufen zu müssen. Marthe Withewell war eine sehr laute und fröhliche Königin, immer freundlich und zuvorkommend, solange man bei ihr auf der guten Seite stand. Dies konnte sich jedoch schnell ändern, sobald man ihre Familie angriff. Da hatte ich wirklich schon Leichen gesehen, die vom Burgtor hingen.
„Ich habe dich auch vermisst.", sagte ich leise und mein Blick wanderte zu Bright, der gerade von seiner Mutter begrüßt wurde. Die Zwillingsschwester meiner Mutter. Sie hatte das gleiche fröhliche grinsen, wie die Königin und lachte über irgendeine Geschichte, die Bright gerade zum Besten gab. Ich blickte zu meinem Vater, der gutmütig seine Frau betrachtete und dann sich zu mir wandte. „Ich freue mich, dass du endlich wieder da bist, Sohn.", sagte er und klopfte mir auf die Schulter.
„Hat ja auch lange genug gedauert!", motzte meine Mutter gutmütig und fasste mir sanft an die Wange. Sie betrachtete mich eingehend, als müsste sie sich mein Gesicht von Neuem einprägen. Mein Herz wurde schwer. Ich war viel zu lange weg gewesen. Ich hatte diesen kalten Ort vermisst. Das stetige zittern, die frische glasklare Luft und die Schneeflocken, die in der Luft tanzten. Ich war jetzt schon betrübt meinen Eltern das Lächeln aus dem Gesicht wischen zu müssen, aber ich konnte mein neues Besitztum nicht verstecken, dafür war Elodie zu auffällig, zu exotisch.
„Ich habe eine Überraschung für euch.", hauchte ich und Bright schnellte sofort an meine Seite und nahm seine Schwester gleich mit sich. Sie sollte sich um Elodie kümmern und sie konnte von Elodie nicht bezirzt werden, falls sie doch den Plan hegte von hier zu verschwinden. Meine Mutter hüpfte begeistert auf der Stelle auf und ab und beinahe hätte ich es nicht übers Herz gebracht. Doch ich hob meine Hand zum Eingang des Wagens hinauf und erschrak beinahe als ihre kleinen warmen Finger meine berührten. Sie hatte noch nie meine Hand gehalten und es schickte einen Feuerstoß durch meine Adern.
Elodies überirdisch schöne Gestalt tauchte im Türrahmen auf und ich half ihr die Stufen hinunter, das ungläubige Aufkeuchen meiner Verwandtschaft ignorierend. Die Zielperson für diesen Auftritt war gar nicht anwesend fiel mir im selben Moment auf. Verdammt. Aber das war jetzt wohl egal, denn ich konnte den Blick eh nicht von der Sirene lösen. Sie war zu warm, zu strahlend und schon beinahe göttlich, wie sie die Treppe hinunter schwebte.
„Das ist Elodie, eine Sängerin aus Alya.", sagte ich in der alyischen Sprache, damit auch die Sirene verstand, was ich sagte und meine Eltern starrten das Mädchen an.
„Hast du sie geschwängert?", fragte mein Vater sofort auf meiner Muttersprache und ich starrte ihn an. „Nein!", hauchte ich entrüstet. An den Verdacht hatte ich gar nicht gedacht. „Heimlich geheiratet?", fragte er erneut und ich schüttelte den Kopf. Meine Mutter gab meinem Vater einen Klaps auf die Schulter.
„Sei nicht unhöflich Harris!", sagte sie auf alyisch während Elodie in einen tiefen Knicks ging. „Es freut mich dich kennenzulernen, Kindchen.", sagte meine Mutter sanft und ergriff die Hand der Sirene um ihr wieder aufzuhelfen.
„Was führt dich nach Ferhalla? Hat unser Sohn dich eingestellt, um für uns zu singen?"
Zögerlich wanderten Elodies Augen zu mir, während sie stumm den Kopf schüttelte. Das machte sie öfters.
Stumme Reaktionen von sich geben in wichtigen Situationen. Bestimmt war der Maulkorb daran schuld. Dieses hässlich, grausame Ding. Sie hatte nie die Möglichkeit gehabt selbst zu sprechen, wieso sollte sie das ab jetzt tun? Ich hatte es sozusagen verbockt.
„Nein, Mutter...", begann nun ich und Bright griff stützend nach meiner Schulter, während ich Elodies Hand fest drückte, als hätte ich Angst, dass meine Eltern sie mir wegreißen würden.
„...das konnte ich leider nicht...ich musste..." Ich holte tief Luft, es war selbst für mich grausam es auszusprechen in meinem Heimatland, auf dem von Schnee bedeckten Boden.
„Ich musste Elodie kaufen."

Meine Mutter schlug sich geschockt die Hand vor den Mund, als ich die Worte schnell wie ein Blitz aus meinem Mund hatte sprudeln lassen. Mein Vater versteifte sich und starrte mich an. Elodies grüne Augen bohrten sich in den Boden und sie biss sich heftig auf die Lippen.
„Bist du des Wahnsinns?!", hauchte meine Mutter und ihre hellen Augen starrten Elodie entsetzt an. „Er musste sie kaufen.", unterbrach Bright und lächelte gutmütig. „Ihr vorheriger Besitzer war schrecklich." murmelte er in unserer Muttersprache „Er hat sie geschlagen und gequält, wenn sie zu müde zum singen war."
„Oh Kindchen!", rief meine Mutter erneut und nahm Elodies schönes Gesicht zwischen ihre Hände um sie zu betrachten. Elodie schien das ganz aus der Fassung zu bringen und ihre großen grünen Augen starrten meine Mutter an. Ihre Hand verkrampfte sich in meiner.
„Du bist ein Besitztum?", fragte mein Vater nun und Elodies Blick wanderte zu meinem Vater. „Ja, Majestät.", hauchte sie und ich konnte ihn erschauern sehen bei dem Klang ihrer Stimme, doch, dass diese göttlich war schien ihm nicht aufzufallen.
„Und mein Sohn hat dich gekauft." Er stellte es eher als eine Feststellung dar, als eine Frage, doch Elodie antwortete dennoch.
„Ja, für sehr viel Geld. Er hat mir versprochen, dass ich in einem Schloss singen darf.", sie lächelte süß, was ich gar nicht von ihr kannte.
„Tja...", sagte meine Mutter leise und ließ von ihr ab „Dann wollen wir mal zusehen, dass er sein versprechen halten kann, nicht wahr?"
Elodie nickte eifrig und strahlte.
„Elodie", hauchte ich leise und die Sirene wandte sich mir zu „Darf ich dir meine Cousine vorstellen?" Ich deutete auf Verra, die mich anstrahlte und den Kopf schräg legte um nun meinen Handbewegungen zu folgen. Sie war nämlich ohne die Fähigkeit zu Hören geboren. Sie konnte zwar Lippen lesen, doch war es einfacher für sie die Gesten der Gebärdensprache zu folgen. Somit konnte Elodie sie nicht manipulieren. „Das ist Verra.", sagte ich und unterstützte es mit den passenden Gebärden. „Verra, dass ist E-L-O-D-I-E." Ich buchstabierte ihr den Namen und sie Lächelte herzlich, bevor sie strahlend die Sirene umarmte. Überrascht keuchte die Sirene auf und schnell ließ meine Cousine von ihr ab.
Dann tat die Sirene etwas, was mich und auch all meine Verwandten schockte. „Hallo Verra, nett dich kennenzulernen.", sagte Elodie mit einem Lächeln und unterstützte dies mit den passenden Gebärden. „Wir werden sehr viel Spaß miteinander haben.", gebar sie und ihre grünen Augen funkelten schelmisch in meine Richtung.

Die BegabtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt