Kapitel 299

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Wincent

Mit zittrigen Knien laufe ich zur Anmeldung und warte bis jemand kommt. Gefühlte Stunden später kommt eine Frau lächelnd aus dem Büro dahinter. ,,Guten Morgen, wie kann ich ihnen helfen?" ,,Meine Frau wurde in der Nacht von Hamburg hierher verlegt", sage ich und kämpfe dabei schon wieder mit den Tränen. ,,Wie ist denn ihr Name?" ,,Elisa Weiß", antworte ich und trete von einem Bein aufs andere. ,,Ja, sie kam gegen 3:00 Uhr in der Nacht hier an", sagt sie, als sie kurz im Computer geschaut hat. ,,Wo finde ich sie?" ,,Warten sie einen Moment", antwortet sie und greift nach dem Telefon. Kurz redet sie mit jemanden, bevor sie wieder auflegt und mich anschaut. ,,Sie sollen hoch in den 3. Stock kommen. Dort befindet sich die Intensivstation und da wartet jemand auf sie", erklärt sie und schaut mich lächelnd an. ,,Okay, danke", flüstere ich und drehe mich zu den anderen beiden um. ,,Das ist doch kein gutes Zeichen oder?", wimmere ich, als die Aufzugstüren zugehen. ,,Was genau meinst du?", fragt Mum. ,,Das oben jemand auf uns wartet und sie erst telefoniert hat. Was ist wenn sie schon tot ist?", schluchze ich und ein Tränenschleier verbirgt mir die Sicht. ,,Shh, sag so etwas nicht", sagt sie und ich sehe, wie sie selbst Tränen in die Augen bekommt. Im dritten Stock gekommen, müssen wir erstmal klingeln. Eine Krankenschwester öffnet uns und schaut uns freundlich an. ,,Sie sind bestimmt Herr Weiß oder?", wendet sie sich an mich. ,,Ja", schluchze ich und sofort legt Mama einen Arm um mich. ,,Kommen sie mal mit", spricht die Krankenschwester sanft und deutet vor das Schwesternzimmer. Dort setze ich mich auf einen Stuhl und vergrabe mein Gesicht hinter meinen Händen. Ich habe gar nicht gemerkt, dass sie weggegangen ist. Plötzlich geht sie vor mir in die Hocke und reicht mir ein Glas Wasser. ,,Ich bin Schwester Corinna", lächelt sie. ,,Ich bin Wincent", flüstere ich und nehme ihr das Glas ab. ,,Wo ist Elli", wimmere ich schon fast. Leicht verwirrt schaut sie zu meiner Mum. ,,Er meint seine Frau Elisa." ,,Ach so, sie ist im Moment nicht hier", sagt sie sanft.

,,Ist sie tot?", schluchze ich plötzlich auf und kann mich fast nicht beruhigen. ,,Ach Gottchen. Nein, sie lebt. Hör zu Wincent. Sie kam kurz nach 3:00 Uhr bei uns an. Wir haben sie aufgenommen und kurz darauf kamen schon die Ärzte und haben sie untersucht. Die Nachtschwester meinte, sie war nicht lange hier oben, schon wurde sie in den OP gefahren. Aber leider habe ich noch keine Information", erklärt sie. Aber auch diese Informationen helfen mir nicht, mich zu beruhigen. ,,War sie denn wach als sie hier ankam?", fragt nun Mum. Leicht schüttelt sie den Kopf. ,,Nein. Sie war immer noch im künstlichen Tiefschlaf und wurde beatmet. Ich selbst habe sie noch gar nicht gesehen." ,,Warum kann es ihr nicht einmal gut gehen? Was hat das Schicksal nur mit ihr", schluchze ich. ,,Ich weiß doch auch nicht Schatz", seufzt Mama und setzt sich neben mich. Als Schwester Corinna uns fragend anschaut, erklärt ihr Mama Ellis Krankengeschichte. ,,Oh, da hat sie ja schon einiges durchgemacht. Wo wir schon dabei sind. Ich hätte noch ein paar Fragen zu ihr", sagt sie und steht auf. Sie geht ins Schwesternzimmer und kommt mit einer Krankenakte zurück. Kurz erzählen wir ihr Ellis Eckdaten. ,,In ihrer Akte aus Hamburg steht, sie würde an Sarkoidose leide. Stimmt das?" ,,Ja, seit sie sechs Jahre alt ist", antworte ich. ,,Welche Organe sind bei ihr denn am meisten betroffen?", fragt sie weiter. ,,Lunge und Herz. Aber am meisten die Lunge. Und was auch immer dazu kommt, sind Gelenk-und Muskelschmerzen", erkläre ich. Sie fragt noch ein paar Dinge, die ich ihr beantworte. ,,So, dann lasse ich dich endlich damit in ruhe", lächelt sie und klappt die Krankenakte zu.

Als sie gerade noch etwas liest, stockt sie und schaut mit mitleidig an. ,,Sie hat vor knapp zwei Monaten entbunden?", fragt sie vorsichtig. Und nun ist es wieder soweit, ich fange an zu weinen. ,,Tut mir leid, das wollte ich jetzt nicht. Willst du vielleicht irgendwas zur Beruhigung?" ,,Nein, geht schon. Ja, wir sind Ende Oktober Eltern geworden. Bei der Geburt gab es auch Schwierigkeiten. Der Arzt in Hamburg meinte, das dass wahrscheinlich schon Vorboten waren", hauche ich. ,,Und während der Schwangerschaft war alles gut?" ,,Nicht wirklich. Ihre Medikamente wurden entsprechend eingestellt. Aber es war keine leichte Schwangerschaft. Ich vermute, das dass alles mit ihrer Krankheit zusammengehangen hat. Und Elli hatte diesbezüglich immer Ängste." Wir reden noch kurz miteinander, bevor sie von einer Kollegin gerufen wird. ,,Ich hole uns mal was zu trinken", sagt Mama irgendwann leise. ,,Kann ich mitkommen. Ich kann hier nicht bleiben", flüstere ich. ,,Dann lass uns in die Cafeteria gehen", schlägt Shay vor. Wir sagen Schwester Corinna bescheid und verlassen dann die Station. Unten in der Cafeteria setze ich mich schonmal hin, während die beiden etwas zum Trinken und Essen holen gehen. Wir sitzen bestimmt zwei Stunden hier, bis plötzlich Schwester Corinna in die Cafeteria kommt und sich umschaut. ,,Da seid ihr ja. Elli ist oben und der Arzt wartet auf euch." Sofort springen wir auf und gehen nach oben.

Aus vielleicht irgendwann, wird irgendwo ankommenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt