Kapitel 7.1: Zweifach verbrannt

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Damian

„Hoheit? Hört Ihr mir zu?"

„Was?" Damians Blick klebte auf dem Holunder vor ihm. Es war ein trauriges kleines Exemplar, mit von Hitze und Wassermangel verschrumpelten Blättern. Mickrig im Vergleich zu seinen mächtigen Verwandten im Norden. Statt cremig weiß zu stahlen, hatte die Sonne die Blüten noch am Strauch knusprig geröstet. Beeren würde dieser Busch nie tragen. Mühsam riss er sich davon los und richtete die Aufmerksamkeit wieder auf die Frau neben ihm. „Natürlich höre ich zu."

Livia zog die Brauen zusammen. Sie waren mit Kohle nachgezogen und unnatürlich dunkel. „Wo seid Ihr nur mit Eurem Kopf?"

Bei Mera und seiner Expedition. Der Anblick des Holunders im Nordteil der Royalen botanischen Gärten hatte seine Gedanken auf sie gelenkt, aber das durfte er natürlich nicht sagen. Stattdessen zwang er sich zu einem Lächeln. „Gehen wir doch noch ein Stück."

Livia legte eine Hand in seine. Mit der anderen hielt sie anmutig das lange Ende ihrer Palla hoch, gerade so, dass er es unmöglich übersehen konnte. Mehr noch als Gold und Edelsteine war diese lose um den Körper drapierte Stoffbahn - eine Mischung aus Schultertuch und breitem Schal- das Statussymbol der Frauen Thisbes. Sie zeigte an, dass man nicht zur Unterschicht gehörte, denn körperliche Arbeit war damit kaum möglich. Livias Palla heute war hellblau, passend zu der Tunika darunter, deren Saum und Ausschnitt goldene Wellenstickereien zierten und sie hatte sie zum Schutz vor der Sonne halb über das Haar gezogen, wie Veronika es oft tat.

„Freut Ihr Euch auf Euren Geburtstag, Hoheit?", fragte sie, während sie weiter durch die Palastgärten schlenderten, vorbei an Melisse und Wiesensalbei, den Kräutern des Nordens.

Sofort wurde Damians Laune schlechter. „Es ist ein Tag, wie jeder andere." Mit der kleinen Ausnahme, dass er ein Fest zu seinen Ehren ertragen musste, zu dem Hunderte von Gästen geladen waren. Wenn er es sich aussuchen könnte, hätte er den Tag lieber in der Bibliothek verbracht.

„Mitnichten, wie jeder andere, Hoheit. Man wird nur einmal volljährig."

Damians Laune verdüsterte sich noch weiter. Er zweifelte stark daran, dass seine Volljähigkeit irgendwas zwischen seinem Vater und ihm verändern würde. Zumindest, was die Bereitschaft zum Teilen von Verantwortung anging. Wenn überhaupt, würde es alles nur noch schlimmer machen: Jetzt konnte er offiziell heiraten. Und können bedeutete im Fall eines Kronprinzen automatisch müssen. Nicht umsonst hatten die Minister seines Vaters diesen Spaziergang mit Livia arrangiert. Sie war die Tochter von Polonius, dem zweiten Mitglied im Triumvirat des Königs und noch dazu in seinem Alter. Eine mehr als geeignete Kandidatin. Auf dem Papier. 

Auch Livia schien zu wissen, was von diesem Kennenlernen abhing. Sie hatte ihre Haare mit einem dieser erhitzten Eisenstäbe gedreht, damit sie ihr als schwarze Korkenzieherlocken das Gesicht umrahmten und goldene Bänder hineingeflochten. Ein stark konzentrierter Lilienduft ging von ihr aus, der sogar die Blumen der Gärten übertünchte. Außerdem trug sie mehr Schmuck, als während des Bußmonats Nemesis angemessen. „Diese Blüten sind wunderschön, Hoheit." Ihre Hand lag kalt auf seiner.

Inzwischen waren sie vor dem ummauerten Rosengarten angekommen. Breite weiße Steinstufen führten zwischen rosa- und apricotfarbenen Rabatten hindurch nach drinnen. Ihr süßlicher Geruch erinnerte ihn an seine Mutter und in der schwülen Mittagshitze musste er davon fast würgen.

„Sie wären noch schöner, wenn es endlich regnen würde." Instinktiv hob er den Blick zum Himmel. Natürlich, kein einziges Wölkchen.

„Lux wird wissen, warum er uns straft", murmelte Livia. Mehr ein antrainierter Reflex, als eigene Meinung.

Die Dornen der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt