Kapitel 7.3: Zweifach verbrannt

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Beim Abendessen in seinen Gemächern war Damian immer noch schlecht gelaunt. Er lag auf dem Bett, das Fenster weit geöffnet, um die kühlere Abendluft einzulassen und knabberte an einem Stück Feige mit Schafskäse. Eigentlich gab es jeden Grund zum Feiern. Zum ersten Mal seit Jahren hatte er eine Entscheidung als Prinz getroffen. Etwas weitreichenderes als Was möchtet Ihr heute essen oder Welche Farbe soll Eurer Hemd haben. Trotzdem sah er immer wieder Claudius ' überlegendes Lächeln vor sich. Ausgerechnet der spielte sich als Muster an Integrität auf! Ob er wusste, was der König, dem er diente, mit seinem Sohn machte? Oder mit der angeblichen Hexe in seinem Kerker, deren Unschuld zum Himmel schrie? Wenn er es wusste, dann war er entweder genauso radikal wie sein Vater oder opferte seinem Ehrgeiz sein Gewissen. Was wiedermal zeigte, dass Intelligenz kein Zeichen von Moral war.

Auf dem Tisch vor seinem Bett ruhte der glühende Stein aus der Segva Wüste. Reglos, fast unschuldig. Polonius, ängstlich wie immer, war dagegen gewesen, dass er ihn an sich nahm, aber einem Prinzen hatte er dann doch nicht widersprechen können. Und Damian war nicht so dumm, das Beweisstück aus der Hand zu geben.

Objektiv gesehen, waren die Vorgänge im Felsenmeer beunruhigend. Aber gleichzeitig weckte das Geheimnis um die glühenden Steine eine fiebrige Sehnsucht in ihm, die er sonst nur beim Gedanken an die Expedition in den Arbor spürte. Abenteuerlust.

Apropos, Arbor.

Er schob sich noch eine honigglasierte Mandel in den Mund, bevor er unters Kissen nach seinem Schwiegermutterspiegel griff. Höchste Zeit, den neuesten Stand der Dinge herauszufinden. Damian blickte in das rauchgraue Glas und stellte sich Mera vor. Ihre kastanienbraunen Locken. Ihre blasse, sommersprossige Haut. Die buschigen Augenbrauen. Ihr Lächeln. Dann nahm er einen Schluck Wein und wartete.

„Hoheit?" Eine Stimme sprach aus dem Glas. Leiser, als wenn sie neben ihm im Raum gestanden hätte, aber trotzdem gut zu hören. Kurz darauf erschien Meras Gesicht, genau wie er es sich vorgestellt hatte. Vielleicht sogar mit noch ein paar Sommersprossen mehr. Nur lächeln tat sie nicht. Im Gegenteil. Sie wirkte erschrocken, ihn zu sehen. „Mein Spiegel ist ganz heiß geworden, ich habe es durch die Tasche gespürt!"

„Das bedeutet, jemand will Euch kontaktieren." Er betrachtete sie. Über ihren Kopf war die grüne Kapuze vom Umhang der Waldwacht gezogen. Hinter ihr war es dunkel, wahrscheinlich hatten sie und die anderen schon ihr Lager für die Nacht aufgeschlagen. „Was ist? Passt es gerade nicht?"

„Doch", hastig blickte sie über den Rand des Schwiegermutterspiegels hinweg zu etwas, das nur sie sehen konnte. „Es ist bloß seltsam, Eure Stimme durch dieses Glas zu hören. Irgendwie unheimlich."

Er schmunzelte. „Ihr gewöhnt Euch dran." Dann entstand eine Pause, als jeder von ihnen darauf wartete, dass der andere das Gespräch eröffnen würde. Kurz bevor es zu unangenehm wurde, sagte Damian schließlich: „Wo seid Ihr denn gerade?"

„Immer noch in Sarsonne. Morgen überqueren wir die Nadeln."

„Gab es bis jetzt Probleme?"

„Die Hexe hatte ein paar Anlaufschwierigkeiten, aber das war zu erwarten." Mera zögerte. „Bitte beantwortet mir eine Frage, Hoheit. Und seid ehrlich zu mir." Sie senkte die Stimme. „Habt Ihr sie gefoltert?"

„Was? Nein!" Die Frage kam für ihn so unerwartet, dass er die Antwort reflexartig gab. „Zumindest ich nicht", fügte er hinzu. „Sie war in dieser Gruft, gefesselt mit der Spina, als wir sie weckten. Was davor war, weiß ich nicht. Wir mussten die Ranken aus ihrer Haut entfernen, aber das waren keine schlimmen Verletzungen. Meine Leute haben ihr nichts getan." 

Sie nickte nur langsam, aber Damian hatte das Gefühl, sie glaubte ihm tatsächlich. Er beschloss, sie nicht nach dem Grund für solche Vermutungen zu fragen. Wenn es die Hexe war, die diese Vorwürfe machte, sollte er Meras Befürchtungen wahrscheinlich zerstreuen. Sie warnen, ihr nicht zu trauen. Aber er hatte heute Abend keine Lust mehr auf Ermahnungen und Gerede über Hexen.

Die Dornen der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt