Kapitel 7.2: Zweifach verbrannt

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Heute sollte Damian nicht mehr erfahren, was der König von seinem missratenen Kennenlernen hielt. Als er in seine Gemächer zurückkehrte, wurde er bereits von einem Pagen erwartet.

„Gut, dass Ihr da seid, Hoheit." Er verneigte sich. „Das Triumvirat erwartet Euch im Ratszimmer."

Dieser Satz allein bewirkte, was Livia mit all ihren Reizen nicht vermocht hatte: Sein Herzschlag beschleunigte sich. Das Ratszimmer seines Vaters. Ein verbotener Ort. Normalerweise.

„Sie erwarten mich?" Er legte die Betonung auf das mich.

„Ja, Hoheit. Euer Vater ist unpässlich."

Damian hob eine Braue. Wenn sein Vater nicht zum Ratstreffen gehen konnte, musste er mehr als nur unpässlich sein. Mittlerweile wusste er aus sicherer Quelle, dass seine mysteriöse Krankheit ein Lungenleiden war, für das er verzweifelt Heilung suchte. Bis jetzt offenbar erfolglos. Im Gegenteil. Es wurde schlimmer.

„Die Ratsherren hätten die Angelegenheit ohne Euch geklärt, aber", er zögerte, „der Schäfer besteht darauf, nur vor dem König zu sprechen. Und Ihr als Thronfolger..."

„Moment. Welcher Schäfer?"

„Ein Dorfbewohner. Vom Rand der Segva Wüste."

Damians Braue wanderte noch ein Stück höher. Das wurde ja immer interessanter. „Seit wann gewähren unsere ehrenwerten Ratsherren Dorfbewohnern Audienzen mit dem König? Haben sie keine Angst, ein Schäfer könnte Dreck auf ihren heiligen Marmorboden machen?" Der letzte Satz war eine unnötige Spitze, aber sei es drum.

„Ich...ich weiß nicht, Hoheit", stammelte der Page, was in etwa bedeutete, dass er nicht wichtig genug war, um vom Rat für seine Geheimhaltung bestochen zu werden. „Soll ich sie-"

„Nein." Damian winkte ab. „Ich komme."

Sein Tag hatte soeben eine erfreuliche Wendung genommen.

***

Im Vergleich zum Thronsaal war das Konferenzzimmer seines Vaters fast bescheiden schlicht. Zwar zierten bunte Mosaike den Boden und große Fenster offenbarten die Aussicht auf einen von Orangen und Weinranken gesäumten Innenhof, aber außer dem Ratstisch gab es kaum Möbel. Die Mitglieder des Triumvirats gruppierten sich auf hohen Lehnstühlen dahinter.

Als er eintrat, erhoben sie sich. Veronika hatte ihm schon vor langer Zeit geholfen, die Charaktere dieser mächtigsten Männer des Landes einzuschätzen. Ganz rechts saß Polonius, ein reicher Adeliger und Vaters Freund aus Kindertagen. Mit den Jahren war sein Haar immer spärlicher und seine Mitte fülliger geworden, was sich auf seine liebste Beschäftigung -Weintrinken und Essen- zurückführen ließ. Von allen Menschen im Palast war er die Person, die Damians Vater am nächsten stand. Sie verbrachten oft ihre Abende zusammen, trinkend, lachend und kartenspielend. Polonius schien so etwas wie Vaters Ausgleich zum Regieren zu sein. Ein bester Freund, bei dem er mal nicht der König sein musste und der dafür mit einem Sitz im Triumvirat belohnt worden war. Und mit der Möglichkeit durch Livia der Schwiegervater des zukünftigen Königs zu werden, wie Damian jetzt wieder siedend heiß einfiel. Außer seinem Wein und Luxus interessierte ihn allerdings sonst nicht viel, was ihn politisch ungefährlich bis langweilig machte.

Anders verhielt es sich mit dem Mann ganz links. Claudius von Eldra, der Nordländer. Nicht nur äußerlich, mit seiner großen hageren Gestalt, den dunklen Haaren und scharfen Augen, unterschieden er und Polonius sich wie Feuer und Wasser. Damian hatte eigens Nachforschungen über ihn angestellt. Claudius war für den Norden, was Veronika im Süden war. Aufgewachsen als ein Niemand am Hof der Grafen im Eldra Tal, hatte er dort als einfacher Beamter gearbeitet. Bis ihn sein Scharfsinn und seine ungewöhnliche Intelligenz nach der Nemesis an den Königshof befördert hatten. Es hieß, der König konnte auf sein strategisches Gespür mittlerweile kaum noch verzichten. Offiziell war er mit der Verwaltung der Streitkräfte betraut, aber jeder wusste, dass er insgeheim ein breites Netz an Spionen unterhielt. Er war der Mann, der nicht nur einige, sondern hunderte Schachzüge im Vorraus plante.

Die Dornen der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt