Prinz Damian nickte den Pagen zu. „Lass uns allein."
„Hoheit." Er verneigte sich. Ich hörte, wie er die Tür hinter sich schloss, aber mein Blick war nach wie vor auf den Prinzen gerichtet.
Damian schlug die Beine übereinander und lehnte sich zurück. Er bot mir keinen Stuhl an, also blieb ich stehen und verschränkte die Arme. Ziemlich unfreundlich eigentlich. Ich hätte auch nichts gegen einen Kaffee gehabt, wenn ich schonmal im Süden war. Aber bis zum gemeinsamen Kaffeekränzchen ging die Volksnähe des Prinzen dann offensichtlich doch nicht.
„Ihr stammt aus dem Eldra Tal?", fragte er unvermittelt.
„Ja, Hoheit."
„Wart Ihr schonmal im Süden?"
„In Thisbe nur einmal als Kind mit meinem Vater. Wir haben eine Gruppe Händler vom Norden her geführt. Aber meine Cousine lebt in Sarsonné, sie besuche ich öfter."
„Und? Wie gefällt es Euch bei uns? Man sagt ja eher gedeiht eine Eiche in der Wüste, als ein Nordländer im Süden. Nur ein Sprichwort?"
Seine Frage traf mich unvorbereitet. „Es ist", ich zögerte, „anders hier."
„Die Leute im Norden halten uns für Fanatiker, stimmt's?", fragte der Prinz mit grimmiger Miene. „Ein wenig zu religiös. Zu gläubig. Radikal."
„Hoheit-"
„Ihr müsst Euch nicht verteidigen. Ich denke auch manchmal so. Ja." Bei meinem ungläubigen Gesichtsausdruck blitzte wieder ein Lächeln über seine Züge. „Mein Vater hört die Stimme Gottes. Lux persönlich spricht zu ihm. Und er hat dadurch unser Land gerettet. Aber trotzdem lässt es mich nicht kalt, was vor siebzehn Jahren passiert ist. Allein im Süden sind in der Nemesis tausende Frauen umgekommen. Auch heute passiert es noch. Es ist schwer, da kein Mitleid zu haben. Ich weiß, dass sich im Norden viele ein Ende der Hexenverfolgung wünschen. Und ich kann sie verstehen. Aber der Norden sieht nicht, was wir erleiden." Prinz Damian presste die Lippen zusammen. „Wann hat es im Eldra-Tal zuletzt geregnet, Mera?"
Der Klang meines Namens aus seinem Mund jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Keine unangenehme. Ich wippte unruhig von einem Fuß auf den anderen, nicht gerade begeistert davon, welche Richtung das Gespräch genommen hatte. „Es regnet ständig, Hoheit."
Er nickte ernst. „In Thisbe ist seit drei Monaten kein einziger Tropfen gefallen."
Ich starrte ihn an. „Das kann nicht-"
„Es ist die Wahrheit. Wir hatten immer schon Dürren, aber nicht in diesem Ausmaß. Nicht im Frühling. Wir werden bestraft."
„Bestraft?" Mein Mund war auf einmal trocken wie Sandpapier.
„Es gibt immer noch Hexen in unserem Reich. Sie verstecken sich an geheimen Orten. Das Land wird nicht zur Ruhe kommen, bis auch noch die letzte von ihnen ihrer gerechten Strafe zugeführt wurde. Lux hat es uns ganz klar gesagt."
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die Soldatin Thalia die Lippen zusammenkniff. Ihre Faust schloss ich um eine Pistazie und knacke die Schale so fest, dass sie zerbröselt auf ihren Silberteller fiel.
„Aber wie soll das gehen?" Meine Aufmerksamkeit wandte sich wieder dem Prinzen zu. „Ihr könnt nie absolute Sicherheit haben. Das Reich ist zu groß, Euer Volk zu-"
„Exakt." Damians Augen blitzten. „Aber genauso wenig kann ich zulassen, dass mein Volk weiterhin für die Verfehlungen einer Minderheit bestraft wird. Ich habe gebetet. Ich habe Lux um eine Lösung angefleht. Wochenlang. Und endlich hat er geantwortet. Ich", er holte tief Luft, „ich habe seine Stimme gehört. Im Traum."
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Die Dornen der Götter
Fantasy„Hexen müssen sterben. So ist es Gesetz in Verlon. Seit dem Tag, als sich ihre Magie gegen uns wandte und Monster schickte. Seit dem Tag, als unser König die Kreaturen bezwang und in den Wald verbannte. Die Monster waren Gottes Strafe für Zauberei...