Kapitel 4.3: Das Schwiegermutterglas

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Eine gute halbe Stunde später stürmte Damian in seine Gemächer. „Bringt mir Wein. Stark. Mit irgendwas Betäubendem drin", herrschte er eine erschrockene Dienerin an, die rasch knickste und verschwand.

Ächzend ließ er sich auf einer gepolsterten Sitzbank nieder, bedacht darauf, sich nicht anzulehnen. Am liebsten hätte er sich das Hemd sofort vom Leib gerissen. Der Stoff scheuerte über seinen wunden Rücken und das ständige unterschwellig quälende Brennen war fast schlimmer als der Schmerz im Thronsaal. Sogar die Brise, die durch die geöffnete Terrassentür ins Zimmer wehte, jagte ein unangenehmes Kribbeln über seinen Rücken, das in ihm das Bedürfnis weckte, sich blutig zu kratzen. Natürlich würde es das nur noch schlimmer machen, also ballte er die Fäuste und riss sich zusammen. Er konnte nicht riskieren, dass die Diener zu viel mitbekamen. Sein Vater würde es nicht mögen. 

„Damian?" Veronika erschien im Eingang zur Terrasse. Sie hatte auf ihn gewartet, natürlich. In ein paar Schritten war sie bei ihm. „Ich hole einen Arzt."

„Nein!" Von draußen strich ein weiterer kühler Luftzug um die feinen Seidenvorhänge und ließ die Kerzen flackern. „Er würde davon erfahren." Und nur noch schadenfroher sein. „Es ist eh nicht so schlimm. Kaum Blut." Darauf legte sein Vater wert. Keine bleibenden Schäden. Trotzdem würde er heute Nacht nicht auf dem Rücken schlafen können. „Geh einfach", murmelte er.

„Damian..."

„Ich will nicht reden!" Er wollte irgendwas zerstören. Zerschlagen, zu Kleinholz verarbeiten. Nein. Wenn er ganz ehrlich war, wollte er rennen. Reiten, weit, weit weg. Hinaus in die Wüste oder die Berge im Westen, wo ihn keine Mauern oder fremde Willen mehr einzwängten. Er presste die Lippen zusammen. „Ich hätte abhauen sollen. Mit Mera und Thalia."

„Man kann seinen Dämonen nicht davonlaufen."

„Naja", Damian lachte bitter auf, „er kann mich schlecht schlagen, wenn ich hunderte Kilometer entfernt bin, oder?"

„Du hättest nicht-"

„Hör auf! Sag mir nicht, ich hätte es nicht tun dürfen", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Bitte. Nicht. Ich habe es so satt, das Nichtstun. Auf dieser Mission gibt es Sinn für mich. Ich könnte einen Beitrag leisten! Meinen Verstand und meine Muskeln benutzen. Verantwortung übernehmen."

Veronika seufzte. Sie führten diese Diskussion nicht zum ersten Mal. „Und deine Verantwortung hier?"

„Welche Verantwortung?" Er schnaubte. „Erinnerst du dich, was er zu dir gesagt hat? Du bist es nicht wert, mir den Staub von den Füßen zu waschen. Das gleiche sagt er auch über mich. Er ist der König. Und das lässt er mich bei jeder Gelegenheit wissen. Seinen Sohn in die Regierungsgeschäfte einweisen? Er denkt gar nicht daran! Ich bekomme nicht mal das kleinste bisschen Verantwortung übertragen. Jeder Provinzgraf  hat mehr Macht." Damian holte Luft. „Dieser Palast ist ein Paradies für jeden, der feiern und trinken und im Luxus leben will. Ein goldener Käfig. Wenn ich gehen würde..."

„Du denkst doch nicht ernsthaft, das würde funktionieren?"

„Was soll er dagegen machen? Es gibt kein Gesetz, dass der Kronprinz immer im Palast leben muss, oder? Ich könnte endlich etwas tun. Nicht nur existieren." Er schluckte. Seine Stimme wurde sanfter. „Und du, du könntest zurück an die Akademie. Unterrichten oder forschen. Du bist hier doch vollkommen unterfordert. Die brillante Veronika von Thisbe, degradiert zur Hauslehrerin eines verwöhnten Prinzen von mittlerem Intellekt."

„Von mittlerem Intellekt." Veronika schmunzelte. „Immerhin mangelt es dir nicht an Selbsterkenntnis." Sie setzte sich auf die Bank ihm gegenüber. „Ich habe es dir schon oft gesagt, mein reicher, verwöhnter Prinz. Wenn ich an die Akademie zurückwollte, wäre ich längst wieder  dort."

Die Dornen der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt