𝐃𝐢𝐞 𝐰𝐚𝐜𝐡𝐬𝐞𝐧𝐝𝐞 𝐔𝐧𝐫𝐮𝐡𝐞 𝐢𝐦 𝐑𝐨𝐭𝐞𝐧 𝐁𝐞𝐫𝐠𝐟𝐫𝐢𝐞𝐝

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Der Morgen war schnell vergangen, und die Stunden des Trainings schienen in einem Wimpernschlag zu vergehen. Als Aemond und ich uns auf den Rückweg zum Roten Bergfried machten, fühlte ich die vertraute Müdigkeit in meinen Muskeln, gemischt mit einem Gefühl der Zufriedenheit. Das Training mit Aemond war nicht nur eine körperliche Herausforderung, sondern auch eine mentale Stärkung. Es gab mir das Gefühl, die Kontrolle zu haben, etwas, das in diesen unsicheren Zeiten von unschätzbarem Wert war.

Als wir den Roten Bergfried erreichten, spürte ich sofort eine Veränderung in der Atmosphäre. Eine unheimliche Stille lag über dem Schloss, als ob die Mauern selbst die Anspannung in der Luft einatmeten. Die Diener, die normalerweise geschäftig durch die Flure eilten, bewegten sich jetzt leise, fast schleichend, als wollten sie die Aufmerksamkeit nicht auf sich lenken. Aemond und ich tauschten einen kurzen Blick, bevor wir schneller gingen.

Als wir den Hauptflur betraten, der zu den Gemächern des Königs führte, wurden wir von einem der königlichen Wachen gestoppt. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war angespannt, und seine Augen flackerten nervös zwischen uns hin und her.

„Was ist los?" fragte Aemond mit seiner typischen, ruhigen Stimme, die keine Unsicherheit verriet.

Der Wachmann zögerte einen Moment, bevor er leise antwortete: „Es ist der König, mein Prinz. Sein Zustand hat sich heute Morgen plötzlich verschlechtert. Die Maester sind bei ihm, aber... es sieht nicht gut aus."

Mein Herz setzte einen Schlag aus, und ich spürte, wie die Anspannung, die den Morgen durchzogen hatte, sich plötzlich in meinem Körper festsetzte. Seit Tagen hatten wir gewusst, dass es König Viserys schlechter ging, doch wir hatten alle gehofft, dass er sich wieder erholen würde – so wie er es schon so oft getan hatte. Aber jetzt, angesichts der Nervosität des Wachmanns und der ungewöhnlichen Stille im Schloss, konnte ich die Angst nicht länger ignorieren.

„Wir müssen sofort zu ihm", sagte Aemond entschlossen und setzte sich in Bewegung. Ich folgte ihm, meine Gedanken wirbelten wild umher.

Als wir die Gemächer des Königs erreichten, traf uns ein starker Geruch von Kräutern und Salben, die verwendet wurden, um den Schmerz zu lindern. Die Tür war halb geöffnet, und wir traten ein, ohne zu klopfen. Drinnen herrschte ein geschäftiges Treiben. Die Maester standen um das große, prunkvolle Bett herum, in dem König Viserys lag. Sein Gesicht war blass und schweißbedeckt, und sein Atem ging flach und schwer.

Meine Mutter, Rhaenyra, saß an seiner Seite und hielt seine Hand. Ihre Augen waren gerötet, als hätte sie die Nacht hindurch geweint, doch ihr Gesichtsausdruck war entschlossen, fast trotzig. Als sie uns hereinkommen sah, huschte ein Hauch von Erleichterung über ihr Gesicht, doch es wurde sofort wieder von der Sorge verdrängt.

„Yn, Aemond", sagte sie leise, als wir uns ihr näherten. „Es geht ihm schlechter. Viel schlechter."

Ich kniete mich neben sie, legte meine Hand auf ihre Schulter und spürte die Anspannung in ihren Muskeln. Aemond trat neben das Bett, seine Augen fest auf den König gerichtet.

„Was sagen die Maester?" fragte er und wandte sich an einen der Mediziner, die unruhig neben dem Bett standen.

„Seine Majestät leidet unter Fieberanfällen, und seine Wunden sind erneut aufgegangen", erklärte einer der Maester mit zitternder Stimme. „Wir tun alles, was wir können, um seinen Zustand zu stabilisieren, aber..."

Er brauchte den Satz nicht zu beenden. Die Stille, die darauf folgte, sprach Bände. Es gab wenig, was sie noch tun konnten. Viserys' Körper war alt und müde, erschöpft von den vielen Jahren der Herrschaft und den ständigen Konflikten, die seine Familie zerrissen hatten. Die Krankheit, die ihn schon seit langer Zeit quälte, forderte nun ihren endgültigen Tribut.

„Wie lange?" fragte Rhaenyra und ihre Stimme klang hart, als hätte sie schon mit dem Schlimmsten gerechnet.

Der Maester senkte den Blick, unfähig, ihr in die Augen zu sehen. „Es ist schwer zu sagen, Eure Hoheit. Vielleicht Tage, vielleicht weniger."

Diese Worte hallten in der Stille des Raumes wider, und die Schwere der Situation lastete wie ein bleierner Schleier auf uns allen. Der König, der das Reich über Jahrzehnte hinweg zusammengehalten hatte, lag im Sterben. Und mit ihm könnte das fragile Gleichgewicht, das das Reich noch zusammenhielt, ebenfalls zerbrechen.

„Wir müssen vorbereitet sein", sagte Aemond schließlich, seine Stimme ruhig, doch ich konnte die unterschwellige Dringlichkeit darin hören. „Es wird bald Entscheidungen geben, die getroffen werden müssen."

Rhaenyra nickte, doch ich konnte die Angst in ihren Augen sehen. Sie war die Erbin des Thrones, diejenige, die das Reich nach dem Tod ihres Vaters regieren sollte, doch die Unsicherheiten, die dieser bevorstehende Übergang mit sich brachte, waren unübersehbar. Die Spannungen innerhalb der Familie, die sich nach außen hin gelegt zu haben schienen, könnten wieder aufflammen – stärker und gefährlicher als zuvor.

Ich spürte die Last der Verantwortung, die auf meiner Mutter und den anderen Thronanwärtern lag, und zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich völlig hilflos. Was konnte ich tun? Ich war nicht in der Lage, das Schicksal zu beeinflussen, das nun auf uns zukam. Doch tief in mir wusste ich, dass ich stark sein musste, für meine Familie, für meine Mutter. Egal, was geschehen würde, ich würde an ihrer Seite stehen.

„Yn", sagte Rhaenyra leise und sah mich an. „Du musst wissen, dass die kommenden Tage schwierig werden. Du wirst vielleicht Dinge sehen und hören, die beunruhigend sind. Aber du musst stark bleiben, für mich und für deine Brüder."

Ich nickte, unfähig, die Worte zu finden, die das Chaos in meinem Inneren ausdrücken könnten. In diesem Moment fühlte ich mich wieder wie das Kind, das ich einst gewesen war – ein Kind, das nach Trost und Sicherheit suchte. Doch diese Zeiten waren längst vorbei, und ich wusste, dass ich mich der Realität stellen musste.

Wir verbrachten den Rest des Tages bei Viserys, saßen schweigend an seinem Bett und lauschten dem langsamen, quälenden Rhythmus seines Atems. Der Tag verging wie in einem Traum, die Stunden verschwammen zu einem nebulösen Strom von Sorgen und stillem Gebet. Die Maester kamen und gingen, versuchten weiterhin, das Unvermeidliche hinauszuzögern, doch die Miene eines jeden von ihnen verriet, dass ihre Bemühungen vergeblich waren.

Als die Nacht hereinbrach, kehrten wir schließlich in unsere Gemächer zurück, doch ich wusste, dass keiner von uns schlafen würde. Aemond blieb bei mir, seine Gegenwart beruhigend und vertraut. Wir sprachen kaum, denn es gab nichts, was gesagt werden musste. Das Schweigen zwischen uns war nicht unangenehm, sondern tröstend, wie ein stilles Versprechen, dass wir füreinander da sein würden, egal was kam.

In der Dunkelheit meiner Gemächer ließ ich mich auf das Bett sinken und schloss die Augen. Doch an Schlaf war nicht zu denken. Meine Gedanken rasten, und das Bild meines sterbenden Großvaters brannte sich in mein Gedächtnis. Die Kälte des Morgens, die mich beim Training so belebt hatte, war nun einer Kälte in meinem Herzen gewichen, die sich nicht vertreiben ließ.

Die kommenden Tage würden das Schicksal unserer Familie und des Reiches bestimmen. Und obwohl ich nicht wusste, was die Zukunft bringen würde, wusste ich eines: Ich würde bereit sein, zu kämpfen – nicht nur mit dem Schwert, sondern auch mit meinem Verstand und meinem Herzen.

Denn in einer Welt voller Unsicherheiten und Gefahren gab es eine Sache, die ich sicher wusste: Meine Familie und ich würden diese Herausforderung gemeinsam meistern, so schwer sie auch sein mochte. Und am Ende würden wir stärker daraus hervorgehen, bereit, den Thron zu verteidigen, der uns allen so viel bedeutete.


𝐲𝐧 𝐓𝐚𝐫𝐠𝐚𝐫𝐲𝐞𝐧 - 𝗺𝘆 𝗕𝗹𝗼𝗼𝗱Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt