𝐃𝐞𝐫 𝐓𝐫𝐚𝐮𝐦

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Der Morgen war kalt und düster, als wir den Roten Bergfried verließen und durch die steinernen Korridore schritten. Alicent führte mich durch die vertrauten, doch fremd gewordenen Hallen, während der Himmel über uns dunkel blieb – fast schwarz, mit einem Hauch von tiefem Blau, das den Anbruch des Tages ankündigte. Doch an diesem Morgen wirkte es, als würde der Tag nie kommen, als hätte die Dunkelheit das Licht für immer verschlungen.

Jeder Schritt hallte wider, als wir uns dem Thronsaal näherten. Mein Herz schlug schneller, und eine unangenehme Kälte breitete sich in meiner Brust aus. Ich wusste, dass etwas auf mich wartete, etwas, das ich nicht sehen wollte – doch die Wahrheit ließ sich nicht länger leugnen. Die Gerüchte, die ich ignoriert hatte, die Angst, die mich in der Nacht wachgehalten hatte... alles würde sich nun bestätigen.

„Bist du bereit?" fragte Alicent leise, als wir vor den massiven Türen des Thronsaals standen. Ihre Stimme klang erschöpft, als hätte sie selbst keine Kraft mehr, die Fassade der Kontrolle aufrechtzuerhalten. Ich nickte stumm, unfähig, Worte zu finden. Mein Blick war starr auf die Tür gerichtet.

Mit einem tiefen Atemzug drückte Alicent die Türen auf, und der Saal lag vor mir. Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich das Bild erfasste, das sich vor mir entfaltete.

Da, auf dem Eisernen Thron, saß Yn.

Meine Tochter, das Kind, das ich vor Monaten verlassen hatte, das Kind, das ich immer im Herzen getragen hatte, selbst in den dunkelsten Momenten. Sie saß auf dem Thron mit einer Krone, die der des Eroberers selbst ähnelte. Ihr schwarzes Kleid war mit grünen Verzierungen durchzogen, ein Symbol der Vereinigung der beiden Häuser, der Schwarzen und Grünen – ein Symbol, das mich nur mit Schmerz erfüllte.

Yn erhob sich langsam, ihre Bewegung war geschmeidig und voller Anmut, doch die Macht, die sie ausstrahlte, war überwältigend. Sie war nicht mehr das Kind, das ich in Erinnerung hatte. Sie war eine Königin, eine Herrscherin, und die Art, wie sie sich bewegte, ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihre Rolle vollständig angenommen hatte.

In diesem Moment zuckte ein Blitz über den Himmel, und das grollende Donnern drang durch die Wände des Thronsaals. Der Blitz erhellte den Raum für einen Augenblick, und in diesem Moment sah ich etwas in ihren Augen – eine Kälte, die ich nicht kannte, eine Entschlossenheit, die mir fremd war.

Mein Atem stockte. Es war wahr. Alles war wahr. Die Gerüchte, die ich so lange ignoriert hatte, die Hinweise, die ich nicht sehen wollte... Yn hatte sich dem Feind angeschlossen. Meine Tochter, mein Fleisch und Blut, hatte den Thron bestiegen und regierte nun an der Seite von Aemond und Alicent. Sie war nicht mehr meine kleine Yn.

Ich wollte es nicht wahrhaben, doch tief in meinem Inneren wusste ich es bereits. In jener Nacht, als ich mit einem Schreck erwacht war, hatte ich die Wahrheit gespürt. Mein Herz hatte mir schon lange gesagt, dass etwas nicht stimmte. Aber ich hatte mich geweigert, es zu akzeptieren. Hatte gehofft, dass es nur ein böser Traum war, der vergehen würde. Doch jetzt stand ich hier, konfrontiert mit der bitteren Realität.

Yn musterte mich aus der Ferne, ihre Haltung regungslos, doch ihre Augen sprachen Bände. Sie sagte nichts, aber das Schweigen zwischen uns war lauter als jede Konfrontation. Es war das Schweigen von Entfremdung, das Schweigen von zwei Welten, die sich getrennt hatten. Der Raum zwischen uns war gefüllt mit all den Jahren, die wir nicht zusammen gewesen waren, all den Entscheidungen, die getroffen worden waren, ohne den anderen zu verstehen.

Alicent trat einen Schritt zurück, ließ uns in diesem Augenblick allein. Sie wusste, dass dies ein Moment war, der nur zwischen mir und meiner Tochter stattfinden konnte. Ein Moment der Wahrheit, den keine Worte ändern konnten.

𝐲𝐧 𝐓𝐚𝐫𝐠𝐚𝐫𝐲𝐞𝐧 - 𝗺𝘆 𝗕𝗹𝗼𝗼𝗱Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt