Der nächste Tag brach an, und das Licht der Morgensonne war trügerisch sanft, während ich durch die Korridore des Roten Bergfrieds schritt. In meinem Inneren tobte ein Sturm, der kaum durch die äußere Ruhe, die ich zur Schau stellte, zurückgehalten wurde. Die Wut in mir war wie ein lebendiges Wesen, das sich in meinem Inneren windete und meine Gedanken vergiftete. Der Schmerz um Lucerys' Tod hatte sich in etwas Dunkleres verwandelt, etwas, das mir Kraft gab und mich gleichzeitig zu verschlingen drohte.
Aemond war zurückgekehrt. Die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, und die Höflinge flüsterten hinter vorgehaltener Hand über seinen Erfolg bei Lord Baratheon. Ich wusste, dass ich ihn sehen musste, ihm gegenübertreten musste – aber nicht, um ihn willkommen zu heißen, sondern um zu erfahren, wie er es wagte, nach dem, was geschehen war, einfach weiterzumachen.
Ich fand ihn im Großen Saal, umgeben von den vertrauten Gesichtern unserer Verbündeten. Alicent war da, natürlich, ebenso wie Otto Hohenturm und Aegon. Ihre Gesichter spiegelten Zufriedenheit wider, während sie Aemond für seine diplomatische Geschicklichkeit lobten. Es war, als ob die dunkle Tat, die sich in Sturmkap ereignet hatte, nie geschehen wäre.
„Er ist erfolgreich zurückgekehrt!" hörte ich Aegon sagen, während ich durch den Eingang des Saals trat. „Und er hat es geschafft, Baratheon auf unsere Seite zu ziehen."
„Allerdings unter einer Bedingung," fügte Aemond hinzu, und seine Stimme war ruhig, fast emotionslos. „Ich musste versprechen, seine älteste Tochter zur Frau zu nehmen. Damit ist unsere Allianz besiegelt."
Die Worte trafen mich wie ein Schlag ins Gesicht, aber sie durchdrangen den Schleier meiner Wut nicht. Sie schienen weit entfernt und unbedeutend, verglichen mit dem brennenden Hass, der in mir loderte. Ich wusste, dass Aemond getan hatte, was er tun musste, um die Machtverhältnisse zu unseren Gunsten zu verschieben, aber in diesem Moment war mir das alles egal.
Ich betrat den Saal, ohne ein Wort zu sagen, und alle Augen richteten sich auf mich. Aemond bemerkte meine Anwesenheit, und für einen kurzen Moment sah ich einen Hauch von Unsicherheit in seinen Augen – oder war es Schuld? Es war schwer zu sagen, und es war mir auch gleichgültig.
„Yn," sagte Aemond schließlich, seine Stimme immer noch ruhig, als würde er versuchen, die Situation zu entschärfen. „Ich bin zurück."
„Das sehe ich," erwiderte ich kalt, meine Stimme klang fremd in meinen eigenen Ohren. „Und ich höre, dass du einen weiteren Schritt zur Sicherung unseres Thrones gemacht hast."
Die Spannung im Raum war greifbar, und ich konnte spüren, wie Alicents Augen mich prüfend musterten. Sie hatte immer gewusst, wie stark die Bindung zwischen Aemond und mir war, aber jetzt war da etwas Neues, Dunkles zwischen uns, das sie wahrscheinlich beunruhigte.
„Es war notwendig," sagte Aemond und trat einen Schritt auf mich zu. „Baratheon ist ein wichtiger Verbündeter, und dieser Bund wird uns im kommenden Krieg einen Vorteil verschaffen."
„Ein Vorteil?" Ich lachte bitter, und das Geräusch hallte im stillen Saal wider. „Ist das alles, was du zu sagen hast? Dass du einen Vorteil erkauft hast, indem du eine Ehe versprochen hast, während mein Bruder tot ist? Getötet von deiner eigenen Hand?"
Aemonds Gesicht verhärtete sich, und ich konnte sehen, wie sich die Schatten von Schuld und Wut in seinen Augen mischten. „Das war ein Unfall, Yn. Vhagar geriet außer Kontrolle, und ich... ich wollte das nicht."
„Wolltest du das nicht?" Meine Stimme zitterte vor unterdrückter Wut. „Aber es ist passiert, und jetzt ist Lucerys tot. Tot, Aemond! Und du sprichst von Vorteilen und Bündnissen, als wäre das alles, was zählt."
„Was soll ich tun?" fragte er, und zum ersten Mal hörte ich Verzweiflung in seiner Stimme. „Soll ich mich vor Trauer verzehren, während unsere Feinde uns umzingeln? Soll ich nichts tun und zusehen, wie alles, wofür wir gekämpft haben, zerstört wird?"
„Vielleicht solltest du das," sagte ich, meine Stimme nun leise, aber schneidend. „Vielleicht solltest du einen Moment innehalten und über das nachdenken, was du getan hast, bevor du weitermachst, als wäre nichts geschehen."
Die anderen im Raum waren still, selbst Alicent schien keinen Rat zu haben. Es war, als ob ein unsichtbarer Riss zwischen Aemond und mir klaffte, ein Abgrund, der uns voneinander trennte. Ich konnte spüren, wie mein Herz gegen den Sturm in meinem Inneren ankämpfte, aber es war vergeblich. Der Schmerz war zu tief, die Wut zu stark.
Aemond sagte nichts mehr. Er stand nur da, seine Hände zu Fäusten geballt, und sah mich an. Für einen Moment sah ich den Jungen in ihm, den ich einmal gekannt hatte, den Jungen, der mein Freund, mein Vertrauter gewesen war. Doch dieser Junge war längst verloren, verschlungen von den Mächten, die uns alle in ihren Bann zogen.
„Mach weiter, Aemond," sagte ich schließlich, und meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Sicher dir deine Allianzen, kämpfe deinen Krieg. Aber vergiss nicht, dass der Preis, den du zahlst, nicht nur Blut und Leben ist. Es ist auch die Seele, die du dabei verlierst."
Ich wandte mich ab und verließ den Saal, bevor jemand die Chance hatte, etwas zu sagen. Meine Füße trugen mich durch die Gänge des Roten Bergfrieds, doch mein Geist war weit weg, verloren in einem Strudel aus Gedanken und Gefühlen. Ich wusste nicht, wohin ich ging, nur dass ich weg musste, weg von den Menschen, die mich zu erdrücken drohten, weg von Aemond und seiner eiskalten Entschlossenheit.
Ich erreichte schließlich einen verlassenen Innenhof, wo die Kälte des Morgens noch immer in der Luft hing. Dort blieb ich stehen, atmete tief ein und schloss die Augen. Der Schmerz war immer noch da, tief in mir, aber die Wut, die mich zuvor beherrscht hatte, begann sich zu wandeln. Es war keine reine Wut mehr, sondern etwas Komplexeres, Dunkleres. Eine Erkenntnis, dass es keinen einfachen Weg mehr gab, keinen Ort mehr, an dem ich Frieden finden konnte.
Lucerys war tot, und ich konnte das nicht ändern. Aemond hatte seinen Weg gewählt, und auch das konnte ich nicht ändern. Was blieb, war die Frage, welchen Weg ich wählen würde. Ob ich den Pfad der Rache beschreiten würde, wie es mein Herz verlangte, oder ob ich versuchen würde, den Frieden zu bewahren, wie es meine Pflicht gebot.
Doch in diesem Moment, allein in der Stille des Innenhofs, wusste ich nur eines: Der Krieg, der vor uns lag, würde nicht nur auf den Schlachtfeldern ausgefochten werden. Er würde auch in unseren Herzen toben, und die Narben, die er hinterließ, würden für immer bleiben.
Ich wusste, dass ich eine Entscheidung treffen musste, eine Entscheidung, die alles verändern würde. Aber noch war der Moment nicht gekommen. Noch konnte ich einen weiteren Atemzug nehmen, ein weiteres Mal die Kälte spüren, die meinen Körper durchdrang. Noch konnte ich einen Moment der Ruhe finden, bevor der Sturm losbrach, der alles hinwegfegen würde.
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𝐲𝐧 𝐓𝐚𝐫𝐠𝐚𝐫𝐲𝐞𝐧 - 𝗺𝘆 𝗕𝗹𝗼𝗼𝗱
Fanfiction𝐄s ist ihr Valyrisches Blut was sie so besonders macht. Silbernes Haar, Lila farbenne Augen. Ganz eindeutig Blut des Drachens. Yn Targaryen ist die erst geborene Tochter von Rhaenyra und Daemon Targaryen. Als Viserys stirbt und somit die Erbschaft...