𝐃𝐞𝐫 𝐊𝐚𝐦𝐩𝐟 𝐢𝐦 𝐇𝐞𝐫𝐳𝐞𝐧

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Die Nacht war kalt und dunkel, aber die Kälte, die ich spürte, kam nicht von außen, sondern von tief in meinem Inneren. Die Worte, die am Abend gesprochen wurden, hallten in meinem Kopf wider, wie ein Echo, das nicht verstummen wollte. Die Vorstellung, Königin zu sein, klang in den Ohren vieler wie ein Traum, aber für mich war es eine Last, die mich fast erdrückte.

Allein in meinem Zimmer, das von einem schwachen Licht erhellt wurde, saß ich auf meinem Bett und starrte in die Dunkelheit. Meine Gedanken kreisten immer wieder um die gleiche Frage: Wie sollte ich mich entscheiden? Es war keine einfache Wahl. Nein, es war ein Dilemma, das so tief und komplex war, dass es mir den Schlaf raubte.

„Königin", flüsterte ich leise in die Dunkelheit, als wollte ich das Wort auf der Zunge schmecken. Es klang schön, majestätisch sogar. Aber es war nichts weiter als ein Wort, ein Titel, der mit ungeheurer Verantwortung und Opfern einherging.

Aegon, der Thron, das Reich – all das lag wie ein dunkler Schatten über meinen Gedanken. Aber das, was mich wirklich beschäftigte, war der Verrat. Verrat an meiner eigenen Mutter, an der rechtmäßigen Erbin des Eisernen Throns. Wie konnte ich es nur in Erwägung ziehen, gegen sie zu handeln, die mich großgezogen, beschützt und geliebt hatte? Die Erinnerung an ihre sanfte Hand auf meiner Stirn, wenn ich krank war, an ihre Ermahnungen, wenn ich Fehler gemacht hatte, all das war tief in meinem Herzen verankert.

Doch dann waren da die Worte von Alicent, von Otto, von Aemond – Worte, die mir die Realität aufzeigten, die dunklen Pfade, die das Reich beschreiten könnte, wenn es in die falschen Hände geriet. Ein Bürgerkrieg, das Blut von tausenden Unschuldigen, das vergossen werden könnte, wenn das Reich zerbrach. Was war die größere Pflicht? Meine Mutter zu schützen oder das Reich zu bewahren?

Ich stand auf und ging zum Fenster, starrte hinaus in die Nacht. Die Sterne funkelten am Himmel, doch sie schienen so fern, so unerreichbar wie die Antworten, nach denen ich suchte. Der Wind, der durch die offene Scheibe hereinkam, ließ mich frösteln, aber ich ließ das Fenster offen. Die Kälte half mir, meine Gedanken zu ordnen, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

„Was würde Mutter tun?", fragte ich mich. Rhaenyra war stark, mutig und entschlossen. Sie hatte ihr ganzes Leben lang darum gekämpft, als rechtmäßige Erbin anerkannt zu werden, gegen alle Widerstände. Sie hätte niemals gezögert, das Reich zu schützen, egal welchen Preis es zu zahlen galt. Aber sie war auch eine Mutter, meine Mutter. Würde sie von mir verlangen, dass ich mich gegen mein eigenes Herz stelle?

Die Antwort kam nicht sofort. Es war ein leises Flüstern in meinem Inneren, eine Stimme, die aus den Tiefen meiner Seele emporstieg. Meine Mutter liebte mich. Sie hätte niemals gewollt, dass ich mich selbst für ihre Krone opfere. Aber gleichzeitig wusste ich, dass sie erwarten würde, dass ich das Richtige tat – auch wenn es bedeutete, gegen sie zu handeln.

Ich schloss die Augen und atmete tief durch, versuchte, meine Gedanken zu ordnen, aber die Verwirrung war zu groß. Die Worte von Aegon, Alicent, Otto und Aemond hatten ihren Zweck erfüllt: Sie hatten Zweifel in mir gesät, Zweifel, die mich von innen heraus zerfraßen.

Wie konnte ich nur Ja sagen? Ein Ja wäre ein Verrat an allem, was mir lieb und teuer war. Es wäre ein Verrat an meiner Mutter, an meiner Familie, an meinen Prinzipien. Und doch... ein Nein könnte das Reich ins Chaos stürzen, es in einen endlosen Krieg verwickeln, der mehr Leid bringen würde, als ich mir vorstellen konnte.

Ich dachte an Aegon, meinen Onkel, meinen Freund. Er war nicht ohne Fehler, das wusste ich. Aber er war auch nicht ohne Potenzial. Konnte er wirklich der König sein, den das Reich brauchte? War ich bereit, an seiner Seite zu stehen, nicht nur als Königin, sondern als seine Ehefrau, seine Beraterin, seine Stütze? Es war eine Rolle, die ich mir nie vorgestellt hatte, und doch lag sie nun vor mir wie ein schicksalhafter Weg, den ich vielleicht gehen musste.

Ich wandte mich vom Fenster ab und ging langsam durch den Raum, meine Hände falteten sich unbewusst, als ich begann zu beten. Ich betete zu den alten Göttern und den neuen, um Führung, um ein Zeichen, um Klarheit. Aber es kam keine Antwort, nur die Stille der Nacht, die mich umgab.

Die Tür zu meinen Gemächern öffnete sich leise, und eine vertraute Gestalt trat ein. Es war Aemond. Sein Gesicht war ernst, wie immer, aber in seinen Augen lag ein Ausdruck, den ich nicht sofort deuten konnte.

„Yn", sagte er leise, seine Stimme war so sanft, wie ich sie selten gehört hatte. „Ich weiß, dass dies schwer für dich ist. Aber du musst eine Entscheidung treffen."

Ich sah ihn an, diesen Mann, der mein Freund und Vertrauter war, der mich besser kannte als die meisten. In seinen Augen lag keine Verurteilung, nur Verständnis und vielleicht sogar ein Hauch von Sorge.

„Ich weiß nicht, was ich tun soll, Aemond", gestand ich. „Wie soll ich zwischen meiner Mutter und dem Reich wählen?"

Er trat näher, legte eine Hand auf meine Schulter. „Es gibt keine richtige, einfache,  Antwort, Yn. Aber du musst dein Herz und deinen Verstand in Einklang bringen. Du bist stark, stärker als du denkst. Was auch immer du entscheidest, es wird das Richtige sein, weil du es bist, die es entscheidet."

Seine Worte gaben mir einen Moment lang Trost, aber sie lösten nicht das Dilemma, das mich quälte. „Und wenn ich mich irre? Wenn meine Entscheidung alles zerstört?"

„Dann werden wir die Konsequenzen gemeinsam tragen", sagte er mit fester Stimme. „Aber du bist nicht allein, Yn. Das musst du wissen."

Ich nickte langsam, meine Gedanken wirbelten immer noch, aber inmitten des Chaos begann sich eine kleine Spur von Klarheit zu zeigen. Die Entscheidung, die vor mir lag, war eine der schwierigsten meines Lebens, aber ich würde sie treffen müssen – für mich, für meine Mutter, für das Reich.

„Danke, Aemond", sagte ich schließlich, und er lächelte leicht, ein seltenes, aber aufrichtiges Lächeln, das mir mehr bedeutete, als er vielleicht wusste.

Als er ging, schloss ich die Tür hinter ihm und kehrte zu meinem Bett zurück. Der Morgen würde bald kommen, und mit ihm würde eine neue Ära anbrechen, egal, wie ich mich entschied. Doch eine Sache wusste ich: Welche Wahl ich auch traf, ich würde sie mit meinem ganzen Herzen und meiner ganzen Seele treffen, ohne Reue, ohne Zweifel.

Die Nacht war noch dunkel, aber in meinem Inneren begann das Licht der Entscheidung langsam zu dämmern. Und als ich endlich die Augen schloss, wusste ich, dass ich bereit war, der Zukunft entgegenzutreten – egal, was sie bringen mochte.

𝐲𝐧 𝐓𝐚𝐫𝐠𝐚𝐫𝐲𝐞𝐧 - 𝗺𝘆 𝗕𝗹𝗼𝗼𝗱Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt