𝐃𝐞𝐫 𝐑𝐚𝐭 𝐝𝐞𝐫 𝐄𝐧𝐭𝐬𝐜𝐡𝐞𝐢𝐝𝐮𝐧𝐠

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Der große Ratssaal des Roten Bergfrieds war erfüllt von einer unheilvollen Stille, als alle Platz nahmen. Diesmal war ich ebenfalls eingeladen worden, ein Zeichen dafür, dass mein Stand und meine Entscheidungen nun von größerer Bedeutung waren als je zuvor. Der Raum war von düsterem Licht durchflutet, das durch die hohen, schmalen Fenster fiel und Schatten auf die Gesichter der Anwesenden warf.

Otto Hohenturm, der die Sitzung leitete, wirkte angespannter als sonst. Seine Hände ruhten fest auf dem Tisch vor ihm, und sein Blick wanderte über die Gesichter der versammelten Räte. Zu meiner Rechten saß Alicent, still und gefasst, während Aegon und Aemond auf der gegenüberliegenden Seite Platz genommen hatten. Beide wirkten, als hätten sie die Nacht hindurch keinen Schlaf gefunden – ihre Gesichter waren bleich und gezeichnet von der Last, die auf ihnen lastete.

„Wir müssen eine Entscheidung treffen," begann Otto mit seiner gewohnt kühlen, nüchternen Stimme, die keinen Widerspruch duldete. „Der Tod des jungen Prinzen kann nicht ungesühnt bleiben. Die Bürger von Königsmund müssen sehen, dass ein solches Verbrechen nicht unbestraft bleibt. Es ist an uns, ein Zeichen zu setzen."

Ich spürte, wie sich mein Herz zusammenzog bei diesen Worten. Der Schmerz über den Tod von Aegons Sohn war noch frisch, doch die Kälte in Ottos Stimme ließ keinen Raum für Mitgefühl. Es war, als wäre dies für ihn nur eine weitere politische Entscheidung, ein weiteres Puzzleteil in seinem großen Spiel um Macht und Einfluss.

„Was schlägst du vor, Otto?" fragte Alicent leise, doch mit einem deutlichen Zittern in ihrer Stimme. Sie war stark, doch auch sie konnte nicht verbergen, wie sehr der Verlust an ihr nagte.

Otto ließ seinen Blick kurz über den Raum schweifen, als würde er die Reaktion der Anwesenden abwägen, bevor er sprach. „Es gibt eine Tradition in unserer Familie," begann er langsam. „Eine Tradition, die besagt, dass die Targaryens ihre Feinde mit Feuer bestrafen. Ich schlage vor, dass wir den Körper des Prinzen durch die Straßen von Königsmund kutschieren, sodass das Volk sieht, was geschehen ist. Und dann... wird er wie ein Targaryen-Prinz verbrannt."

Ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich seine Worte hörte. Der Gedanke daran, den leblosen Körper eines Kindes zur Schau zu stellen, um dann ein solches Ritual durchzuführen, war verstörend. Es war ein makabres Schauspiel, das mehr nach Rache und Schrecken klang als nach Gerechtigkeit.

Aegon, der die ganze Zeit über stumm geblieben war, hob nun den Kopf. Seine Augen funkelten vor Wut, und ich konnte sehen, wie sehr er sich nach Vergeltung sehnte. Doch selbst er schien für einen Moment von Ottos Vorschlag zurückgeschreckt zu sein. „Und was soll das bezwecken?" fragte er kalt. „Das wird meinen Sohn nicht zurückbringen."

„Nein," gab Otto zu, „aber es wird das Volk dazu bringen, uns zu fürchten und zu respektieren. Niemand wird es wagen, sich gegen euch zu stellen, wenn sie sehen, wozu wir bereit sind."

Aemond, der bisher schweigend zugehört hatte, lehnte sich leicht vor. „Ich verstehe, was du damit erreichen willst, Großvater," sagte er langsam. „Aber gibt es keinen anderen Weg? Einen Weg, der weniger... barbarisch ist?"

Otto schüttelte den Kopf. „Barbarisch oder nicht, es ist effektiv. Ihr müsst euch daran erinnern, dass das Volk nur das respektiert, was es fürchtet. Wenn wir diesen Akt vollziehen, wird Königsmund wissen, dass die Targaryens ihre Feinde nicht verschonen."

Ich konnte die Spannung im Raum spüren, die mit jedem Wort, das Otto sprach, zunahm. Es war klar, dass seine Worte auf Widerstand stießen, doch niemand wagte es, ihm direkt zu widersprechen. Selbst Alicent wirkte unentschlossen, als sie auf den Tisch starrte und über die Möglichkeiten nachdachte.

Schließlich brach ich mein Schweigen. „Und was, wenn das Volk uns nicht fürchtet, sondern verabscheut?" fragte ich, wobei ich versuchte, meine Stimme fest und ruhig zu halten. „Was, wenn diese Tat uns nicht als starke Herrscher zeigt, sondern als Monster?"

Alle Blicke richteten sich auf mich, und ich konnte den Unmut in den Augen mancher Räte sehen. Doch ich ließ mich nicht einschüchtern. „Wir können das Volk nicht mit Schrecken regieren. Wir müssen es mit Weisheit und Gerechtigkeit führen. Dieser Vorschlag... er könnte mehr Schaden anrichten, als wir uns vorstellen können."

Otto musterte mich mit einem kühlen Blick, als würde er abwägen, wie viel Gewicht meine Worte in dieser Versammlung hatten. „Das ist eine naive Sichtweise, Yn. In Zeiten wie diesen müssen wir Härte zeigen. Wer Gnade zeigt, wird als schwach angesehen."

„Aber Stärke zeigt sich nicht nur durch Gewalt," widersprach ich. „Sie zeigt sich auch in der Fähigkeit, das Richtige zu tun, auch wenn es schwerfällt. Dieses Kind, dieser Prinz, verdient einen würdigen Abschied, keinen Akt der Rache."

Aegon starrte schweigend vor sich hin, während er Ottos Worte abwog. Es war klar, dass die Rache ihn reizte, doch auch er schien die potenziellen Konsequenzen zu fürchten. „Was schlagen wir dann vor?" fragte er schließlich, seine Stimme schwer vor Müdigkeit und Trauer.

„Ein würdiges Begräbnis," sagte Alicent leise, aber bestimmt. „Etwas, das die Trauer widerspiegelt, die wir alle fühlen. Etwas, das das Volk uns nicht fürchten, sondern mit uns trauern lässt."

Es folgte eine lange Stille, während alle über ihre Worte nachdachten. Selbst Otto schien für einen Moment unsicher, wie er darauf reagieren sollte. Schließlich nickte er, wenn auch widerwillig. „Sehr gut," sagte er langsam. „Ein Begräbnis. Aber seid gewarnt – wenn wir nicht die gewünschte Reaktion erhalten, müssen wir bereit sein, andere Maßnahmen zu ergreifen."

Die Versammlung löste sich kurz darauf auf, und ich spürte, wie die Anspannung in meinen Schultern langsam nachließ. Ich hatte vielleicht nicht den Frieden wiederhergestellt, aber zumindest konnte ich verhindern, dass wir in eine Spirale aus Rache und Gewalt stürzten, die nur noch mehr Leid gebracht hätte.

Doch als ich den Ratssaal verließ, konnte ich die düsteren Blicke der Räte, insbesondere Ottos, nicht vergessen. Es war klar, dass dieser Konflikt noch lange nicht beendet war. Wir hatten die Wut des Volkes noch nicht gesehen, und ich wusste, dass der Friede, den ich so verzweifelt zu wahren versuchte, nur von kurzer Dauer sein könnte.

Aber ich würde nicht aufgeben. Nicht jetzt, wo so viel auf dem Spiel stand. Ich war eine Targaryen, und ich würde für das kämpfen, was ich für richtig hielt – auch wenn es bedeutete, dass ich gegen meine eigenen Leute kämpfen musste.

𝐲𝐧 𝐓𝐚𝐫𝐠𝐚𝐫𝐲𝐞𝐧 - 𝗺𝘆 𝗕𝗹𝗼𝗼𝗱Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt