𝐄𝐢𝐧 𝐌𝐨𝐫𝐠𝐞𝐧 𝐯𝐨𝐥𝐥𝐞𝐫 𝐔𝐧𝐡𝐞𝐢𝐥

145 4 0
                                    


Der Morgen begann unheimlich ruhig, fast unnatürlich still, als ich die Augen öffnete. Ein merkwürdiges Gefühl kroch in mir hoch, eine Art Vorahnung, die mich sofort in Alarmbereitschaft versetzte. Die Stille im Roten Bergfried war anders als sonst – schwer, bedrückend, als würde die Burg selbst den Atem anhalten.

Ich sprang aus dem Bett, ohne einen Moment zu zögern. Meine Bewegungen waren schnell und gehetzt, als ob ich instinktiv wüsste, dass jede Sekunde zählte. Rasch griff ich nach einem Kleid, einem beigefarbenen Gewand aus valyrischer Seide, das mir meine Mutter geschenkt hatte. Es war schlicht, aber elegant, und der Stoff fühlte sich kühl auf meiner Haut an, während ich es mir überstreifte.

Ohne auch nur einen Blick in den Spiegel zu werfen, stürzte ich zur Tür hinaus und rannte durch die Korridore des Roten Bergfrieds. Mein Herz raste, und meine Gedanken wirbelten wie ein Sturm durch meinen Kopf. Etwas stimmte nicht. Etwas Schreckliches musste passiert sein. Ich spürte es tief in meinem Inneren, und diese Gewissheit trieb mich voran.

Als ich um eine Ecke bog, stieß ich fast mit Aemond und Aegon zusammen, die sich gerade unterhielten. Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung, als sie mich vorbeirennen sahen. Ich bemerkte ihre erstaunten Blicke, wie sie sich gegenseitig ansahen, als könnten sie nicht fassen, was sie sahen.

„Yn, was ist los?" rief Aemond, doch ich konnte nicht stehen bleiben. Ich musste zu Viserys, so schnell wie möglich. Irgendetwas zog mich zu ihm, als ob ein unsichtbares Band mich an ihn fesselte. Ich spürte die Dringlichkeit in jeder Faser meines Körpers.

Aemond und Aegon reagierten schnell und eilten hinter mir her, ihre Schritte hallten durch die leeren Gänge. Aber ich war schneller. Meine Füße flogen über den Boden, und ich konnte die Entfernung zu Viserys' Gemach förmlich spüren, als ob es das Zentrum einer dunklen Macht wäre, die mich zu sich rief.

Endlich erreichte ich den Flur, der zu Viserys' Gemach führte. Das Tor war halb geöffnet, und als ich es durchquerte, stockte mir der Atem. Die Szene, die sich vor mir auftat, ließ mein Herz einen Schlag aussetzen.

Alicent saß neben dem Bett des Königs. Ihr sonst so makelloses Erscheinungsbild war verwüstet; ihr Gesicht war blass, und ihre Augen waren rot und geschwollen von Tränen. Sie hielt eine Hand des Königs in ihren Händen, als könnte sie ihn damit zurück in die Welt der Lebenden holen. Ihre Finger zitterten, während sie über die kalte Haut strichen, als wollte sie ihm Trost spenden, den er nicht mehr empfinden konnte.

Ich wusste sofort, was geschehen war, noch bevor mein Verstand es vollständig erfasste. Der Anblick von Alicent, die völlige Verzweiflung in ihren Augen, das lähmende Schweigen, das den Raum erfüllte – all das ließ keine Zweifel zu.

Viserys war tot.

Ich spürte, wie sich die Luft um mich herum zusammenzog, als ob der Raum kleiner würde, bedrückender. Mein Atem ging stoßweise, und eine überwältigende Leere breitete sich in mir aus. Es war, als hätte die Welt einen dunklen Schleier über sich gezogen, und alles Licht, alle Hoffnung, waren mit Viserys erloschen.

„Nein..." Das Wort entglitt meinen Lippen, kaum mehr als ein Flüstern. Ich wollte es nicht wahrhaben. Mein Geist sträubte sich gegen die Realität, suchte verzweifelt nach einem Ausweg, nach einem Funken Hoffnung, dass es nicht wahr war. Doch die unbewegliche Gestalt des Königs, die kalte Stille im Raum, ließen keinen Zweifel.

Aemond und Aegon erreichten den Raum nur Sekunden später. Sie hielten inne, als sie die Szene erblickten, und auch in ihren Gesichtern spiegelte sich der Schock wider. Aegon, der sonst immer einen Hauch von Arroganz oder Gleichgültigkeit zeigte, stand plötzlich still, seine Augen weiteten sich, und er schien keinen klaren Gedanken fassen zu können.

Aemond trat langsam an mich heran. Seine sonst so kühle Fassade zeigte Risse, und für einen kurzen Moment sah ich den Schmerz in seinen Augen, den er so oft verbarg. Er legte eine Hand auf meine Schulter, sein Griff fest, aber sanft zugleich, als wollte er mich aus dieser schrecklichen Starre reißen, in die ich gefallen war.

„Yn," begann er leise, seine Stimme klang rau, „wir müssen stark bleiben."

Doch ich konnte nichts sagen. Meine Kehle war wie zugeschnürt, und die Tränen, die ich in mir aufsteigen fühlte, schienen sich weigern zu wollen, die Oberfläche zu durchbrechen. Es war, als wäre ich in einem Albtraum gefangen, aus dem es kein Erwachen gab.

Alicent hob den Kopf und sah uns an. In ihren Augen lag eine unaussprechliche Trauer, aber auch eine Entschlossenheit, die mich überraschte. Es war, als hätte sie bereits begriffen, was als nächstes geschehen musste, als wüsste sie, dass dies nur der Anfang war – der Beginn einer neuen, dunklen Ära.

„Er ist gegangen", flüsterte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch. „Unser König ist fort."

Diese Worte trafen mich wie ein Schlag ins Gesicht. Es war endgültig. Der Mann, der über das Reich geherrscht hatte, der so viele Jahre lang versucht hatte, Frieden und Ordnung zu wahren, war nicht mehr. Und mit ihm verschwand auch die fragile Stabilität, die das Reich zusammengehalten hatte.

In diesem Moment wusste ich, dass die Welt, wie wir sie kannten, sich für immer verändern würde. Viserys' Tod war nicht nur das Ende eines Lebens, sondern das Ende einer Ära. Die Frage, wer nach ihm auf den Thron steigen würde, würde das Schicksal von uns allen bestimmen.

Langsam löste ich mich von Aemond und trat näher an das Bett heran. Ich blickte auf den toten König hinab, der nun so friedlich dalag, als hätte er nur geschlafen. Doch ich wusste, dass dieser Frieden trügerisch war. Viserys' Tod würde eine Kette von Ereignissen auslösen, die niemand von uns wirklich kontrollieren konnte.

Ich wollte ihm ein letztes Mal die Ehre erweisen, wollte ihm danken für die Jahre seiner Herrschaft, für die Fürsorge, die er meiner Familie und mir entgegengebracht hatte. Doch die Worte kamen nicht. Stattdessen beugte ich mich leicht vor, legte eine Hand auf seine und schloss für einen Moment die Augen.

Es war eine stille, persönliche Geste des Abschieds, ein Versuch, die Schwere dieses Moments zu begreifen. Als ich die Augen wieder öffnete, spürte ich, wie sich eine neue Entschlossenheit in mir formte. Egal, was kommen würde – ich würde stark sein. Für meine Familie, für meine Brüder, und für das Vermächtnis, das Viserys hinterlassen hatte.

Als ich mich schließlich umdrehte, traf mein Blick erneut auf Alicent. Sie schien etwas sagen zu wollen, doch bevor sie die Gelegenheit dazu hatte, erklangen Schritte auf dem Flur. Weitere Mitglieder des Hofes kamen herbei, gerufen durch das plötzliche Unheil, das über uns hereingebrochen war.

Die Stille war nun endgültig vorbei, und mit ihr auch der kurze Moment des Friedens. Ein neues Kapitel in der Geschichte des Reiches war angebrochen, eines, das von Konflikten und Machtkämpfen bestimmt sein würde. Und ich wusste, dass wir alle, ob wir wollten oder nicht, eine Rolle in diesem Drama spielen würden.

𝐲𝐧 𝐓𝐚𝐫𝐠𝐚𝐫𝐲𝐞𝐧 - 𝗺𝘆 𝗕𝗹𝗼𝗼𝗱Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt