Die Tage schleppten sich dahin, und die düstere Vorahnung wurde zur unausweichlichen Realität. König Viserys ging es von Tag zu Tag schlechter, und jeder wusste, dass sein Ende nahte. Die Maester, die ihn betreuten, hatten längst die Hoffnung aufgegeben, seine Gesundheit zu verbessern; sie konzentrierten sich nur noch darauf, ihm die verbleibende Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten.
Im Roten Bergfried herrschte eine unheimliche Stille, als ob alle darauf warteten, dass etwas Unvermeidliches geschah. Jeder Schritt, jedes geflüsterte Wort trug die Schwere der kommenden Ereignisse in sich. Es war nicht mehr die Frage, ob Viserys sterben würde, sondern wann es passieren würde. Und was dann geschehen würde, war eine Frage, die mich mehr quälte, als ich zugeben wollte.
In den seltenen Momenten, in denen ich allein war, fand ich keine Ruhe. Meine Gedanken kreisten unaufhörlich um das, was nach dem Tod meines Großvaters geschehen würde. Aegon oder Rhaenyra? Die Frage, wer den Thron besteigen würde, lag wie ein drohender Schatten über mir. Obwohl ich tief in meinem Herzen wusste, dass meine Mutter die rechtmäßige Erbin war, war mir auch bewusst, dass es nicht so einfach sein würde. Die Spannungen in der Familie, die latente Feindseligkeit, die trotz der letzten Wochen unter der Oberfläche brodelte, würde in einen offenen Konflikt ausbrechen, sobald Viserys das Zeitliche segnete.
Diese Gedanken ließen mich nachts nicht schlafen, und tagsüber fanden sie keinen Ausweg. Ich fühlte mich eingesperrt, gefangen in einem Netz aus Sorgen und Ängsten, aus denen ich keinen Ausweg fand. Jede Entscheidung, die ich treffen könnte, schien sinnlos angesichts der kommenden Ungewissheit.
Es war an einem dieser bedrückenden Nachmittage, als ich mich entschied, dass ich nicht länger untätig bleiben konnte. Die Luft im Roten Bergfried schien mich zu erdrücken, und ich musste weg, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Ich brauchte die Freiheit, den Wind in meinen Haaren und das Gefühl, dass es etwas gab, das ich kontrollieren konnte.
Ohne lange zu überlegen, verließ ich meine Gemächer und begab mich zu den Drachenställen. Silberschwinge, mein Drache, war dort, und allein der Gedanke, auf ihrem Rücken zu fliegen, ließ mein Herz ein wenig leichter werden. Drachenfliegen war für mich immer eine Flucht gewesen, eine Möglichkeit, dem Alltag zu entkommen und die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen.
Als ich die Ställe erreichte, wurde ich von den Drachenwärtern mit respektvollen Nicken begrüßt. Sie kannten mich und wussten, dass ich oft auf der Suche nach Trost bei Silberschwinge war. Der majestätische Drache erhob ihren Kopf, als ich näher kam, ihre silbernen Schuppen glänzten im schwachen Licht der untergehenden Sonne. Ihre Augen, so weise und uralt, musterten mich aufmerksam, als ob sie meine innere Unruhe spürte.
„Hallo, altes Mädchen", flüsterte ich und legte eine Hand auf ihre warme Schnauze. Silberschwinge brummte tief in ihrer Kehle, eine beruhigende Vibration, die durch meinen Körper ging. Ich spürte, wie sich die Anspannung in mir löste, wenn auch nur ein wenig.
Mit schnellen, geübten Bewegungen kletterte ich auf ihren Rücken und machte es mir im Sattel bequem. Die Drachenwärter öffneten die riesigen Türen des Stalls, und die kühle Luft der Dämmerung strömte herein. Silberschwinge bewegte sich mit einer katzenartigen Geschmeidigkeit auf das offene Tor zu, ihre mächtigen Flügel bereit, sich in die Lüfte zu erheben.
„Nehmen wir uns eine Auszeit von all dem, ja?" murmelte ich und drückte meine Fersen leicht in ihre Flanken. Sie reagierte sofort, breitete ihre Flügel aus und stieß sich kraftvoll vom Boden ab.
Das Gefühl des Fliegens war überwältigend. Der Boden unter uns fiel schnell zurück, als wir in die Höhe stiegen. Der Wind zerrte an meinem Haar und meiner Kleidung, doch ich begrüßte die Kälte, die mich durchströmte. Es war, als würde der Wind die Sorgen und Ängste wegblasen, die sich in den letzten Tagen in meinem Inneren aufgestaut hatten.
Wir stiegen immer höher, bis der Rote Bergfried und die darunter liegende Stadt zu winzigen Punkten wurden, die in der Ferne verschwammen. Die Dämmerung breitete sich über den Himmel aus, tauchte die Welt in ein sanftes, goldenes Licht, das den Horizont in Flammen zu setzen schien. Von hier oben erschien alles friedlich, still, wie eine Welt fernab der Probleme und Intrigen, die unten auf uns warteten.
Silberschwinge bewegte sich mit einer Leichtigkeit durch die Luft, die ich immer wieder bewunderte. Ihre Flügel schlugen kräftig, doch sie glitt auch oft einfach durch die Luft, als ob sie die Strömungen des Windes nutzte, um mühelos zu gleiten. Ich ließ sie in die Richtung fliegen, die sie wollte, und gab ihr die Freiheit, uns zu führen.
Für eine Weile vergaß ich alles, was mich beschäftigte. Ich schloss die Augen und ließ den Wind mein Gesicht streicheln, das Gefühl der Freiheit durch meinen Körper strömen. In diesen Momenten war ich nicht die Tochter von Rhaenyra Targaryen, nicht das Mädchen, das von den kommenden Machtkämpfen wusste. Ich war einfach nur ich, eine junge Frau, die die Freiheit des Himmels genoss, die unbegrenzte Weite der Welt unter mir.
Doch irgendwann musste ich die Augen wieder öffnen, und die Realität kehrte mit einer bittersüßen Klarheit zurück. Die Welt, so schön sie auch von hier oben erscheinen mochte, war immer noch voller Gefahren und Herausforderungen. Ich wusste, dass ich nicht für immer fliehen konnte. Irgendwann würde ich zurückkehren müssen, und die Entscheidungen, die vor mir lagen, würden nicht einfacher werden.
Aber für jetzt, nur für diesen Moment, erlaubte ich mir, die Sorgen beiseitezuschieben und die Ruhe des Fliegens zu genießen. Silberschwinge und ich flogen über das Meer, die Wellen schimmerten silbrig unter uns, als die ersten Sterne am Himmel erschienen. Es war ein friedlicher Anblick, und ich fragte mich, ob es möglich wäre, diese Ruhe in mein Herz zu tragen, wenn ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
Nach einer Weile drehte ich Silberschwinge zurück in Richtung Drachenstein. Die Dunkelheit legte sich über die Welt, und die Lichter des Roten Bergfrieds funkelten in der Ferne wie kleine, verlorene Sterne. Ich wusste, dass ich zurückkehren musste, doch die Zeit mit Silberschwinge hatte mir etwas von der Kraft zurückgegeben, die ich so dringend brauchte.
Als wir den Roten Bergfried erreichten, landete Silberschwinge sanft auf dem Dach des Drachenstalls. Ich blieb noch einen Moment sitzen, den Kopf in die kühle Nachtluft gehoben, und atmete tief durch. Dann kletterte ich langsam von ihrem Rücken und streichelte noch einmal ihre schimmernden Schuppen.
„Danke", flüsterte ich, bevor ich mich von ihr verabschiedete. Silberschwinge brummte leise, als ob sie meine Worte verstand, und wandte sich dann um, um sich in ihrer Ecke des Stalls niederzulassen.
Ich verließ den Drachenstall mit einem Gefühl der Ruhe, das ich seit Tagen nicht mehr empfunden hatte. Der Flug hatte mir nicht nur körperliche Freiheit gegeben, sondern auch meinen Geist geklärt. Die Probleme, die auf mich warteten, waren noch da, aber ich fühlte mich besser gerüstet, ihnen entgegenzutreten.
Zurück im Roten Bergfried war die Atmosphäre unverändert bedrückend. Doch diesmal ließ ich mich nicht von der Schwere der Umgebung überwältigen. Stattdessen ging ich mit einem klaren Kopf in meine Gemächer zurück, entschlossen, die kommenden Herausforderungen anzunehmen.
Ich wusste, dass die Tage nach Viserys' Tod entscheidend sein würden. Die Frage, wer den Thron besteigen würde – Aegon oder Rhaenyra – war eine, die das Reich in den Abgrund stürzen könnte. Doch ich war entschlossen, meine Mutter zu unterstützen, egal was kommen mochte.
Als ich an diesem Abend ins Bett ging, spürte ich die kühle Nachtluft, die immer noch auf meiner Haut lag, und das leise Rauschen des Windes in meinen Ohren. Ich wusste, dass der nächste Tag neue Herausforderungen bringen würde, aber ich war bereit. Bereit, zu kämpfen, für meine Familie, für das Reich und für das, was richtig war.
Und tief in meinem Herzen wusste ich, dass Silberschwinge und ich, wenn es nötig wäre, in den Himmel steigen würden, um für unsere Sache zu kämpfen – mit Feuer und Stahl, wenn es sein musste.
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𝐲𝐧 𝐓𝐚𝐫𝐠𝐚𝐫𝐲𝐞𝐧 - 𝗺𝘆 𝗕𝗹𝗼𝗼𝗱
Fanfiction𝐄s ist ihr Valyrisches Blut was sie so besonders macht. Silbernes Haar, Lila farbenne Augen. Ganz eindeutig Blut des Drachens. Yn Targaryen ist die erst geborene Tochter von Rhaenyra und Daemon Targaryen. Als Viserys stirbt und somit die Erbschaft...