𝐃𝐢𝐞 𝐋𝐚𝐬𝐭 𝐝𝐞𝐫 𝐊𝐫𝐨𝐧𝐞

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Der Morgen war kühl und klar, doch in meinen Gedanken lag ein schwerer Schleier. Ich hatte kaum geschlafen und fühlte die Müdigkeit in meinen Knochen, während ich den langen Gang zum Thronsaal entlangging. Die Steine unter meinen Füßen waren kalt, und der hallende Klang meiner Schritte vermischte sich mit dem leisen Murmeln der Diener, die sich hastig auf den bevorstehenden Tag vorbereiteten.

Aegon ging vor mir, seine Haltung aufrecht, doch ich konnte die Anspannung in seinen Schultern sehen. Hinter ihm marschierten Martyn Reyne und Leon Erstermont, zwei der treuesten Mitglieder seiner Königsgarde. Martyns Blick war entschlossen, sein Gesicht ernst. Ich erinnerte mich an die vielen Momente unserer Kindheit, als er mit Aegon und mir gespielt hatte, und wie er immer ein offenes Ohr für mich gehabt hatte. Aber heute war keine Zeit für Nostalgie. Heute war ein Tag, an dem das Reich sehen würde, was aus den Kindern geworden war.

„König Aegon, Zweiter seines Namens. König der Andalen und der Rhoynar und der Ersten Menschen, Herr der Sieben Königslande, Protektor des Reiches," verkündete Leon laut, als wir den Thronsaal betraten. Die Worte hallten durch den Raum, schwer wie die Verantwortung, die auf uns allen lastete.

Aegon schritt weiter, sein Blick starr nach vorne gerichtet. Der Thronsaal war gefüllt mit den Lords und Ladies, den einfachen Leuten und den Bittstellern, die darauf warteten, gehört zu werden. Ihre Augen folgten ihm, einige ehrfurchtsvoll, andere skeptisch. Es war der Moment, auf den sie alle gewartet hatten – der junge König auf dem Eisernen Thron, bereit, das Schicksal des Reiches in die Hand zu nehmen.

Ich folgte ihm dicht, wie es von einer Königin erwartet wurde, meine Schritte fest und bestimmt. Als wir die Stufen erreichten, die zum Thron führten, stellte ich mich rechts von ihm auf, einen Schritt tiefer, wie es der Tradition entsprach. Martyn nahm seinen Platz neben mir ein, sein Schwert an der Seite, seine Augen wachsam auf die Menge gerichtet. Trotz der förmlichen Atmosphäre, fühlte sich seine Präsenz beruhigend an, ein vertrauter Anker inmitten des Chaos.

Helena war nicht anwesend. Sie mied solche Auftritte, und ich konnte es ihr nicht verübeln. Der Hof war für sie immer ein Ort der Intrigen und des Zwanges gewesen, nicht der Macht und des Einflusses. Doch heute, mehr als je zuvor, wünschte ich mir, sie wäre hier. Vielleicht hätte ihre stille Weisheit uns geholfen, die Last, die auf uns lag, zu tragen.

Aegon setzte sich auf den Eisernen Thron, und ich sah zu, wie er sich langsam niederließ. Die Klinge des Thrones berührte seinen Rücken, und ich konnte sehen, wie er kurz das Gesicht verzog, bevor er sich wieder fasste. Der Thron war kein Ort des Komforts, sondern eine ständige Erinnerung an die Bürde, die er trug.

Die Bittsteller wurden hereingeführt, einer nach dem anderen, und Aegon hörte ihnen mit steinerner Miene zu. Die Worte der Menschen waren oft einfach, ihre Probleme alltäglich, doch jeder Fall wurde ernsthaft geprüft. Die Lords, die sich um uns geschart hatten, warfen mir immer wieder Blicke zu, als wollten sie sehen, ob die neue Königin Einfluss auf die Entscheidungen des Königs nehmen würde. Doch ich hielt mich zurück, meine Hände fest ineinander verschränkt.

Es fiel mir schwer, die Distanz zu wahren. Einige der Bitten, die vorgetragen wurden, rührten mich zutiefst, und ich musste meine Zunge zügeln, um nicht unaufgefordert das Wort zu ergreifen. Aegon entschied klug, aber ich konnte die Müdigkeit in seinen Augen sehen. Dieses Spiel der Macht war anstrengend, selbst für ihn, und ich fragte mich, wie lange er die Fassade aufrechterhalten konnte.

Ein alter Mann, gebeugt unter der Last der Jahre, trat vor. Er sprach von einem Streit um Land, der seine Familie entzweit hatte, und seine Stimme zitterte, als er um Gerechtigkeit bat. Aegon lehnte sich leicht nach vorne, seine Finger auf den kalten Armlehnen des Throns. „Ich werde mir euren Fall ansehen lassen", sagte er schließlich, und der Mann wurde von den Wachen aus dem Saal geführt.

Martyn stand ruhig neben mir, sein Blick fest auf die Geschehnisse gerichtet. Er schien jeden im Raum zu scannen, als würde er nach einer versteckten Bedrohung suchen. In einem anderen Leben hätte ich ihn gefragt, was ihn so ernst machte, doch heute war nicht der richtige Zeitpunkt.

Als die letzte Bittstellerin, eine junge Frau mit tränenüberströmtem Gesicht, ihren Fall vortrug, spürte ich eine Welle der Hilflosigkeit über mich hinwegrollen. Sie erzählte von ihrem Mann, der in einem der unzähligen Kämpfe gefallen war, und von den Schwierigkeiten, die sie nun als Witwe mit einem kleinen Kind hatte. Ihre Stimme brach, als sie bat, dass man ihr Land nicht konfiszieren würde, da es das letzte Andenken an ihren Mann sei.

Aegon hörte schweigend zu, und ich konnte die Spannung in seiner Haltung erkennen. Es war schwer, solche Entscheidungen zu treffen, doch er tat es mit der Beherrschung eines Mannes, der wusste, dass seine Entscheidungen das Leben vieler beeinflussen würden. „Euer Land wird euch bleiben," sagte er schließlich, und die Frau fiel vor ihm auf die Knie, vor Dankbarkeit weinend.

Ich senkte den Blick, um die Tränen in meinen eigenen Augen zu verbergen. Das war das Leben, das wir gewählt hatten – oder besser gesagt, das uns gewählt hatte. Es gab keinen Raum für persönliche Gefühle, nur für die Entscheidungen, die das Schicksal des Reiches bestimmten.

Als der letzte Fall behandelt war, erhob sich Aegon und verließ den Thronsaal, die Wachen folgten ihm, und ich war ihm dicht auf den Fersen. Wir sprachen kein Wort, als wir die kalten Gänge entlanggingen, doch die Stille zwischen uns war nicht unangenehm. Es war die Stille zweier Menschen, die beide die Last der Verantwortung auf ihren Schultern trugen, einer Last, die zu schwer war, um sie allein zu tragen.

Martyn blieb an meiner Seite, wie er es immer getan hatte, doch heute fühlte sich seine Nähe schwerer an, als ich es gewohnt war. Es war, als ob die Erinnerungen an unsere gemeinsame Kindheit uns an einen Ort zurückziehen wollten, der längst vergangen war. Doch die Realität war anders. Wir waren nicht mehr die Kinder, die in den Gärten des Roten Bergfrieds spielten. Wir waren König und Königin, gebunden an unsere Pflichten, mit der Last eines Reiches auf unseren Schultern.

Als wir endlich unsere Gemächer erreichten, hielt ich inne und drehte mich zu Martyn um. „Danke, dass du immer noch an unserer Seite bist," sagte ich leise. Er nickte nur, doch in seinen Augen sah ich den Hauch eines Lächelns, ein flüchtiger Moment, der mir ein wenig Trost schenkte.

Dann trat ich in das Zimmer, die Tür schloss sich hinter mir, und ich war allein. Allein mit meinen Gedanken, mit meinen Zweifeln und mit der Frage, ob ich dieser neuen Rolle jemals gerecht werden würde. Doch tief in meinem Herzen wusste ich, dass es keinen Weg zurück gab. Ich musste stark sein, für Aegon, für das Reich – und für mich selbst.

Der Tag war noch jung, und ich spürte, dass die Herausforderungen, die vor uns lagen, erst begonnen hatten.

𝐲𝐧 𝐓𝐚𝐫𝐠𝐚𝐫𝐲𝐞𝐧 - 𝗺𝘆 𝗕𝗹𝗼𝗼𝗱Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt