𝐃𝐞𝐫 𝐌𝐨𝐫𝐠𝐞𝐧 𝐝𝐞𝐫 𝐕𝐞𝐫𝐠𝐞𝐥𝐭𝐮𝐧𝐠

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Der nächste Morgen brachte keine Erleichterung, nur die bedrückende Last eines neuen Tages, der von Zorn und Rachsucht geprägt war. Die Dunkelheit der Nacht hatte sich zwar verzogen, doch das Unheil, das über uns hereingebrochen war, lastete schwer auf dem Roten Bergfried. Als ich aus meinem Gemach trat, war die Luft in den Gängen kühl und schwer, wie das Vorzeichen eines drohenden Unwetters.

Aegon war von dem Gedanken an Rache besessen. Ich konnte es in seinen Augen sehen, als wir uns beim Frühstück trafen. Sein Blick war hart, seine Hände zitterten vor unterdrückter Wut, und jeder Muskel in seinem Körper war angespannt, als würde er nur darauf warten, loszuschlagen. Die Trauer um seinen Sohn war noch frisch, doch sie hatte sich in etwas Dunkleres, Gefährlicheres verwandelt. Es war, als hätte er jede Fähigkeit zur Vernunft verloren und würde sich nur noch von seinem Hass leiten lassen.

„Ich werde den Bastard finden, der das getan hat," zischte Aegon mit zusammengebissenen Zähnen, während er mit seinem Schwert auf dem Tisch vor ihm herumhantierte. Seine Augen waren rot und verquollen, von Schlaflosigkeit und Tränen, die er sich nicht gestattete zu vergießen. „Und wenn ich ihn finde, werde ich ihn eigenhändig in Stücke reißen."

Ich wusste, dass es keine Worte gab, die ihn beruhigen konnten. Nichts, was ich sagen konnte, würde den Schmerz lindern, den er in sich trug. Doch die Furcht vor dem, was er in seinem Zorn tun könnte, nagte an mir. Aegon in diesem Zustand war unberechenbar, und ich konnte nicht anders, als mir Sorgen zu machen, wohin seine Wut ihn führen würde.

Während Aegon seine Pläne schmiedete, machte ich mich auf den Weg zu Alicent. Sie hatte mich früh am Morgen zu sich gebeten, um über wichtige Angelegenheiten zu sprechen, die sie auf dem Herzen hatte. Es war keine ungewöhnliche Bitte, doch in diesen Zeiten fühlte sich jede Unterhaltung, die wir führten, schwerer an, als wäre sie von einer düsteren Vorahnung überschattet.

Ich fand sie in ihrem Gemach, vertieft in Pergamente und Dokumente, die sie sorgfältig durchging. Ihr Blick war konzentriert, doch als ich eintrat, hob sie den Kopf und schenkte mir ein müdes Lächeln. „Yn, danke, dass du gekommen bist," sagte sie und deutete auf einen Stuhl neben sich. „Es gibt einige Dinge, die wir besprechen müssen."

Ich setzte mich neben sie und konnte die Anspannung in ihrem Gesicht deutlich erkennen. Es war, als hätte der Verlust von Aegons Sohn auch einen Teil von ihr genommen. Sie wirkte schwächer, ihre sonst so strenge Haltung war irgendwie gebrochen.

„Es geht um die Erben und das, was nach Aegons Thronbesteigung geschehen wird," begann sie mit einer sanften, aber festen Stimme. „Wir müssen sicherstellen, dass alles geregelt ist, um weitere Unruhen zu vermeiden."

Ich nickte, obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich wirklich bereit war, über solche Dinge zu sprechen. Die Worte „Erben" und „Thron" fühlten sich in meinem Mund bitter an, als würden sie mich an die Lügen und Täuschungen erinnern, die uns alle in dieses Chaos gestürzt hatten. Doch ich wusste, dass ich stark bleiben musste. Für meine Familie, für das Reich.

„Was genau möchtest du besprechen?" fragte ich vorsichtig und versuchte, den Zorn, den ich immer noch in mir trug, zu unterdrücken.

Alicent seufzte und legte die Pergamente vor sich auf den Tisch. „Es geht darum, wie wir sicherstellen können, dass Aegons Erben, deine zukünftigen Kinder, das Reich in Frieden erben werden," sagte sie und sah mich mit ernster Miene an. „Ich weiß, dass es keine leichte Zeit für dich ist, aber wir müssen an die Zukunft denken. Es ist entscheidend, dass die Blutlinie stark bleibt und das Reich geeint wird."

Ihre Worte waren klar, und doch konnte ich nicht anders, als den Hauch von Verzweiflung in ihrer Stimme zu spüren. Sie wusste ebenso gut wie ich, dass nichts in dieser Welt sicher war, schon gar nicht die Zukunft. Aber ich verstand, warum sie so dachte. Das Reich war zerrissen, und jeder Fehler, jede falsche Entscheidung könnte alles zum Einsturz bringen.

„Ich verstehe," antwortete ich leise und senkte den Blick auf die Dokumente. „Aber was ist, wenn Rhaenyra... wenn meine Mutter..." Die Worte blieben mir im Hals stecken, als mir klar wurde, dass ich nicht wusste, wie ich diesen Satz beenden sollte. Was, wenn sie gegen uns kämpft? Was, wenn sie nicht aufgibt?

Alicent legte mir sanft eine Hand auf den Arm und drückte ihn leicht. „Deine Mutter ist stark, Yn. Aber das ist nicht nur eine Frage der Stärke. Es geht darum, was das Beste für das Reich ist. Es geht um das Wohl der Menschen, die unter unserer Herrschaft leben."

Ich nickte, obwohl die Worte schwer in meinem Herzen lagen. Das Beste für das Reich. Aber zu welchem Preis? Würde meine Mutter es jemals akzeptieren, dass sie ihren Anspruch auf den Thron aufgeben sollte? Und konnte ich es ertragen, sie als Feindin zu sehen?

Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, wurde die Tür plötzlich aufgerissen, und einer der Wachen stürzte herein, außer Atem und mit einem Blick, der sowohl Angst als auch Dringlichkeit verriet.

„Mylady, Hoheit, ihr müsst sofort kommen," rief er, während er versuchte, seine Worte zu fassen. „Der König... Er hat den Mörder gefasst."

Alicent und ich tauschten einen schnellen Blick, bevor wir beide aufsprangen und dem Wächter folgten. Mein Herz hämmerte in meiner Brust, und ich spürte die Kälte der Angst, die sich in mir ausbreitete. Was hatte Aegon vor?

Wir eilten durch die Flure des Schlosses, die kühle Morgenluft schnitt mir ins Gesicht, als wir nach draußen traten. Auf dem Hof hatte sich bereits eine kleine Menge versammelt. Sie standen in einem engen Kreis und beobachteten gespannt, was in ihrer Mitte geschah.

Aegon stand dort, das Gesicht verzerrt vor Zorn. Seine Hand umklammerte das Schwert fest, das er auf den Mann vor ihm gerichtet hatte. Der Mann, den die Wachen auf die Knie gezwungen hatten, zitterte vor Angst, sein Gesicht bleich, seine Augen weit vor Schrecken. Er hatte etwas Niedriges an sich, wie ein Straßenräuber, der die falsche Person überfallen hatte.

„Das ist er!" schrie Aegon, seine Stimme voller Hass. „Das ist der Bastard, der meinen Sohn getötet hat!"

Ich fühlte, wie sich mein Magen zusammenzog, als ich die Szenerie vor mir erfasste. Es gab kein Entrinnen, keine Gnade. Aegon war bereit, dieses Blut selbst zu vergießen, als wäre es die einzige Möglichkeit, den Schmerz in sich zu stillen.

„Aegon, warte!" rief ich, bevor ich es überhaupt realisierte. Meine Stimme klang hohl, schwach im Vergleich zu der Wut, die ihn erfüllte. „Du musst es nicht tun... Lass das Gericht entscheiden..."

Doch Aegon hörte nicht auf mich. Sein Blick war kalt, gefroren in einem Zustand, den ich nicht mehr erreichen konnte. Es war, als hätte er einen Teil von sich selbst verloren, als hätte der Tod seines Sohnes auch den letzten Rest Menschlichkeit in ihm zerstört.

Er zögerte nicht länger. Mit einem einzigen, kraftvollen Schlag ließ er das Schwert niederfahren, und ein dumpfer Laut durchbrach die Stille, als das Leben des Mörders endete. Blut spritzte auf den Boden, auf Aegons Stiefel, und die Menge wich zurück, entsetzt, aber nicht überrascht.

Ich konnte nicht hinsehen. Es war zu viel. Der Schmerz, die Wut, die Trauer, alles vereinte sich in diesem einen Moment, und ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Es war zu spät, um ihn aufzuhalten. Zu spät, um ihm zu sagen, dass Rache niemals den Frieden bringen würde, den er so verzweifelt suchte.

Alicent legte eine Hand auf meine Schulter und zog mich sanft zurück. „Es ist vorbei," sagte sie leise, doch ihre Stimme klang ebenso gebrochen wie mein Herz. „Wir können nichts mehr tun."

Ich nickte stumm und ließ mich von ihr wegführen, zurück in die düsteren Hallen des Roten Bergfrieds. Die Welt schien mit jedem Schritt dunkler zu werden, und ich wusste, dass dies erst der Anfang war. Der Beginn eines Krieges, der uns alle verschlingen würde.

Als wir wieder im Schlossinneren waren, blieb ich kurz stehen und atmete tief durch, versuchte, die Fassung zu bewahren. Aber es war schwer. Der Schmerz und die Trauer lasteten schwer auf meiner Seele, und ich konnte den dunklen Schatten des Zorns, der über uns hing, nicht abschütteln.

𝐲𝐧 𝐓𝐚𝐫𝐠𝐚𝐫𝐲𝐞𝐧 - 𝗺𝘆 𝗕𝗹𝗼𝗼𝗱Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt