Kapitel 3

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Der Morgen war still und grau, und als ich mich aus dem Bett schälte, lag eine eigentümliche Spannung in der Luft. Die erste Woche in der Academy hatte Spuren hinterlassen. Meine Muskeln schmerzten, und mein Kopf fühlte sich schwer an. Schlaf war zu einem flüchtigen Begleiter geworden, genauso wie die seltsamen Träume, die mich nachts heimsuchten und sich wie Schatten durch meinen Verstand zogen.

Ich stieg in meine Rennkleidung und ging hinaus in die Boxengasse. Die meisten Fahrer waren schon da und sprachen leise miteinander oder kontrollierten ihre Wagen. In einer Ecke entdeckte ich Lando, der mit seiner Crew sprach und mir kaum Beachtung schenkte – was mir fast lieber war. Trotzdem bemerkte ich, wie sein Blick kurz in meine Richtung glitt, kalt und abschätzend, als wollte er sicherstellen, dass ich es ernst meinte und mich nicht unterkriegen ließ.

Heute standen Einzeltrainings an, und jeder von uns sollte Zeit mit einem erfahrenen Coach verbringen, um die Feinheiten des Fahrens zu verbessern. Mein Coach, Adrian, war ein ruhiger Mann mit grauen Schläfen und einer abgeklärten Art, die beruhigend auf mich wirkte. Wir begannen das Training mit ein paar Theorieeinheiten, und ich spürte, wie die Anspannung in mir nachließ, als ich mich in seine Erklärungen vertiefte.

Doch der wahre Test begann erst auf der Strecke. Adrian beobachtete jede meiner Bewegungen, wies mich auf Kleinigkeiten hin – wie ich die Kurven besser schneiden, das Gaspedal kontrollierter nutzen und das Gewicht des Wagens in jeder Sekunde ausbalancieren konnte. Die Minuten vergingen wie im Flug, und irgendwann vergaß ich alles um mich herum. Hier draußen gab es nur mich, das Auto und die Strecke. Ein kurzer Moment des Friedens, eine Flucht vor den Gedanken, die sonst so unaufhörlich in meinem Kopf kreisten.

Doch als ich gerade in eine besonders enge Kurve einbog, sah ich im Rückspiegel eine Bewegung. Ein anderer Wagen raste auf mich zu, viel zu schnell und viel zu nah. Ich hatte nur einen Sekundenbruchteil Zeit zu reagieren, bevor der andere Fahrer – Lando – neben mir auftauchte und mich beinahe von der Strecke drängte. Es war keine Übung, sondern eine rohe Machtdemonstration. Lando zwang mich, die Kontrolle zu behalten, inmitten eines Gefechts, das er ohne Vorwarnung begonnen hatte.

Ich biss die Zähne zusammen, ließ mich nicht einschüchtern. Mein ganzer Körper spannte sich an, und ich trat das Gaspedal durch, hielt mich an seiner Seite, kämpfte mich in jede Kurve, jede Beschleunigung. Es war ein Tanz an der Grenze der Geschwindigkeit, ein ungesagtes Duell, bei dem ich wusste, dass es ihm nicht nur um die Strecke ging. Er wollte mich testen, herausfordern, sehen, ob ich dem Druck gewachsen war oder ob ich unter der Last zerbrechen würde.

Endlich, nach einem erbarmungslosen Kopf-an-Kopf-Rennen, ließ er nach, ließ mich vorbeiziehen und zog sich mit einem leichten Grinsen auf den Lippen zurück. Mein Herz raste, die Hände zitterten am Lenkrad, und für einen Moment konnte ich nicht fassen, dass ich ihn standgehalten hatte. Die Boxengasse kam wieder in Sicht, und ich fuhr zurück, meine Gedanken ein Durcheinander aus Adrenalin und Wut. Kaum war ich ausgestiegen, kam Lando auf mich zu, ein Ausdruck kühler Amüsiertheit in seinen Augen.

"Nicht schlecht," sagte er, ohne jegliche Anzeichen von Respekt oder Reue. Seine Stimme war wie ein kühler, dunkler Schatten, der mich einhüllte und gleichzeitig abstoßend wirkte. "Aber wenn du wirklich mithalten willst, musst du dich noch steigern."

Ich ballte die Fäuste, zwang mich aber, ihm die Stirn zu bieten. "Was war das gerade? Eine Lektion in Arroganz?" fragte ich, meine Stimme ruhig, obwohl mein Inneres kochte.

Er zuckte nur mit den Schultern, als hätte ich ihn gebeten, mir das Wetter zu beschreiben. "Nur ein kleiner Test," erwiderte er gelassen. "Du willst hier sein, also solltest du auch damit klarkommen."

Es war, als hätte er keine Vorstellung davon, was seine Worte in mir auslösten. All die Dunkelheit, die ich versuchte, unter Kontrolle zu halten, kochte jetzt hoch. Doch anstatt die Kontrolle zu verlieren, zwang ich mich zu einem kalten, selbstsicheren Lächeln. "Mach dir keine Sorgen. Ich werde dir beweisen, dass ich nicht so leicht zu brechen bin."

In seinen Augen blitzte ein Funke auf, fast so, als hätte ich ihn herausgefordert. Er nickte langsam und musterte mich, als würde er meine Entschlossenheit messen. "Gut," sagte er leise, bevor er sich umdrehte und davon ging, ohne ein weiteres Wort.

Ich blieb alleine zurück und spürte, wie das Adrenalin langsam abklang. Meine Gedanken wirbelten, und ich fragte mich, was ihn antrieb, warum er diese Art von Machtspiel nötig hatte. Doch vielleicht hatte ich die Antwort längst gefunden – Lando war nicht anders als ich. Auch er kämpfte gegen etwas Dunkles, etwas, das er tief in sich verschlossen hielt. Nur dass er seine Unsicherheiten in Arroganz und Provokation hüllte, während ich meine unter einer Schicht aus Schweigen und Selbstschutz verbarg.

In den kommenden Tagen ging es genauso weiter. Lando schien mich zu beobachten, zu analysieren, als wollte er jede meiner Schwächen ergründen. Er ließ keine Gelegenheit aus, mir ein wenig Druck zu machen, sei es auf der Strecke oder in den kurzen Gesprächen, die wir manchmal in der Boxengasse führten. Er blieb distanziert, kalt, und doch war da eine merkwürdige Intensität in seinen Augen, die ich nicht ignorieren konnte. Es war, als wäre ich für ihn eine Art Rätsel, das er entschlüsseln wollte.

Eines Abends, nach einem langen Training, saß ich allein auf einer Bank am Rand der Strecke. Die Sonne ging gerade unter, und das Licht warf lange Schatten über den Asphalt. Die Dunkelheit umgab mich, und für einen Moment fühlte ich mich klein und verloren. In diesem Augenblick setzte sich jemand neben mich. Ich wandte den Kopf und sah zu meinem Erstaunen George Russell. Er war einer der anderen Fahrer, jemand, der im Gegensatz zu Lando eine gewisse Wärme und Offenheit ausstrahlte.

"Alles okay?" fragte er, seine Stimme leise und ernst. Es war eine simple Frage, doch die Art, wie er sie stellte, ließ mich erkennen, dass er es ernst meinte.

Ich zögerte, war mir unsicher, ob ich jemanden so nah an mich heranlassen wollte, doch irgendetwas an ihm gab mir das Gefühl, dass ich ihm vertrauen konnte. "Es ist... anstrengend," gab ich schließlich zu. "Jeden Tag ist es ein Kampf, gegen andere, gegen mich selbst."

George nickte verstehend. "Glaub mir, das geht uns allen so. Aber manche haben ihre ganz eigene Art, damit umzugehen." Er schien zu wissen, worauf ich hinauswollte, und ich spürte, wie eine Art von Verständnis zwischen uns entstand, ohne dass wir mehr sagen mussten.

Einige Minuten vergingen in Stille, bevor George wieder sprach. "Lando kann schwierig sein. Aber lass ihn dich nicht unterkriegen. Er hat seinen eigenen Ballast, genau wie du. Vielleicht mehr, als du denkst."

Ich nickte langsam, ohne eine Antwort darauf zu haben. Die Worte wirkten noch lange in mir nach, als ich schließlich aufstand und zurück ins Hauptgebäude ging. Lando und George – sie beide waren ein Teil dieser merkwürdigen Welt, in die ich eingetaucht war, ein Teil des neuen Lebens, das ich versuchte, aus der Dunkelheit heraus aufzubauen. Und vielleicht waren sie, jeder auf seine Weise, genau das, was ich brauchte, um meine eigenen Dämonen zu bekämpfen.

Gebrochene Flügel, rasende Herzen  //Lando Norris FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt