Kapitel 44

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Der Sommer begann, und das Leben in der Academy nahm eine langsamere Geschwindigkeit an. Die Sommerpause brachte eine willkommene Ruhe, die normalerweise Freude und Erleichterung gebracht hätte – doch dieses Jahr fühlte es sich anders an. Ich hatte das Gefühl, dass die Welt um mich herum heller und schneller war, während ich selbst noch in einem Nachhall meines Komas schwebte, zwischen der Realität und den Schatten, die ich aus meinem Traum mitgenommen hatte.

Lando schien es zu spüren. Seit ich aus dem Krankenhaus entlassen worden war, war er häufig in meiner Nähe geblieben. Es war, als ob er mich behutsam daran erinnern wollte, dass ich wirklich hier war und dass die Dunkelheit mich nicht wieder verschlingen konnte. Die Wärme und die Leichtigkeit, die er mitbrachte, waren wie Sonnenstrahlen, die den Nebel in mir durchdrangen.

Eines Tages, als wir gemeinsam im Café der Academy saßen und ich in mein Getränk starrte, schlug er plötzlich vor: „Sarah, komm doch mit mir nach Monaco für die Sommerpause."

Ich blinzelte überrascht und sah ihn an. „Nach Monaco?"

Er nickte, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. „Ja, genau. Raus aus hier, einfach eine Weile abschalten. Ich wohne direkt am Meer, die Sonne ist fantastisch, und ich glaube, es würde dir guttun."

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Der Gedanke an eine Sommerpause, weg von allem, was mich an die letzten Monate erinnerte, klang verlockend. Doch gleichzeitig fühlte ich eine leise Angst in mir aufsteigen. Ich war noch immer so verletzlich, als ob jeder Schritt ins Unbekannte mich wieder ins Wanken bringen könnte.

„Ich weiß nicht..." murmelte ich und senkte den Blick. „Es klingt schön, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich bereit bin."

Lando zog eine Augenbraue hoch und sah mich sanft an. „Warum nicht? Du verdienst es, Sarah. Es wäre nichts weiter als Sonne, Ruhe und vielleicht ein bisschen Spaß."

Ich lächelte schwach und spürte, wie die Zweifel an mir nagten. „Ich weiß, aber... was, wenn etwas passiert? Was, wenn ich diese Dunkelheit wieder spüre? Was, wenn..."

„Sarah," unterbrach er mich leise und legte eine Hand auf meine. „Monaco ist sicher. Und ich bin da. Und weißt du, wer sonst noch da ist? Charles."

Bei der Erwähnung meines Bruders wurde ich etwas ruhiger. Charles hatte mir nach dem Koma so viel Sicherheit gegeben, wie eine Festung, in die ich mich immer zurückziehen konnte. In Monaco wäre er in der Nähe, die ganze Familie wäre da, falls ich fiel, und Lando wusste das. Er wollte, dass ich mir diesen Schritt zutraue – dass ich das helle Leben draußen wieder sehen konnte.

An diesem Abend saß ich allein in meinem Zimmer und dachte über seine Worte nach. „So hell" spielte leise aus meinem Handy – der Song schien meine Gedanken in Musik zu übersetzen. Es war, als würde das Lied meine innere Stimme singen, die mich leise drängte, mich zu trauen, in die Sonne zu gehen, dorthin, wo das Licht vielleicht stark genug wäre, um die Dunkelheit endgültig zu vertreiben. Der Text erinnerte mich daran, dass das Leben voller strahlender Momente war, wenn ich mich nur traute, sie zu sehen.

Schließlich nahm ich mein Handy und schrieb Lando eine kurze Nachricht: „Ich komme mit."

Die Entscheidung war gefallen, und doch konnte ich es kaum glauben, dass ich mich wirklich dazu durchgerungen hatte, mit Lando nach Monaco zu fahren. Als ich ihm die Nachricht geschickt hatte, war mein Herzschlag gefühlt auf doppelte Geschwindigkeit beschleunigt, und ein Teil von mir wollte die Entscheidung sofort zurücknehmen. Doch als ich die Erleichterung in seinen Augen sah, als er meine Nachricht las, wusste ich, dass es die richtige Entscheidung war.

In den folgenden Tagen bereitete ich mich auf die Reise vor. Charles, der die Idee von Anfang an unterstützt hatte, half mir beim Packen und versicherte mir immer wieder, dass ich jederzeit zu ihm und zur Familie gehen könnte, falls ich es brauchte. Seine Nähe gab mir die Kraft, diesen Schritt wirklich zu wagen.

Als der Tag der Abreise kam, fühlte ich mich nervös und aufgeregt zugleich. Ich war bereit, aber auch unsicher, was mich erwartete. Lando holte mich am Flughafen ab, sein Lächeln war breit und voller Energie, als ob er nur darauf gewartet hatte, dass ich diesen Moment endlich zuließ. Er nahm meinen Koffer und sah mich an, seine Augen funkelten vor Vorfreude.

„Bereit?" fragte er, und ich nickte langsam.

„So bereit, wie ich nur sein kann," antwortete ich leise, und er zwinkerte mir zu, als ob er genau wüsste, was ich meinte.

Der Flug verging in einer Mischung aus kleinen Gesprächen und stillem Nachdenken. Lando schien zu spüren, dass ich noch immer mit den Schatten in mir kämpfte, aber er gab mir den Raum, den ich brauchte. Als wir in Monaco landeten, umfing uns sofort die warme, salzige Luft des Mittelmeers, und das erste Mal seit langem fühlte ich mich wirklich lebendig. Das sanfte Rauschen des Meeres, das Glitzern der Sonne auf dem Wasser – all das war so weit entfernt von der Dunkelheit, die mich in den letzten Monaten begleitet hatte.

Lando führte mich durch die engen, charmanten Straßen von Monaco, vorbei an Cafés und kleinen Boutiquen, bis wir seine Wohnung erreichten. Sie lag in der Nähe des Hafens, und die Aussicht von seinem Balkon war atemberaubend. Der Himmel war wolkenlos, und die Sonne stand hoch über dem glitzernden Wasser, das sich bis zum Horizont erstreckte. Für einen Moment ließ ich mich einfach fallen und sog die Schönheit dieses Augenblicks in mich auf.

„Willkommen in Monaco," sagte Lando und grinste. „Ab jetzt gibt es nur Sonne, Meer und Entspannung. Du bist hier, um alles hinter dir zu lassen."

Ich atmete tief durch und nickte. „Ja... das klingt perfekt."

Die nächsten Tage vergingen wie in einem Traum. Lando zeigte mir Monaco von seiner besten Seite – das Meer, die kleinen Buchten, die ruhigen Strände, die versteckten Cafés und das belebte Treiben auf den Straßen. Die Menschen um uns herum schienen voller Lebensfreude zu sein, als ob der Sommer selbst sie erleuchtet hätte. Mit jedem Sonnenstrahl, der meine Haut wärmte, fühlte ich, wie die Dunkelheit in mir ein wenig mehr schwand.

Eines Abends, als wir auf seinem Balkon saßen und das Glitzern der Lichter auf dem Wasser betrachteten, legte Lando seine Hand sanft auf meine. „Sarah, ich bin froh, dass du hier bist. Ich weiß, wie schwer es für dich war, das alles hinter dir zu lassen, aber du bist stärker als du denkst."

Ich sah ihn an, überrascht von seiner Offenheit. „Es ist noch nicht ganz weg," gab ich zu und fühlte, wie die vertraute Unsicherheit wieder in mir aufstieg. „Die Schatten... sie sind immer noch da. Aber... du hast recht. Hier fühlt es sich leichter an, sie zu vergessen."

Er nickte, sein Blick ernst und voller Mitgefühl. „Du musst die Schatten nicht ganz loswerden, Sarah. Manchmal reicht es schon, dass du stärker bist als sie."

Seine Worte drangen tief in mein Herz, und ich wusste, dass er recht hatte. Die Dunkelheit würde vielleicht immer ein Teil von mir bleiben, aber hier, in diesem Moment, fühlte ich mich stark genug, sie in Schach zu halten. Mit einem sanften Lächeln drückte ich seine Hand und sah auf das Meer hinaus.

Die nächsten Tage waren eine Zeit voller Leichtigkeit und Lachen. Wir verbrachten die Nachmittage am Strand, schwammen im kristallklaren Wasser und ließen uns in der Sonne treiben, ohne dass die Zeit eine Rolle spielte. Es war, als ob die Welt um uns stillstand und uns erlaubte, einfach zu sein – ohne Erwartungen, ohne Angst.

Und dann, eines Nachts, als die Sterne über Monaco funkelten und die Stadt in ein sanftes, goldenes Licht getaucht war, fühlte ich, wie die Dunkelheit endgültig zu verblassen begann. Lando und ich saßen wieder auf seinem Balkon, das leise Rauschen des Meeres begleitete unsere Gespräche, und ich spürte eine tiefe Ruhe in mir, wie ich sie lange nicht gefühlt hatte.

„Danke, dass du mich hierher gebracht hast, Lando," sagte ich leise und sah ihm in die Augen. „Ich glaube, das war genau das, was ich gebraucht habe."

Er lächelte, und seine Hand legte sich auf meine, seine Wärme durchströmte mich. „Sarah, du warst immer stark genug. Du musstest es nur wieder sehen."

In diesem Moment wusste ich, dass ich wirklich bereit war, nach vorn zu blicken.

Gebrochene Flügel, rasende Herzen  //Lando Norris FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt