Kapitel 10

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Landos POV

Die Entscheidung war gefallen. Ich würde Sarah zur Seite stehen, egal, wohin uns das führte. Die Academy war ein Ort voller Konkurrenz, ja, aber das hier ging weit darüber hinaus. Dies war eine klare, gezielte Bedrohung, und ich konnte sie nicht allein damit lassen. Der Gedanke, dass sie so unerschrocken war, faszinierte und besorgte mich zugleich. Es gab nur eine Richtung: nach vorne. Und ich würde sicherstellen, dass sie diesen Kampf nicht allein bestreiten musste.

Am nächsten Tag versuchte ich, so unauffällig wie möglich Informationen zu sammeln, mit einigen anderen Fahrern zu sprechen und ein Gefühl dafür zu bekommen, ob jemand mehr wusste. Doch jeder schien nur mit sich und seinem Training beschäftigt zu sein, als gäbe es keine Drohungen und keine Dunkelheit hinter diesen kühlen, perfekten Mauern. Während der Pausen beobachtete ich die Menschen um mich herum genau, hielt Ausschau nach Blicken, die länger als gewöhnlich auf Sarah ruhten, nach einem Ausdruck, der verriet, dass jemand wusste, was wir beide längst ahnten: dass wir uns in etwas Gefährliches verstrickt hatten.

Sarah schien sich der Sache genauso entschlossen wie ich anzunehmen. Als ich sie in der Boxengasse traf, fiel mir auf, dass sie etwas verändert wirkte. Ihr Blick war fokussierter, ihre Bewegungen selbstbewusster. Sie schien nicht mehr das Mädchen zu sein, das ich anfangs für verloren gehalten hatte, das mit einer unbestimmten Traurigkeit kämpfte. Nein, sie hatte sich gewandelt – wie eine Flamme, die neu entfacht wurde. Vielleicht war das der Funke, den sie brauchte, um sich selbst zu beweisen, dass sie stark genug war, um jede Herausforderung anzunehmen.

„Und? Hast du etwas herausgefunden?" fragte sie, als sie sich neben mich stellte. Ihre Stimme klang fest, als ob nichts sie aus der Ruhe bringen könnte.

Ich schüttelte den Kopf. „Bis jetzt noch nichts. Alle wirken unbeteiligt, als wüssten sie nichts von der Drohung."

Sie nickte, schien jedoch nicht überrascht. „Es ist wie ein Spiel. Jeder ist darauf bedacht, seine Karten dicht an der Brust zu halten."

In diesem Moment hörte ich Schritte hinter uns, und als ich mich umdrehte, stand George Russell vor uns. Er lächelte, aber in seinen Augen lag eine gewisse Ernsthaftigkeit, die ich nicht oft bei ihm gesehen hatte. Er war normalerweise der lockere Typ, der jeden im Raum aufhellen konnte, doch heute schien auch er von der düsteren Atmosphäre erfasst worden zu sein.

„Ihr seht so aus, als ob ihr Geheimnisse austauscht", sagte er beiläufig und musterte uns beide aufmerksam.

Ich zögerte, war mir nicht sicher, wie viel ich ihm erzählen sollte, doch Sarah trat einen Schritt vor. „George, hast du in letzter Zeit etwas Ungewöhnliches bemerkt? Irgendwelche Gerüchte über... Bedrohungen?" Ihre Stimme klang ruhig, doch ich erkannte die Vorsicht darin.

George schien einen Moment nachzudenken, und ein Schatten huschte über sein Gesicht. „Tatsächlich... ja. Es kursieren ein paar Gerüchte. Manche Fahrer sprechen von mysteriösen Nachrichten und Einschüchterungen. Ich dachte erst, das wären nur Geschichten, die die Konkurrenz aufheizen sollen, aber..." Er verstummte, und sein Blick wurde intensiver. „Warum fragt ihr?"

Sarah warf mir einen kurzen, entschlossenen Blick zu, bevor sie antwortete. „Jemand hat es auf mich abgesehen, George. Es gibt Drohungen... und jemand hat uns letzte Nacht verfolgt. Das war kein Zufall."

George runzelte die Stirn, und seine Augen verengten sich, als er die Informationen verarbeitete. „Das klingt nach mehr als nur Rivalität", murmelte er. „Ihr müsst aufpassen, mit wem ihr sprecht. Hier in der Academy gibt es Fahrer, die bereit sind, alles zu tun, um ihre Position zu sichern. Für manche ist das hier nicht nur ein Wettkampf – es ist ihr Leben, ihre Existenz. Und ein Neuling, der die Regeln nicht kennt..."

Er ließ den Satz in der Luft hängen, doch die Bedeutung war klar. Sarah hatte durch ihre bloße Anwesenheit eine Kettenreaktion ausgelöst, eine Bedrohung für diejenigen geschaffen, die Angst hatten, sie könnte ihnen ihre Position streitig machen.

„Weißt du, wer dazu fähig wäre?", fragte ich leise.

George sah uns an, und seine Miene wurde noch ernster. „Es gibt einige, die sich für unantastbar halten. Ein paar Fahrer, die glauben, dass sie das Recht haben, jeden zu beseitigen, der ihnen gefährlich werden könnte. Ich weiß von einem Fahrer, der... nun ja, der keine Grenzen kennt, wenn es um seine Karriere geht."

„Wer?", fragte Sarah sofort, die Augen funkelnd vor Entschlossenheit.

George zögerte, als ob er überlegen würde, ob er uns die Wahrheit sagen sollte. Doch schließlich atmete er tief durch. „Eric Beaumont. Er ist zwar noch nicht lange hier, aber er hat seine Spuren hinterlassen. Es gibt Gerüchte, dass er bereit war, andere Fahrer zu sabotieren, nur um seine Position zu sichern. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass er hinter den Drohungen steckt, aber... er wäre jemand, den ich im Auge behalten würde."

Der Name hallte in meinem Kopf wider. Eric. Ich hatte ihn ein paar Mal gesehen – ein stiller, kalkulierender Typ, der mit niemandem viel sprach, außer wenn es ihm nützte. Er war ein hervorragender Fahrer, ja, aber es hatte immer etwas Unheimliches an ihm gehaftet. Er schien die Academy mehr als eine Bühne für sich selbst zu sehen, als einen Ort, an dem Gleichgesinnte zusammenkamen, um sich zu beweisen.

„Was machen wir jetzt?", fragte Sarah und sah erst mich und dann George an.

Ich überlegte einen Moment und spürte, wie sich in mir ein Plan formte, etwas, das vielleicht gefährlich war, aber der einzige Weg, um herauszufinden, wer uns im Nacken saß. „Wir müssen ihn zur Rede stellen. Wenn er wirklich dahintersteckt, wird er vielleicht versuchen, sich zu verteidigen. Und wenn wir ihn konfrontieren, wird er es nicht erwarten."

George nickte langsam. „Das ist riskant, Lando. Aber ich verstehe deinen Ansatz. Seid nur vorsichtig – Eric ist nicht der Typ, der leicht aufgibt."

An diesem Abend beschlossen Sarah und ich, den direkten Weg zu gehen. Es war fast Mitternacht, als wir uns in die hinteren Gänge der Academy schlichen, dorthin, wo Erics Zimmer lag. Die Dunkelheit um uns herum verstärkte die Spannung in der Luft, und ich spürte Sarahs leise Anspannung neben mir. Auch ich spürte den Druck, aber ich wusste, dass es keinen anderen Weg gab. Wenn wir Antworten wollten, mussten wir das Risiko eingehen.

Als wir sein Zimmer erreichten, war alles still. Ich klopfte leise, doch es kam keine Antwort. Ich tauschte einen kurzen Blick mit Sarah, und sie nickte – ein unausgesprochenes Einverständnis, dass wir es durchziehen würden. Ich drückte die Türklinke herunter, und zu unserer Überraschung ließ sie sich öffnen.

Wir betraten den Raum, und ich suchte im Dunkeln nach einem Lichtschalter. Das Zimmer war leer, doch es war voller persönlicher Gegenstände, die einen merkwürdigen Einblick in Erics Leben boten. Überall lagen Notizen, Fotos von Rennstrecken, Zeitungsausschnitte über vergangene Erfolge – und auf seinem Schreibtisch ein einzelnes, auffälliges Foto von einem Wagen, der in Flammen aufging.

Ich spürte, wie sich mir die Kehle zuschnürte, und Sarah trat vorsichtig näher, ihr Blick auf das Foto geheftet. Die Szene war schockierend – ein Unfall, der augenscheinlich nicht nur das Ende eines Rennens, sondern das Ende eines Fahrers bedeutet hatte. Mir fiel die Verbindung auf: Eric hatte sich von nichts und niemandem aufhalten lassen, und nun drohte er, dasselbe mit Sarah zu tun, wenn sie nicht verschwand.

„Das muss der Beweis sein", flüsterte Sarah, ihre Stimme angespannt. „Er ist derjenige. Er wollte, dass ich die Academy verlasse, und wenn ich das nicht tue..."

Plötzlich hörten wir Schritte auf dem Gang, die sich schnell näherten. Eric. Mein Herz setzte einen Schlag aus, und ich sah mich nach einem Versteck um, doch es gab keins. Wir waren in die Falle gegangen, und jetzt mussten wir einen Weg finden, da wieder rauszukommen.

Die Tür öffnete sich, und Erics Schatten fiel in den Raum, seine Silhouette bedrohlich gegen das Licht des Flurs. Seine Augen weiteten sich, als er uns sah, und für einen Moment war alles still – wie das letzte Innehalten vor einer Explosion.

„Was zum Teufel tut ihr hier?", fragte er mit einer Stimme, die vor Kälte troff.

Ich spürte Sarahs Hand auf meinem Arm, doch ich trat einen Schritt nach vorne. „Wir wissen, was du versuchst, Eric. Wir wissen, dass du die Drohungen geschickt hast, dass du versuchst, Sarah loszuwerden."

Er lachte nur leise, ein dunkles, gefährliches Lachen.

Gebrochene Flügel, rasende Herzen  //Lando Norris FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt