Kapitel 23

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Ich starrte auf die Staubwolke, die Charles' Wagen umhüllte, und mein Herz raste vor Panik. Die Welt schien sich plötzlich zu verlangsamen, und ich fühlte mich gefangen zwischen der Strecke vor mir und dem Bild meines Bruders, der in diesem Moment in Gefahr war. Ein Teil von mir wollte sofort das Lenkrad herumreißen, zurückfahren, um sicherzugehen, dass er in Sicherheit war. Doch die Strecke war zu schmal, die Geschwindigkeit zu hoch, und die anderen Fahrer drängten hinter mir.

„Charles!" schrie ich, meine Stimme klang rau durch das Funkgerät. „Antworte mir! Geht es dir gut?"

Sekunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, vergingen, bevor ich seine Stimme hörte. Sie war leise, und ich konnte die Anstrengung darin spüren. „Ich... ich bin okay, Sarah. Ich habe die Kontrolle verloren, aber ich schaffe es. Fahr weiter."

Seine Worte beruhigten mich nur ein wenig. Es ging ihm offensichtlich nicht gut, doch er war am Leben, und das war alles, was in diesem Moment zählte. Ich zwang mich, den Blick nach vorn zu richten, die Kontrolle über meinen Wagen zu behalten und weiterzufahren. Doch mein Kopf war immer noch bei Charles, und ich wusste, dass ich die restliche Strecke mit der ständigen Sorge um ihn zurücklegen würde.

Die Strecke war gnadenlos. Die Sonne brannte auf den Asphalt, und der Kurs schien mit jeder Runde anspruchsvoller zu werden. Ich spürte, wie der Druck auf mich wuchs, das Adrenalin in meinen Adern pulsierte, doch meine Gedanken blieben immer wieder bei Charles. Seine Stimme, erschöpft und angespannt, hallte in mir nach.

Während ich weiterfuhr, bemerkte ich, dass die anderen Fahrer ihre Strategien änderten. Manche wurden vorsichtiger, zogen sich ein wenig zurück, während andere, wie Max, noch aggressiver wurden. Es war, als ob die Gefahr, die über dieser Strecke lag, jeden von uns anders beeinflusste – als ob einige von uns spürten, dass dies nicht nur ein Wettkampf, sondern auch ein Test unserer Belastbarkeit war.

In der nächsten Kurve sah ich, wie Max an mir vorbeizog, sein Wagen dicht an meinem, beinahe riskant nah. Sein Blick war fokussiert, kalt und berechnend, und ich wusste, dass für ihn nur der Sieg zählte, egal zu welchem Preis. Es war die Art von Ehrgeiz, die ich bewunderte und gleichzeitig fürchtete – die Bereitschaft, alles zu riskieren, ohne Rücksicht auf Verluste.

Die nächsten Minuten waren ein ständiges Ringen um die Führung. Max und ich wechselten uns ab, jeder versuchte, den anderen zu überholen, ohne einen Fehler zu machen. Doch mein Fokus wurde immer wieder durch die Sorge um Charles unterbrochen, und ich spürte, wie die Erschöpfung in mir aufzusteigen begann. Mein Körper schrie nach einer Pause, doch ich konnte es mir nicht leisten, jetzt aufzugeben.

Plötzlich hörte ich ein seltsames Geräusch aus meinem Wagen. Ein leises, metallisches Klappern, das mit jeder Kurve lauter wurde. Mein Herzschlag beschleunigte sich, und Panik stieg in mir auf. Ich wusste, dass etwas nicht stimmte, dass ich Gefahr lief, die Kontrolle zu verlieren, wenn ich weiterfahren würde.

„Sarah, dein Wagen zeigt Fehlermeldungen," hörte ich die Stimme des Technikers durch das Funkgerät. „Du musst abbremsen und die nächste Runde in die Box kommen."

Ich biss die Zähne zusammen, unfähig zu glauben, dass das ausgerechnet jetzt passierte. Ich war so nah dran, diesen Test zu bestehen, so nah daran, zu beweisen, dass ich zu den Besten gehörte. Doch das Geräusch wurde lauter, und ich wusste, dass ich keine Wahl hatte. Mit einem Gefühl der Niederlage nahm ich das Tempo heraus und setzte den Blinker, um mich in die Boxengasse zurückzuziehen.

Als ich in die Boxengasse rollte, sah ich, dass Charles dort stand, seinen Helm unter dem Arm, sein Gesicht von Schweiß und Staub gezeichnet. Seine Augen waren weit aufgerissen vor Sorge, und als ich den Wagen zum Stehen brachte, war er sofort bei mir.

„Sarah! Bist du okay?" fragte er, seine Stimme zitterte vor Aufregung und Erleichterung.

Ich nickte, obwohl mein Herz schmerzte vor Enttäuschung. „Ja, es... es ist nur der Wagen. Irgendwas stimmt nicht."

Charles atmete tief durch und legte seine Hand auf meine Schulter. „Du hast gut gekämpft. Wirklich. Manchmal ist es klüger, sich zurückzuziehen, als alles aufs Spiel zu setzen."

Ich sah ihn an, seine Worte versuchten, den Knoten in mir zu lösen, doch ich fühlte mich dennoch wie eine Versagerin. „Ich wollte so sehr beweisen, dass ich es schaffen kann, Charles. Dass ich wirklich hierhergehöre."

Er kniete sich zu mir herunter und sah mich ernst an. „Sarah, du hast nichts zu beweisen. Nicht mir und nicht der Academy. Du hast das Herz und die Entschlossenheit, und das ist es, was wirklich zählt. Und was heute passiert ist... das bedeutet nicht, dass du gescheitert bist. Es zeigt nur, dass du bereit bist, die klugen Entscheidungen zu treffen."

Seine Worte waren ein Trost, doch die Enttäuschung blieb. Ich spürte, dass dieser Tag, dieser Test, mehr als nur ein Rennen war. Es war ein Moment der Wahrheit, ein Moment, in dem ich erfahren hatte, wie weit ich bereit war zu gehen, und wie viel ich wirklich riskieren würde. Ich wusste, dass ich an meine Grenzen gestoßen war, aber ich wusste auch, dass es noch mehr zu lernen gab – über mich selbst und über die Entscheidungen, die ich in dieser Welt des Rennsports treffen musste.

Plötzlich hörten wir das vertraute Dröhnen eines Wagens, das sich der Boxengasse näherte. Es war Max, der zurückkehrte, sein Wagen war von Staub bedeckt, und sein Blick wirkte erschöpft, aber auch triumphierend. Er war bis zum Ende gefahren, hatte das Rennen bis zum Schluss durchgehalten, und ich spürte den Hauch von Neid in mir aufsteigen.

Max stieg aus dem Wagen und kam auf uns zu, sein Blick streifte Charles und mich, bevor er stehen blieb. Ein selbstgefälliges Grinsen huschte über sein Gesicht. „Ein harter Tag, was? Nicht jeder hat das Zeug dazu, bis zum Schluss durchzuhalten."

Seine Worte brannten, und ich spürte, wie sich die Wut in mir regte. Doch Charles legte eine Hand auf meinen Arm und hielt mich zurück. „Es geht nicht nur ums Durchhalten, Max," sagte er ruhig, seine Stimme fest. „Es geht auch darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen."

Max zuckte nur mit den Schultern, sein Grinsen wich keinem Zentimeter. „Das mag für euch stimmen. Aber für mich zählt nur, wer als Sieger über die Ziellinie fährt. Und ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand mir das streitig macht."

Er drehte sich um und ging, ließ uns in der Boxengasse zurück. Ich sah ihm nach, meine Wut gemischt mit Entschlossenheit, und wusste, dass dies nur der Anfang war. Ich würde meine Chance bekommen – und wenn es so weit war, würde ich bereit sein.

Charles und ich gingen gemeinsam zurück, und ich spürte seine Unterstützung, seine unausgesprochene Zusage, dass wir das zusammen durchstehen würden. Doch in mir schwelte das Feuer, die Entschlossenheit, nicht nur Max, sondern auch mir selbst zu beweisen, dass ich alles hatte, was nötig war, um an der Spitze zu stehen.

Gebrochene Flügel, rasende Herzen  //Lando Norris FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt