Kapitel 36

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Die Tage nach dieser Nacht waren eine einzige Qual. Die Dunkelheit hatte sich wieder fest in meinem Geist verankert, und ich wusste nicht mehr, was echt und was nur eine Illusion war. Der Gedanke an die Silhouette am Ende des Flurs, das Armband, das plötzlich wieder aufgetaucht war – es fühlte sich an, als ob jemand mit mir spielte, als ob ich eine Marionette in einem grausamen Spiel war. Ich war gefangen in einem Albtraum, und jeder Versuch, herauszukommen, brachte mich nur tiefer hinein.

George war in den letzten Tagen an meiner Seite geblieben, doch ich konnte sehen, dass auch er langsam die Geduld verlor. Seine Gesichtszüge, sonst sanft und verständnisvoll, wirkten hart und angespannt. Er sprach kaum noch mit mir und beobachtete mich oft nur stumm, als ob er nach einer Erklärung suchte, die ich ihm nicht geben konnte.

Eines Abends, als ich wieder in den Fluren der Academy umherirrte, traf ich auf George. Sein Blick war müde, sein Gesicht angespannt, und ich konnte die Frustration in seinen Augen sehen.

„Sarah," begann er, und seine Stimme war leise, aber scharf. „Das hier... das kann so nicht weitergehen."

Ich spürte, wie mein Herz schneller schlug. „George, bitte. Du musst mir glauben. Da ist... da ist jemand, der mich verfolgt. Ich weiß, dass es verrückt klingt, aber das Armband, die Schatten – ich kann das nicht erfinden!"

Er seufzte tief, und ich konnte sehen, wie er sich beherrschen musste, um nicht lauter zu werden. „Sarah, es klingt nicht nur verrückt. Es ist verrückt. Du siehst überall Gespenster und jagst nach Dingen, die nur in deinem Kopf existieren. Ich habe alles versucht, um für dich da zu sein, aber langsam weiß ich nicht mehr, ob du das wirklich schätzt."

Seine Worte trafen mich wie ein Schlag. Ich konnte kaum glauben, was er da sagte. George war der Einzige gewesen, der an meiner Seite geblieben war, und nun... nun schien er mich aufzugeben.

„George... ich habe nie gewollt, dass du dich so fühlst," flüsterte ich und spürte, wie Tränen in meine Augen traten. „Aber ich... ich weiß nicht mehr, wem ich vertrauen kann. Alles fühlt sich an wie ein Albtraum, und ich habe Angst, dass ich nicht mehr herausfinde."

Er schüttelte den Kopf, und ich sah das Mitleid in seinen Augen verschwinden, ersetzt durch kalte Entschlossenheit. „Weißt du was, Sarah? Vielleicht bist du der Albtraum. Vielleicht ziehst du die Menschen um dich herum in diesen Abgrund, weil du dich nicht entscheiden kannst, ob du gerettet werden willst oder nicht."

Seine Worte schmerzten, doch ein Teil von mir wusste, dass er recht hatte. Ich war gefangen in meiner eigenen Dunkelheit, unfähig, loszulassen oder nach vorne zu sehen. Doch die Wut und die Enttäuschung in seiner Stimme ließen einen Funken Zorn in mir auflodern.

„Du verstehst es nicht, George!" schrie ich, meine Stimme zitterte vor unterdrücktem Schmerz. „Du hast keine Ahnung, wie es ist, sich so verloren zu fühlen, als ob du in einem Labyrinth gefangen wärst und keinen Ausgang findest. Alles, was du siehst, ist die Oberfläche. Aber du weißt nichts von dem, was darunter liegt."

Er trat einen Schritt zurück, seine Hände zu Fäusten geballt. „Weißt du was, Sarah? Ich habe versucht, es zu verstehen. Ich habe versucht, dir zu helfen, mich für dich aufzuopfern. Aber vielleicht ist das genau das Problem. Vielleicht willst du gar keine Hilfe. Vielleicht willst du, dass wir alle dich ansehen, als ob du ein Rätsel wärst, das keiner lösen kann."

Sein Blick war hart und voller Enttäuschung, und ich spürte, wie mir die Worte im Hals steckenblieben. Es fühlte sich an, als ob etwas in mir zerbrach – als ob die letzte Brücke, die mich noch mit der Welt verband, in sich zusammenfiel.

„Du weißt nicht, was du da sagst," flüsterte ich und spürte, wie sich die Dunkelheit um mich herum zusammenzog. „Ich bin nicht das Problem, George. Es gibt jemanden, der mich manipuliert, der alles tut, um mich in den Wahnsinn zu treiben."

Er lachte leise, ein bitteres, kaltes Lachen. „Und das glaubst du wirklich? Dass es irgendeine Gestalt gibt, die in deinem Leben herumspukt und dir das Leben schwer macht? Sarah, das ist dein Kopf, dein Geist, der dir diesen Albtraum beschert. Und bis du das verstehst, werde ich nicht mehr für dich da sein."

Seine Worte hallten durch die Stille des Flurs, und dann drehte er sich um und ging. Ich stand da, unfähig, mich zu bewegen, während die Welt um mich herum verblasste. George, mein einziger Halt, mein Freund, der immer an meiner Seite gewesen war – er hatte mich verlassen.

In der nächsten Nacht konnte ich kaum schlafen. Die Dunkelheit fühlte sich nun noch dichter an, und die Stimmen waren wieder da, lauter und klarer als je zuvor. Sie lachten leise, hämisch, als ob sie meinen Zusammenbruch genossen.

„Du bist allein, Sarah," flüsterte eine Stimme dicht an meinem Ohr, und ich zuckte zusammen, während ich panisch in die Dunkelheit starrte. „Niemand glaubt dir. Niemand wird dich retten."

Ich schloss die Augen und legte die Hände an meine Ohren, doch die Stimme wurde nur lauter, und das kalte, spöttische Lachen hallte in meinem Kopf wider.

Dann, inmitten dieses Chaos, fühlte ich plötzlich etwas Kaltes auf meiner Haut. Vorsichtig öffnete ich die Augen und sah hinunter – das Armband. Es lag wieder da, fest um mein Handgelenk geschlungen, obwohl ich schwor, es am Tag zuvor in die Ecke geworfen zu haben.

Panik überkam mich, mein Herz raste, und ich spürte, wie sich die Dunkelheit wie eine Klaue um mein Herz legte. Das Armband, das Lachen, die Stimmen – es fühlte sich an, als würde ich den Verstand verlieren. Oder als würde jemand ein Spiel mit mir spielen, ein Spiel, bei dem ich die einzige Spielfigur war.

Mit bebenden Händen nahm ich das Armband ab und warf es weg, doch in dem Moment, als es auf den Boden fiel, hörte ich ein Geräusch. Ein leises Klicken, als ob eine Tür geöffnet worden wäre. Vorsichtig sah ich mich um und entdeckte, dass die Tür zu meinem Zimmer einen Spalt weit offenstand.

Mein Atem stockte, und ich trat langsam näher. „Hallo?" flüsterte ich, doch niemand antwortete.

Langsam öffnete ich die Tür, und der Flur vor mir lag in gespenstischer Stille. Doch am anderen Ende sah ich etwas – ein Zettel, der an die Wand gepinnt war. Zittrig ging ich näher und erkannte die Worte, die darauf standen:

„Du hast keine Kontrolle, Sarah. Und bald wirst du alles verlieren."

Ich spürte, wie sich mein Herz zusammenzog, und die Dunkelheit in mir lachte leise, triumphierend.

Gebrochene Flügel, rasende Herzen  //Lando Norris FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt