Part 21 ~ meine Geschichte

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Die Tage vergingen viel zu schnell. Übermorgen fing die Schule an. Jede einzelne Sekunde am Tag versuchte ich krampfhaft an etwas anderes zu denken. Wie sollte ich es schaffen mit Andrew, Brad und Zoey in einer Klasse? Und was war mit den restlichen Footballidioten? Peter und Co hingen auch in den Pause die ganze Zeit bei Andrew ab. Mir wurde schlecht. Hätte ich Anna nicht, würde ich vermutlich einfach resignierend die Schule wechseln.
Dazu kam auch noch, dass Jey gesagt hatte, dass er nicht auf die Lakes Highschool ging, sondern auf die Saint Claires. Na super.

>Hast du Zeit?< tippte ich in mein Handy. Fünf Minuten später antwortete er.
>für meine Süße immer 😏<
>Bin in fünf Minuten bei dir, du Blödmann :P<
Ich sprang unter die Dusche und machte mich frisch. Kurz noch ein neues Shirt angezogen. Der blaue Fleck auf meinem Bauch war inzwischen dunkelviolett. Nettes Andenken an Andrew.
"Mum, ich bin bei Jeydon. Komme erst gegen Abend nach Hause.", rief ich ihr in die Küche entgegen.
"Na gut Schatzi, sag Jeydon liebe Grüße von mir. Am Abend gehen dein Dad und ich übrigens essen. Wir sind sicher nicht vor halb elf zu Hause.", antwortete sie.
"Okay mach ich. Viel Spaß beim Essen."

Als ich bei Jeys Haus ankam wunderte ich mich, dass Steff bei so einem schönen Wetter nicht im Garten war. Auch die Wagen seiner Eltern waren nicht da. Nur sein Geländewagen stand in der Auffahrt. Ich klingelte. Schwere Schritte näherten sich der Tür. Als sie aufging, stockte mir der Atem. Jey stand da, lässig die Hände in den Hosentaschen. Ohne Shirt. Wow. Ich räusperte mich und blickte ihm ins Gesicht. Er schmunzelte ein wenig und ich fragte mich, wie lange ich diesen perfekt trainierten Oberkörper angestarrt hatte. Naja egal. "Hey", sagte ich und lächelte.
"Hi Süße, meine Eltern und Steff sind bei Bekannten. Ich hatte keine Lust mitzugehen also sind wir alleine."
Mit einer Armbewegung deutete er mir, ins Haus zu kommen.

"Hast du Lust etwas Musik zu hören?", fragte er und drehte die Stereoanlage in seinem Zimmer auf. Inzwischen hatte er sich ein Shirt übergezogen. Leider. "Ja hab ich"
Ich stellte sie wieder ab. Fragend sah er mich an. Lächelnd deutete ich auf seine Gitarre, die in der rechten Ecke des Zimmers an der Wand lehnte. "Dafür musst du schon etwas tun, Süße."
"Ich bin Kathleen und nicht deine Süße!", sagte ich und verzog die Lippen. Er grinste nur schief. "Was muss ich dafür tun?", fragte ich und sah ihm in die intensiv blauen Augen.
"Erzähl mir warum du damals in den Wald gerannt bist. Ich wette, dieser blonde Schwachkopf hat etwas damit zu tun."
Ich musste schlucken.

Den Blick wendete ich ab und musterte den Boden. "Jey bitte.. Ich will nicht.", piepste ich. Mittlerweile war er zwar zu einem sehr guten Freund geworden, aber sollte ich ihm das wirklich erzählen? Was würde er tun? Wenn er Andrew zusammenschlagen würde, was ich ihm wirklich zutraute, bekäme er es mit dem ganzen Footballteam zu tun und das würde nicht gut ausgehen. Meine Augen wurden feucht.
Er nahm mein Kinn in seine Hand und drehte meinen Kopf in seine Richtung. Sein Blick war so.... Auffordern. Als ich nichts mehr sagte, stand er einfach auf. Jeydon holte seine Gitarre und setzte sich wieder mir gegenüber im Schneidersitz aufs Bett. Zärtlich streichelte er die Seiten. Eine wunderschöne Melodie. Schöner als das meiste, dass ich bis jetzt gehört habe. "Wie schön.", flüsterte ich.
Er sah mir kurz in die Augen. "Hab ich selbst geschrieben. Mein Song sozusagen.", sagte er in einem Tonfall, der mein Herz höher schlagen ließ. Begeistert hörte ich weiter zu. Als er fertig war, lehnte er die Gitarre lächelnd ans breite Bett. Er liebte Musik, so wie ich die Kunst. Ich bewunderte ihn für seine Gabe.

"So, Süße. Ich hab Hunger. Du könntest mir ein Sandwich machen."
Ich nahm ein Kissen und warf es ihm ins Gesicht. "Erstens heiße ich Kat, und zweitens, ich bin nicht deine Köchin!", fauchte ich wütend aber auch etwas belustigt.
Amüsiert hob er das Kissen auf und verengte die Augen zu Schlitzen. Mit einem schiefen Grinsen auf den vollen Lippen sagte er:"Ganz schlechte Idee, Süße" Das Kissen landete in meinem Gesicht. "Boah, du Arsch!", lachte ich und startete eine Kissenschlacht. Die weichen Pölster flogen durch die Luft.

Als ich mich nach oben streckte, um ein Kissen aufzufangen, schob sich mein Shirt nach oben.
"Ach du scheiße, Kat, was hast du denn da gemacht?"
"Nichts.", sagte ich ausdruckslos und zog mein Shirt so tief runter wie es ging. "Nichts.", sagte er ruhig und lachte spöttisch. Ich stand auf und stellte mich ans Fenster. Die Sonne war schon halb untergegangen. Mit einer Hand rieb ich meinen Oberarm, obwohl mir nicht kalt war. Jeydon näherte sich von hinten und legte mir eine Hand auf die Schulter. Mit der anderen zog er mein Shirt ein wenig hoch. "Du nennst das 'nichts'?", flüsterte er mir ins Ohr. Eine Träne kullerte mir die Wange hinunter. Ich musste schlucken und drehte mich zu ihm um. Jey nahm mich einfach nur in den Arm. Wir setzten uns auf sein Bett. "Das war der Typ von letztens, oder?", fragte er mit tiefer, gefährlicher Stimme.
Ich nickte "Andrew".
"Den mach ich fertig!", sagte er und sein Blick war bohrend. "Nein bitte, nein.", flehte ich ihn mit feuchten Augen an.
"Kathleen, er kann dich nicht einfach schlagen. Dafür hat er eine Lektion verdient!", sagte er wütend und stand auf. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Meine Atmung wurde unregelmäßig. "Ich erzähl dir alles, okay? Aber du musst mir versprechen, dass du nichts Dummes machst. Bitte Jeydon. Bitte."
"Erzähls mir, Süße", flüsterte er und setzte sich neben mich.

Ich biss mir auf die Lippe. "Andrew und ich waren beste Freunde. Haben alles zusammen gemacht... Er war derjenige, dem ich alles anvertraute, dem ich mich öffnete. Neben Anna gab es keine Person, der ich mehr vertraute als ihm. Dann kam Peter und nahm ihn ins Footballteam auf. In seiner neuen Gang musste er sich beweisen und als Zoey behauptete, ich hätte gesagt, ich würde mich für ihn schämen, hatte Peter ihm gesagt, ich hätte eine Lektion verdient. Andrew hat mich zusammengeschlagen." Die Tränen liefen mir über die Wangen, doch mein Blick blieb ausdruckslos. Jeydon sah mich einfach nur an. Seine Schultern und Arme waren komplett angespannt. "Kat, das kannst du nicht mit dir machen lassen.", sagte er entschlossen.
"Was sollte ich machen, Jeydon? Ich war ihm und seinen Kumpels hilflos ausgeliefert. Die Polizei konnte nichts unternehmen. Alle seine Freunde sagte für ihn aus und sonst gab es keine Zeugen."
"Kat, ich..."
"Du machst garnichts!", unterbrach ich ihn aufgeregt. "Peter und Andrew und der Rest des Footballteams... Das sind zu viele... Ich will nicht dafür verantwortlich sein wenn..."
"Ich bin kein kleiner Junge", sagte er und atmete scharf ein.
"Jeydon bitte..."
Er hörte auf zu sprechen und sah mir nur in die Augen. Sein Blick hielt mich fest. Ich wollte nicht weitersprechen, nur in diese Augen blicken. Für immer.

Ich riss mich zusammen und sprach weiter.
"Er wusste genau, dass Zoeys Gerücht gelogen war. Das einzige, das er wollte, war den Respekt von Peter und Co. Dann kreuzte er bei mir zu Hause auf. Er hat gesagt, dass.... dass ich ihm immer schon egal war.... Dass er mich nur brauchte, weil er keinen anderen hatte und dass er froh wäre, mich loszusein. Ich hab ihm klar Text gesagt, was ich von ihm halte und..."
Ich weinte. "Dann hat er mich geschlagen und einfach liegen gelassen. Ich hab niemandem etwas erzählt, nicht einmal Mum. Sie macht sich schon genug Sorgen.", sagte ich heißer. Jeydon legte mir einen Arm um die Schultern und ich drückte meinen Kopf sanft an seine Brust. "Was.... Was letztens mit Steff passiert ist.... Wenn du nicht gekommen wärst, ich weiß nicht was ich getan hätte...", schluchzte ich. "Kat, ich hab dir gesagt, ich werde immer da sein. Ich lass nicht zu, dass dir jemand weh tut. Wenn der dir noch ein Mal zu nahe kommt, mach ich ihn fertig.", sagte er mit ruhiger, entschlossener Stimme. "Nein Jeydon, ich will nicht, dass dir etwas passiert.", wisperte ich und biss mir auf die Lippe um nicht schon wieder laut loszuweinen.
Er drückte mich fester an sich und legte sein Kinn auf meinen Kopf. Bei ihm fühlte ich mich sicher. Das einzige, dass ich wollte, war, dass er mich nie wieder los ließ, dass er mir etwas vorspielte, dass ich in wunderschöne, blaue Augen sehen konnte. Nur das wollte ich. Sonst nichts.

running in the rainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt