Part 34 ~ Hass

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"Ich schneid mir jetzt die Haare ab, dann färb ich sie schwarz und mach mir ein Tattoo", sagte ich halb heulend, halb Eis essend. Anna machte die dritte Familienpackung Schokoladeneis auf.
"Ja klar, du Punktusse. Und was soll das bringen?", fragte Anna und schob sich das Eis in den Mund.
"Was soll das bringen nänänä", äffte ich sie bitter nach.
"Dann muss ich im Spiegel nicht mehr das dumme Etwas anschauen, das seine große Liebe verscheucht hat"
Ich klang irgendwie wie eine verbitterte, alte Frau.
"Das wird schon wieder", versuchte Anna mich zu trösten und tätschelte meinen Kopf.
"Ja, wenn ich erst einmal die Punkschlampe bin"
"Kaaaaat!"
"Und dann mach ich mir einen Sidecut. Und Snakebites", sagte ich kalt.
"Und ein Intimpiercing, schon klar", sagte Anna und zwinkerte mir zu. Ich zog eine Grimasse.
"Boah ihh!"
Sie lachte nur. Mir war garnicht nach Lachen zumute. Alle zwanzig Sekunden starrte ich auf mein Handy und wartete, das er sich meldete.
Nichts.
"Den bin ich los", sagte ich und schluchzte.
"Ach komm schon Kat, alles wird wieder gut"
"Hne", seufzte ich, das würde nie wieder gut werden. Ich hatte ihm klar und deutlich gesagt, dass er nichts in meinem Leben verloren hatte. Sei stolz Kat.
"Willst du einen Horrorfilm sehen? Oder ins Kino? Oder willst du.."
"Können wir einfach nur schlafen?"
Anna nickte bedächtig und sie wirkte traurig. Ich glaube, sie wusste, das es mir mies ging. Und zwar richtig und endgültig.
Ich weinte mich in den Schlaf, versuchte aber keine Geräusche zu machen, damit Anna es nicht bemerkte. Funktionierte nicht, denn irgendwann kuschelte sie sich zu mir und musste auch weinen. Und so schliefen wir ein.

Die nächsten zehn Tage hatte ich zwei Mal die Schule geschwänzt und auf "krank" gemacht. Eigentlich lag ich immer nur heulend im Bett und dachte an Jey und wie ich ihn angeschrien hatte.
Heute lies mich Mum wieder zu Hause bleiben, ich sagte, mir wäre schlecht.
If I had just one more chance, I would tell you how much I miss you since you've been away. Der Songtext von 'Hurt' hallte in meinem Kopf und trieb mir bittere Tränen in die Augen.
Alles ist meine Schuld. Du hast ihn verletzt Kat! Du! Er hasst dich! Ich hasse dich!
Meine Gedanken brachten mich dazu, zur Toilette zu laufen und mich zu übergeben. Angewidert wischte ich mir über den Mund.
Dann fing ich an zu Heulen, Gott, wie ich heulte.
Schnell rief ich Anna an. Sie musste schon zu Hause sein, es war kurz nach Zwei.
"Hallo?"
"Anna ich hasse mich", weinte ich laut ins Telefon.
"Kat, hör auf! Alles wird gut okay? Alles ich versprechs!"
Nichts wird gut.
"Ich hab mich übergeben"
"Kathleen....", flüsterte sie.
"Ich hasse mich so sehr", sagte ich und war kaum lauter als sie.
Stille.
"Kat, du bist meine beste Freundin. Ich hab dich lieb. Bitte denk nicht so schlecht von dir, du hast im Affekt gehandelt"
"Ich weiß, aber das macht es nicht wieder gut", wisperte ich.
"Komm, Kopf hoch. Wenn er dich wirklich liebt, wird er dir verzeihen."

Ja ich hoffte sehr, dass sie recht hatte. Inzwischen waren knappe zwei Wochen vergangen, ohne jeden Kontakt. Solchen Schmerz hatte ich selten Gefühlt. Es war, als wäre mein Herz einfach zersplittert. In hundert scharfe Teile, die mich von innen zerschnitten. Fast jeden Tag weinte ich. Anna hatte gesagt, sie könne das nicht mehr mit ansehen. In einen traurigen Song vertieft lag ich in meinem Bett. Die Luft war stickig, als ich plötzlich mein Handy in meiner Hosentasche vibrieren spürte.
>Komm zu mir. Halbe Stunde hop, hop!<
Ich las ihre SMS.
>Keine Lust muss weinen<
>komm oder ich mach dich fertig!<
>Drohung! Anna ich mag nicht<
>komm her, mir zu Liebe<
>:/ Kay<

"Mum ich geh zu Anna"
"Das freut mich, viel Spaß Schatz!", rief Mum glücklich. Ich hatte ihr erzählt, Jey wäre stark erkältet und deswegen könnten wir uns nicht sehen. Es tat weh sie zu belügen, aber die Wahrheit auszusprechen tat mehr weh.

Als ich bei Anna ankam, saß sie auf der Hollywoodschaukel im Garten und schien schon zu warten.
"Hi", sagte ich und umarmte sie wenig euphorisch.
"Hallo du Couchpotato", begrüßte sie mich und war nicht einmal sauer. Sie hatte sich soviel anhören müssen und jetzt war ich auch noch so grässlich schlecht gelaunt und versank in Selbstmitleid.
"Es tut mir so leid, wenn ich scheiße drauf war.... bin", versuchte ich mich zu entschuldigen. Sie drückte mich und lächelte mich einfach an. #BesterMensch!
Dann hörte ich das Gartentor aufgehen. Vielleicht war ihre Mum gekommen. Ich wollte sie begrüßen und drehte mich um, da sah ich ihn.
Jeydon - ohne sein schiefes Grinsen, sondern mit ernstem Blick, der einfach nur heiß war. Er hatte eine verwaschene Jeans und ein graues Shirt an, über das er eine dunkle Lederjacke trug. Mein Puls war auf hundertsechzig und ich drohte zusammenzubrechen. Meine Atmung -unregelmäßig.
"Hi Jey", rief Anna und winkte.
"Warum wolltest du das ich komme?", fragte er kalt und blieb drei Meter vor uns stehen. Er würdigte mich keines Blickes.
"Ich glaube, ihr müsst reden", erklärte sich Anna und klopfte auf meine Schulter.
"Müssen wir?"
Jeys Frage machte mich traurig, nein wütend. War ich ihm wirklich egal?
"Ja müsst ihr", konterte Anna gereizt.
Er verschränkte die Arme vor der Brust.
"Aha. Du willst dich entschuldigen Kathleen"
"Ja", murmelte ich. Ich hatte wirklich Scheiße gebaut.
"Aha", antworte er nur und grinste blöd. So richtig blöd, es machte die Situation lächerlich.
"Weißt du, wenn du so drauf bist, ist das doch alles umsonst", sagte ich wütend.
"Und sie hat noch immer ihre..."
"Wage. Es. Nicht", fauchte ich.
"Tage", beendete er den Satz und grinste.
"Weißt du was, hau einfach wieder ab", rief ich und atmete meine Wut laut aus. Was der sich einbildete. Egal wie sehr ich ihn liebte, mein Stolz war mir im Weg.
"Ja klar, Süße, wie immer. Ich dachte du wolltest dich entschuldigen.", mittlerweile klang er auch gereizt.
"Nein wollte ich nicht! Du bist und bleibst ein Arsch"
"Achja, ich bin der Arsch. Wer auch sonst"
"Ich nicht!", hetzte ich lautsark.
"Nicht schon wieder", murmelte Anna und schüttelte den Kopf.
"Weißt du was, geh. Ich hab dir gesagt, dass ich keinen Babysitter in meinem Leben brauche"
"Jaja Kat, wir wissen es. Ist ja nicht so, als wärst du schon drei mal zusammen geschlagen worden"
"Ja und? Misch dich nicht ein!", rief ich.
"Und wenn doch?", rief er zurück und kam einen bedrohlichen Schritt auf mich zu.
"Verpiss dich doch!", schrie ich ihn an.
"Weißt du was, du ignorante Zicke?"
Ich war grade dabei ihn aus voller Kehle anzuschreien, aber er schnitt mir mit einem Kuss das Wort ab.
Ich legte die Arme um seinen Hals und eine Träne rollte meine Wange hinunter. "Ich liebe dich", flüsterte er kurz, bevor er mich weiter küsste.
"Ich liebe dich", gab ich zurück und lies mich in den Kuss fallen.
Ich liebte ihn, ich liebte ihn so sehr.
Nach gefühlten Stunden, die trotzdem wie Sekunden vergingen, hörte er auf mich zu küssen und grinste mich an.
"Endlich", hörte ich Anna sagen und drehte mich zu ihr.
"Dich lieb ich auch, Anna", sagte ich dankbar und vergoss erneut eine Träne des Glücks.
"Ich dich auch", sagte sie grinsend und zwinkerte mir zu.
"Und jetzt?", fragte ich und meine Stimme überschlug sich vor Freude.
"Feiern?", fragte Anna.
"Oh ja", antworte Jey mit einer tiefen, rauen Stimme. Das "oh ja" klang sexy und gefährlich aus seinem Mund.
Ich hab ihn zurück. Ich hab ihn zurück! Ja! Ja! Jaaaaaa! Meine Liebe des Lebens!
"Ich liebe dich", sagte ich erneut!
"Ich liebe dich", erwiderte er und lächelte.
"Ich liebe dich", sagte ich noch einmal.
"Ich liebe dich"
Immer und immer wieder musste ich es sagen und hören. Es klang so echt.
"Ich liebe.."
"Ihr liebt euch Leute, wir haben's verstanden", unterbrach mich Anna seufzend und Jey lachte tief, hielt mich aber immer noch fest.
"Habt ihrs jetzt?", fragte sie hoffnungsvoll.
Ich küsste ihn erneut und antwortete
:"Ich hab alles was ich brauch"

running in the rainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt