Part 49 ~ Pusteblumen

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Hunderttausende flaumig weicher Pusteblumensamen tanzten durch die Luft. Legten sich auf Jeydons dunklen Haaren nieder. Er grinste sein schiefes, albernes Grinsen.
"Wow", seufzte er staunend. Ich sah mich um. Wir saßen ganz oben auf einem Riesenrad, die Sonne ging unter, die Wolken waren tief rot. Ich hatte noch nichts Schöneres gesehen.
"Was.... Wie?"
Er legte einen Finger auf meine Lippen.
"Shhh.. Sieh mal", flüsterte er und deutete hinter mich.
Als ich mich umdrehte, blendeten mich die letzten Sonnenstrahlen. Ich kniff die Augen zusammen und dann... Ja dann sah ich sie.
Eine Schwalbe saß am Rand unserer offenen Kabine und schaute mich an. Sie hatte den Kopf schief gelegt. Sie war weiß wie Schnee, hatte aber einen hellgrauen Kopf. Aus dunkeln Knopfaugen sah sie mich an.
Vorsichtig streckte ich meine Hand aus, wollte fühlen, wie weich ihr Gefieder war, aber sie flog davon. Sie flog einfach davon, verschwand in den Wolken.
Hinter mir war ein tiefes Lachen, eine Hand berührte meine Schulter.

"Sie fliegt Kat", sagte er grinsend und schaute mir in die Augen.
"Ja", antwortete ich tief atmend, "Das ist Freiheit, oder?"
Er nickte und nahm mein Gesicht in seine "Manchmal", er schluckte und senkte den Blick auf meine Lippen, "fühlt es sich an, als ob... als ob du genau das bist, das ich immer wollte, ohne es zu wissen"
Kurz hob er den Blick um mein Gesicht näher an seines zu ziehen.
"Jeydon, wie fühlt sich Freiheit an?", fragte ich ganz leise.
"Keine Ahnung", sagte er noch leiser, blickte auf meine Lippen.
"Zeig es mir, bitte. Bitte.", meine Stimme war brüchig, flehend. Ich wollte es wissen, wollte, dass er es mir zeigt.
"Ich kann dir nicht zeigen, wie sich Freiheit anfühlt"
Etwas enttäuscht nickte ich und atmete leise ein.
"Aber ich kann dir zeigen, wie sich fliegen anfühlt", flüsterte er und zog meine Lippen auf die seinen.

Ich weiß nicht, wie oft ich ihn inzwischen geküsst hatte, seit wir uns kannten. Aber jeder Kuss blieb der erste. Jeder Kuss lies mich erschaudern, brachte mein Herz zum austicken. Es war ein bisschen wie Strom. Sanfter, wärmender Strom.

Plötzlich riss mich jemand an den Haaren. Ein stechender Schmerz durchfuhr mich und ich schrie auf, während ich von Jey weggezogen wurde.
Jeydon sprang auf und rief etwas, das ich nicht verstehen konnte. Dann hörte ich einen Knall, einen Schuss.
Jeys weißes T-Shirt färbte sich rot. Er senkte den Kopf und starrte auf den roten Fleck, der immer größer wurde. Dann sah er auf, ohne jegliches Gefühl in den Gesichtszügen. Er taumelte rückwärts und fiel über das Geländer nach unten.
Nein.

Zitternd und schreiend riss ich mich los und sah nach unten. Er lag am Asphalt, die Samen der Pusteblumen legten sich wie eine Decke auf ihn.
Nein.
Ich schrie bis meine Kehle brannte. Laut und verzweifelt.
"Ich hab ihm gezeigt, wie fliegen geht", lachte jemand hinter mir. Ich kannte diese Stimme.
Noch bevor ich mich umdrehen konnte, spürte ich den Lauf einer Knarre an meinem Hinterkopf.
"Peter", sagte ich verbittert.
"Komm schon, Kat. Flieg!"
Und dann drückte er auf den Auslöser und ein Schuss war zu hören.

Schweißgebadet saß ich senkrecht im Bett und atmete schwer.
Ich nahm mein Handy vom Nachttisch und tippte irgendeine Nummer. Keine Ahnung wem sie gehör-
"Hallo?"
"Jeydon!", erkannte ich erleichtert.
"Kat?", fragte eine verschlafene Stimme.
"Ja. Ja!"
"Ehem"
Stille in der Leitung. Mein Herz tanzte fast vor Freude und Erleichterung.
"Also", er zog das Wort lang, "hat es einen Grund, dass du mich um drei Uhr morgens anrufst?"
Ich lachte leise und schloss die Augen.
"Nene. Ich hatte nur Angst, du -"
"Ich was?", fragte er verdutzt.
"Nichts. Red einfach mit mir", bat ich und legte mich hin.
"Warum bist du wach?", fragte er gähnend und irgendetwas raschelte in der anderen Leitung.
"Alptraum", antwortete ich kurz und schloss die Augen.
"Um was ging's? Warte - sicher irgendwas mit mir. Du sagtest 'Ich hatte nur Angst, du -'
bist verschwunden? - liegst irgendwo besoffen auf der Straße? - schläfst gerade mit irgendeinem Model?"
"Jey!", rief ich entsetzt und lachte.
"Sicher?"
"Ja ganz sicher", gab ich immer noch kichernd zurück.
Dann war es kurz still.
"Aber damit wir uns verstehen... du liegst schon gerade alleine in deinem Bett oder?"
"Oha, is da jemand eifersüchtig?", fragte er und ich könnte sein Grinsen fast schmecken.
"Nein!"
Ich konnte ihn lachen hören.
"Ach glaub mir Süße", er seufzte, "würde ich gerade mit einem Model schlafen, wüsstest du es"
Ja, das lies mich erröten. Rot wie eine Tomate im Hochsommer.
"Du bist blöd"
"Aber du liebst mich"
"Wohl wahr", und meine Stimme wurde leiser ,"wohl wahr"

Ich hatte wahnsinnige Angst, am nächsten Tag zur Schule zu gehen. Hinter jeder Ecke vermutete ich Peter oder Andrew, die mich packten und mir einen Sack über den Kopf zogen. Aber nichts geschah.
Es war alles normal - naja wenn man von Annas abnorm guter Laune absah. Da war doch was im Busch, oder jemand.
Sicher dieser Dimi von dem sie mir erzählt hatte, oder eher versucht hatte es mir zu erzählen, bevor unsere Gespräch von Damian zerstört wurde.
Ich war neugierig, klar, aber es war nicht die beste Location, um über so etwas zu sprechen. Nicht in der Schule.
Ansonsten war alles wie immer. Liz und Damian zankten sich die ganze Geschichtsstunde hindurch über - keine Ahnung wie die Band hieß - aber jedenfalls war Liz der Meinung, sie wäre schlecht, Damian sah das anders. Ihre Diskussion wirkte schon ziemlich lächerlich, aber es entspannte mich irgendwie.
Ich hatte nur mehr diese komische Band im Kopf, keine bösen Footballer, kein Sack über meinem Kopf.

Und das blieb so. Alles blieb normal, ruhig. Schon fast hätte ich die Anzeige vergessen, aber nur fast. Denn dann kam der zweite November....





Cliffhanger :D sorry. Ich würde mich über Kommentare und Votes freuen ❤️
Bis dann :)

running in the rainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt