Part 27 ~ Einhörner

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"Jeydon, es ist egal, ob sie existieren oder nicht, ich mag sie einfach nicht"

"Boah! Süße, du kannst nicht etwas nicht mögen, das garnicht existiert"

"Kann ich doch", raunte ich ins Handy und knöpfte mit einer Hand meine Bluse auf.

"Unlogisch", sagte er und irgendwie bildete ich mir ein, ein Schmunzeln durchs Telefon zu hören.

"Jey, es ist mir egal, ob es Einhörner gibt oder nicht, aber das sind einfach eingebildete Viecher, die sich gut vorkommen, weil sie ein Hörnchen auf dem Kopf haben, aber eigentlich sind es nur stinknormale Pferde. Also sind Einhörner eingebildete, stinknormale Pferde!"
Die Diskussion über diese absolut unbegründet übertrieben populären Fabelwesen ging schon seit einer guten Viertelstunde. Aber ich musste einmal meinen Frust darüber zu Ausdruck bringen, dass unzählige Leute diese Tiere verehrten, obwohl es einfach nur Pferde waren, die sich gut vorkamen. Ich meine sie haben 50% weniger Horn, als ein Hirsch und sind trotzdem so beliebt. Hmpf. Also bei Pegasusen (keine Ahnung wie Pegasus in der Mehrzahl hieß) verstand ich die Beliebtheit ja noch, Flügel waren cool. Aber Einhörner waren so langweilig...

"Aber das heißt dann, du magst keine Pferde"

"Doch. Nur keine eingebildeten.", sagte ich entnervt und musste trotzdem grinsen. Dann fügte ich noch hinzu:" Eigentlich... Mag ich dich auch nicht. Du bist genauso eingebildet"

"Ach Süße, aber -", er sagte das aber betont langsam, "ich hab jeden Grund eingebildet zu sein"

Ich überdrehte die Augen und seufzte ins Telefon. "Übertreib nicht"
Er lachte in der anderen Leitung und ich bekam eine Gänsehaut.

"Und dass du mich nicht magst, ist eine Lüge, das wissen wir beide"

"Okay vielleicht", gab ich zu und strich mit der freien Hand die Haare glatt.
Er lachte wieder - tief und kehlig.
"Jey ich muss jetzt auflegen"

"Neeeeeeiiiin", jammerte er zutiefst bekümmert ins Handy. Er war ein schlechter Schauspieler, aber das war mir egal.

"Ich muss mich fertig machen für Mums Party"

"Welche Party?", fragte er und ich stellte mir vor wie er auf seinem Bett saß und sich am Kopf kratzte.

"Sie hat heute Geburtstag. Wir machen eine Grillparty bei uns im Gar..."

"Gib mir deine Mum bitte kurz", forderte er.
Ich tat was er sagte und ging runter in die Küche, wo Mum gerade einen Kartoffelsalat zubereitete. "Mum, Telefon"
"Aha?", sie zog die Augenbraunen hoch und nahm mein Smartphone in die Hand.
"Oh hallo Jeydon. Ach, das ist ja lieb von dir, danke. Ja mein Tag läuft bis jetzt sehr gut, Kat und ihr Vater haben mir Frühstück ans Bett gebracht.", dann lachte sie kurz "Ach, Jeydon du kannst gerne zu Feier kommen. Nein, ich würde mich wirklich freuen."
Warte... Hatte Mum ihn gerade zum Grillen eingeladen? Oh nein, jetzt musste ich ihn meiner ganzen Familie vorstellen und allen Freunden meiner Eltern. Normalerweise feierten wir nur mit dem engeren Familienkreis, aber da es Mums 50er war, würden fast dreißig Personen kommen. Ich fragte mich, ob die wohl genauso reagieren würden wie meine Mum, als ich es ihr heute Morgen erzählt hatte.
"Das ist ja wundervoll Schätzchen! Er ist ein überaus charmanter junger Mann und er sieht gut aus", daraufhin hatte sie mich euphorisch umarmt und mir war das ganze wirklich peinlich gewesen.
"Ja gut. Wir sehen uns. Danke nochmal.", damit legte sie auf.
"Kat, das war ja wirklich total nett von ihm, mir zu gratulieren", sagte sie breit lächelnd.
"Ja Mum, ich weiß, dass du ihn magst, und dass er super - mega - hyper - toll ist und dass du mich am liebsten morgen schon in deinem alten Hochzeitskleid sehen würdest, aber bitte übertreib nicht, wenn er heute kommt", sagte ich und versuchte das Grinsen zu unterdrücken, das die Vorstellung bei mir auslöste.
"Keine Sorge. Ich halte mich zurück. Aber bei James kann ich nichts versprechen", entgegnete sie lachend.
"Ohhhh", seufzte ich und überdrehte die Augen.
Mein Bruder war klasse, aber er liebte es einfach mich zu ärgern und er hatte immer gesagt, wenn ich einen Typen mit nach Hause bringe, wird er ihn einmal gut unter die Lupe nehmen, und schauen, ob der wohl tolerabel ist. Ich hoffte, dass er mich nicht blamierte.

Kurz vor zwölf trafen die ersten Gäste ein. Jane, Mums beste Freundin, ihr Mann (keine Ahnung mehr wie er hieß, aber ich glaube Roland), meine Oma, mein Opa und meine Tante.
Ich hatte ein korallfarbenes Sommerkleid an und lief barfuß herum. Es war ja schließlich noch fast Sommer und das Gras war schön warm.
"Kathleen, du wirst dich erkälten", war das Erste, das meine Oma zu mir sagte, bevor sie mich mit einem Bussi begrüßte. "Mutter, es hat 28 Grad. Lass das Kind doch barfuß gehen", entgegnete meine Tante.
Ich stimmte ihr lachend zu und begrüßte die restlichen Gäste. Nach und nach füllten sich die Bierbänke, die wir in unserem großen Garten aufgestellt hatten. Wie immer waren die Gesprächsthemen überaus langweilig. Wer zu welchem Arzt ging, in welchen Supermarkt welches Produkt gerade verbilligt war, welche Nachbarin von welchem Nachbarn schwanger war und so weiter. Ich wartete sehnsüchtig auf die Ankunft meines Bruders. Er war eine echte Stimmungskanone.
Als ein Wagen in unsere Einfahrt einbog, riss ich hoffnungsvoll den Kopf hoch, nur um zu sehen, dass meine 'Tante' (die eigentlich nur irgendeine Bekannte von meiner Mutter war, die wir seit jeher 'Tante' nannten) aus ihrem Audi austieg. Auch ihre zwei Töchter, die beide wirklich unausstehliche Tussen waren, hatte sie mit angeschleppt. Aus reiner Höflichkeit stand ich auf und begrüßte auch sie. Tante July war ja noch ganz nett, aber Kellys arroganter Blick und Nenas dummes, falsches Lächeln, trieben jegliche Freude aus meinem Gesicht.

Als ich noch kleiner war, und auch ziemlich pummelig, musste ich öfters mit den zwei Supermodels spielen und sie hatten mich mit meinem Gewicht immer geärgert. Ich hatte die zwei Brünetten Zicken noch nie gemocht.
Die drei setzten sich Gott sei Dank auf einen anderen Tisch, weit weg von mir. Kelly sah mich an und flüsterte ihrer Schwester irgendwas zu, bevor diese kicherte und mich musterte. Ich fühlte mich unwohl und hoffte einfach, dass Jeydon bald kommen würde.

"Kathleen, geh doch zu Kelly und Nena, bei uns ist es doch langweilig", holte mich Romanas (Kollegin meiner Mum und Freundin von Tante July) Stimme aus dem Gedanken und ich schenkte ihr einen wütenden Blick. "Ach es ist doch ganz okay hier" ich versuchte zu lächeln.
Ich hasste es behandelt zu werden wie ein kleines Kind. Ich war zwar erst seit kurzem siebzehn, aber schon lange kein kleines Kind mehr.
"Ach was" Sie zog mich am Arm hoch und lächelte mich an. Aus Höflichkeit und Mum zu Liebe wehrte ich mich nicht und setzte mich zu ihnen.
"Hi", begrüßte ich sie wenig euphorisch und versuchte nett zu wirken. Ich bemerkte jetzt erst die Aufschrift auf Nenas schwarzem Shirt die sagte : Always be you
unless you can be a UNICORN then always be a UNICORN!
Ich dachte mir nur.... Sowas. Von. Klar.
Nena antwortete:" Hallo Kathleen. Schönes Kleid"
Kelly kommentierte die Aussage mit einem unterdrückten Lachen.
"Was stimmt mit meinem Kleid nicht?", fragte ich entnervt und kam leider ziemlich unsicher rüber.
"Nichts. Nichts.", sagte Kelly drauf und grinste blöd. Ich seufzte.
Himmel Herrgott, kann mich irgendwer hier rausholen?

running in the rainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt