Ich hatte in meinem Leben noch nicht so geweint, als in dem Moment, als ich Jeydon damals durch die Tür humpeln gesehen hatte.
Es waren Tränen der puren Erleichterung.Und ich hatte so geweint, dass der Computer neben mir zu piepen begonnen hatte und ich das Kabel von meinem Finger gerissen hatte.
Ich war aufgestanden und war zu ihm gelaufen, obwohl ich nicht gedurft hatte. Ich war vor ein paar Stunden erst aufgewacht, aber das war mir so scheißegal gewesen.
Ich war ihm um den Hals gefallen und hatte laut geheult und mich an ihm festgehalten, zumindest so lange bis er heißer gestöhnt hatte."Alles", ich schluchzte noch immer, "alles okay?"
Er hatte eine riesiges Lächeln im Gesicht gehabt und das Feuer in seinen Augen war wieder da gewesen, heller als tausend Sterne.
Das Blut an seiner Schläfe und das eingegipste Bein hatte ich einfach ignoriert."Du bist wach", hatte er gesagt und mich dabei geküsst, sodass man das letzte Wort fast nicht verstand "Kat?"
Ich weinte, er weinte, "Oh Gott ich liebe dich!"
Dann küsste er mich und küsste mich, als würde ich im nächsten Moment sterben und es fühlte sich wirklich so an.
Ich würde sterben, vor lauter Glück."Und du bist hier", schluchzte ich zwischen den Küssen.
"Ich habs dir versprochen", meinte er nur und auch ihm ronn eine Träne über die Wange, während er breit grinste.
"Aber wenn du nicht die Polizei gerufen hättest-"
"Hättest du Andrew und die anderen alleine geschafft", beendete ich seinen Satz und er lächelte ein kleines Lächeln. Dann zog er mich an sich.
"Na klar", flüsterte er, "Danke"
"Ich liebe dich, Jeydon Drake"Das war wohl der schönste Moment, unserer Liebesgeschichte. Ich erinnerte mich, als wäre es gestern gewesen.
Und es fühlte sich genauso an.Ich hatte in meinem Leben leider zu oft feststellen müssen, dass er meistens richtig lag.
Egal ob es um die Menge von Babynahrung, den Kostenvoranschlag für unseren Oldtimer oder die Frage nach dem Sinn des Lebens ging.
Er hatte gesagt, alles geschehe aus einem bestimmten Grund.
Und wie immer hatte er recht, wobei ich das natürlich niemals zugab, denn sein Ego, sein Ego war eine Person für sich.Aber ich glaube alles musste kommen, wie es kam. Hätte Andrew mich nicht geschlagen, damals, dann wäre ich nie in den Wald gelaufen, hätte nie meine persönliche Auffassung von wahrer Liebe kennengelernt, von der ich inzwischen weiß, dass es wirklich wahre Liebe war. Und ich hätte vielleicht nie erfahren, wie viel er mir bedeutet, ohne die Angst, ihn zu verlieren.
Und vielleicht, vielleicht wäre alles anders geworden.Vielleicht wäre mein Leben ganz anders gewesen.
Vielleicht wäre ich keine Künstlerin geworden, die nie wirklich verdient hatte, aber immer in jedem Pinselstrich aufgeblüht wäre.
Vielleicht hätte ich einen Geschäftsmann geheiratet, anstatt einen Musiker, der genauso wenig Kies wie ich verdient hatte, aber auch genauso glücklich gewesen war.
Und ich hätte mit Sicherheit nicht die besten Söhne der Welt bekommen."Es kommt mir vor, als wäre all die Jahre alles beim Alten geblieben", meinte ich abwesend und blickte noch immer aus dem Fester.
"Du meinst, weil ich nach ganzen dreiundsiebzig Jahren immer noch extrem attraktiv bin?", hörte ich seine raue Stimme fragen, die rauer war als früher, aber immer noch schön. So wunderschön.
"Nein", ich lachte, "weil du nach dreiundsiebzig Jahren immer noch der Junge bist, in den ich mich verliebt habe", sagte ich und drehte mich zu ihm.
Ich blickte in ein gealtertes Gesicht, mit Augen, die heller geworden waren und Haaren, die nun grau waren.
Aber sein Mund formte immer noch dieses schiefe Grinsen, dass mir durch so unendlich viele schlechte Zeiten geholfen hatte."Auch nach dreiundsiebzig Jahren", flüsterte er lächelnd und zog mich in seine Arme um mir einen Kuss auf die Stirn zu geben.
"Auch nach dreiundsiebzig Jahren", antwortete ich. Und ich hoffte, es würden noch mehr werden. Jahre ohne ihn, wären Jahre ohne Leben.
"Es ist wieder so weit", flüsterte er mir ins Ohr und lachte tief und kehlig.
Ich begann zu strahlen.Dann nahm er meine Hand, die wie immer etwas zitterte und führte mich in das kleine Zimmer am Ende des Flurs, in dem nur eine Couch stand, aber es hatte eine riesiges Fenster und ich liebte es. Das tat ich, seit ich es das erste Mal gesehen hatte.
Langsam öffnete er die weiße Holztür und ich hatte freie Sicht auf das Fenster und die Sonne die rötlich den Abend erleuchtete.
Auf der Fensterbank stand der Käfig, der mit einem rosaroten Tuch bedeckt war. Jeydon führte mich hin und zog den samtigen Stoff vorsichtig hinunter."Darf ich vorstellen", er zeigte auf einen kleinen dunkelgrauen Spatzen, "Marley"
"Marley", murmelte ich und weinte ein wenig.
"Der erste hieß Bob, weißt du noch?", fragte Jeydon lachend und nahm mich in den Arm. Noch immer musste ich weinen, weil ich so glücklich war.
"Wie könnte ich das vergessen", sagte ich und er lachte auf.Damals war er komplett überfordert gewesen, als ich wissen wollte, wie die kleine weiße Schwalbe hieß, die der erste Vogel sein sollte, den er mir geschenkt hatte. Und als er 'Bob' geantwortet hatte, so ernst und unsicher, war ich in Gelächter ausgebrochen.
Und Bob war mein Liebling. Er war nie wirklich weggeflogen, sondern kam immer zurück, bis er eines Tages starb.Ich öffnete die kleine Käfigtür und Marley flog davon, wie zweiundsiebzig andere vor ihm.
Seit Jeydon und ich uns damals im Krankenhaus wieder gehabt hatten, bekam ich jedes Jahr im August ein Vögelchen, das ich freilassen könnte. Jedes Jahr an dem Tag, an dem er mich im Wald gefunden hatte."Jeydon"
"Ja, meine Schöne?"
"Dreiundsiebzig Jahre und du denkst noch immer daran"
"Natürlich tue ich das", sagte er und lächelte, "so wie ich dich noch immer liebe. Und Kathleen"
"Ja?"
"Das wird sich niemals ändern"
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running in the rain
RomanceUnd dann merkt man, dass jemand, für den man sich vor eine Kugel geworfen hätte, derjenige ist, der die Waffe in der Hand hält. Kennt ihr das Gefühl, von einem Menschen beleidigt zu werden, von dem ihr dachtet, er wäre euer Freund? Ich auch nicht. I...