34. Bitte halte durch...

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34. Bitte halte durch...

Toms Sicht

Durch die Dunkelheit spüre ich Hände. Nicht durchdringende, eisige wie die der Schatten, sondern warme feste. Fast schon zu fest, sie schmerzen meinen geschundenen Körper. Sie zerren an mir, meinem Körper und alles scheint seltsam zu schwanken. Ich scheine seltsam zu schwanken. Übelkeit überkommt mich, ich spüre den Geschmack von Essig und verdorbenem Fisch hochkommen. Ich übergebe mich und spüre angewidert, wie das eklige Zeug langsam meine Brust runter läuft.

Augenblicklich scheint alles still zu stehen. Da merke ich, dass ich tatsächlich stehe. Nun, stehen kann man nicht wirklich sagen. Ich werde aufrecht gehalten und nun einfach weiter vorwärts gezogen. Wohin weiss ich nicht, meine Augen zu öffnen getraue ich mich nicht. Zu sehr Angst habe ich, dass sich somit meine Schmerzen vermehren würden. Also lasse ich geschehen, was auch immer mit mir geschieht.

Noch immer ist mir schummrig und meine Füsse spüre ich nicht. In meinem Rücken – das hingegen spüre ich sehr gut – steckt immer noch die grosse Scherbe und kleinere Splitter zieren die kläffende Wunde. Immer noch brennt sie und bei jedem Ruck derjenigen die mich führen noch mehr.

Auch überall sonst spüre ich, wie die Muskeln zerren und weitere schmerzhafte Züge zeigen mir, dass noch mehr Wunden meinen Körper zieren. Nur eine Stelle, die spüre ich nicht. Meine linke Magengegend, dort wo mich das Feuer der Königin getroffen und mein Fleisch versengt hat. Dort ist alles beängstigend dumpf. Nur rundherum spüre ich ein stetiges Pochen. Allerdings hoffe ich, dass die Wunde nicht wirklich so gross ist, wie mich das Pochen ahnen lässt. Sonst… Ich weiss nicht was sonst – will es nicht denken. Es wäre auf jeden Fall nicht gut. Ganz und gar nicht gut.

Noch immer zerren die Hände an mir und ich vernehme Fluchen, doch es scheint so weit weg. Alles wirkt so unrealistisch, mein eigenes Leben kommt mir unrealistisch vor. Ich komme mir unsinnig vor.

Was geschieht hier, was ist mit mir? Sterbe ich jetzt? Sehe ich, sobald ich meine Augen öffne, das weisse Licht vor mir? Dieser Gedanke beruhigt mich, aber gleichzeitig lässt es mein Herz schneller schlagen. Dumpf hallt es in meinen Ohren, das sich immer wiederholendes Pochen. Aber das ist mir immer noch lieber als die Schmerzen. Moment – Schmerzen? Wenn ich tot bin, sollte ich dann nicht keine Schmerzen mehr haben? Sollte ich dann nicht nichts mehr denken?!  Panik erfasst mich. Was wenn bei meinem Tod etwas schiefgelaufen ist?!

Augenblicklich reisse ich meine Augen auf. Düsteres Licht beleuchtet den Gang, doch für mich fühlt es sich an als würde ich in die Sonne schauen. Gleichzeitig durchzuckt ein Schmerz meinen Kopf, als hätte dort ein Blitz eingeschlagen. Erschrocken presse ich meine Augen schnell wieder zu, was zwar nicht die Schmerzen lindert, doch zumindest blendet es nicht mehr. Dafür tanzen nun schwarze und weisse Punkte vor meinen Lidern auf. Zumindest habe ich jetzt Gewissheit. Enttäuschung macht sich in mir breit. Ich bin nicht tot.

**********

Wir kommen nur zäh voran, doch irgendwann sind wir endlich da. Ich spüre es, einerseits an ihrem erleichtertem Seufzer und andererseits, weil sie mich achtlos nach vorne kippen lassen. Vor Schmerz stöhne ich auf. Nun pocht mein Kopf noch mehr. Doch da ich doch noch ein bisschen neugierig bin, was nun geschieht, rapple ich mich mühselig auf.

Wieder blendet es mich, doch ich unterdrücke den Drang die Augen zuzukneifen, denn vor mir erblicke ich ein bekanntes Paar blaue Augen.

„Lino.“, krächze ich. Ich bemerke wie Entsetzen ihn überkommt, doch ich kann ihn nicht verstehen. Alles was ich empfinde ist Freude. Freude darüber, endlich mal wieder ein freundliches Gesicht zu sehen und zu wissen, dass es ihm gut geht. Denn das tut es auch, nicht eine einzige Schramme ist zu sehen. Wieso also ist er entsetzt? Ich meine, mir geht es gut. Okay, mein Körper ist total zerstört und vermutlich unheilbar und innerlich bin ich ein Wrack. Also, so gut geht es mir wirklich nicht, aber in dem Moment bin ich einfach glücklich. Wieso kann er das nicht auch sein?

Feenland- Die Heimreise der verbannten Fee *Wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt