Aussprache

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Muriel hatte die ganze Nacht furchtbar schlecht geschlafen. Die ganze Zeit hatte sie hin und her überlegt, wie sie es schaffen könnte, Aragorn irgendwo alleine anzutreffen. Und vor allem, was sie ihm dann sagen sollte. Ihr wollte einfach nichts Vernünftiges einfallen. Aber sie hatte es Arwen versprochen und das Versprechen würde sie auch halten!

Seufzend lief sie in ihrem Zimmer auf und ab. Das Frühstück würde sie heute ausfallen lassen. Sie hatte ohnehin keinen Hunger. Sie beschloss, in die Bibliothek zu gehen. Dort gab es so viele interessante Bücher, da würde sie eine Zeit lang abgelenkt sein. Und vielleicht kam ihr ja dort der Geistesblitz, auf den sie so sehnsüchtig wartete.

Sie konnte davon ausgehen, dass ihr auf den Fluren niemand begegnen würde, da bestimmt gerade alle beim Frühstück saßen.

Gerade wollte sie in den schmalen Flur Richtung Bibliothek abbiegen, als sie vom anderen Ende des Flures eine tiefe Stimme hörte, die irgendetwas Unverständliches vor sich hinbrummte. Dort stand ein Zwerg, der sich suchend umsah. Muriel staunte nicht schlecht. Ein Zwerg in Bruchtal? Wo doch allgemein bekannt war, dass Zwerge und Elben sich nicht wirklich leiden konnten. Und das war noch eine gehörige Untertreibung! Sie waren eigentlich wie Hund und Katz. Was also tat ein Zwerg hier? Und was suchte er? Muriel beschloss, ihn zu fragen.

„Ich wünsche einen schönen guten Morgen, Herr Zwerg!", sagte sie höflich und der Zwerg sah auf. „Kann ich Euch weiterhelfen?", fragte Muriel freundlich. Der Zwerg sah sie argwöhnisch an. Er hatte rote Haare und einen dichten, roten Vollbart, in den zwei Zöpfe eingeflochten waren. Seine Augen wirkten eher klein in seinem runden Gesicht und sie schienen nicht immer in dieselbe Richtung zu blicken.

„Entschuldigt, werte Dame, doch ich fürchte, ich habe mich verlaufen", brummte er schließlich kleinlaut. Immer noch blickte er sie argwöhnisch an. „Darf ich fragen, wohin Ihr wolltet?", fragte Muriel hilfsbereit nach. „Zum Frühstück natürlich!", antwortete der Zwerg. „Aber in diesem Labyrinth hier verläuft man sich ja! Eine Architektur haben diese Elben...!" Missmutig schüttelte der Zwerg den Kopf.

Muriel musste grinsen. „Mir scheint, Ihr seid nicht so gut auf die Elben zu sprechen, Herr Zwerg?", fragte sie vorsichtig nach. Der Zwerg sah sie verlegen an. „Nun, ich wollte Euch nicht kränken", sagte er kleinlaut. „Würdet Ihr mir trotzdem den Weg zeigen?" Muriel lachte und nickte. Dann ging sie dem Zwerg voraus in Richtung Speisesaal.

„Wer seid Ihr und was führt Euch nach Bruchtal?", fragte Muriel nach einer kurzen Weile. Der Zwerg blieb stehen und sah sie fragend an. „Na so etwas, da habe ich doch glatt vergessen, mich vorzustellen!", sagte er dann geknirscht. „Ich bin Gimli, Gloins Sohn. Ich bin mit einer Abordnung von Zwergen der Einladung Elronds zu einer wichtigen Ratssitzung gefolgt." Mit diesen Worten deutete er eine höfliche Verbeugung an.

Muriel lächelte ihn freundlich an. „Freut mich, Euch kennen zu lernen, Gimli! Mein Name ist Muriel und ich bin derzeit auch zu Gast im Hause Elronds!" Sie waren fast beim Speisesaal angekommen. „Dort drüben, die große Tür, das ist der Speisesaal", zeigte sie Gimli, der sie daraufhin erstaunt ansah. „Geht Ihr nicht frühstücken?", fragte er. Muriel schüttelte den Kopf. „Ich habe noch zu tun!" Gimli sah sie noch einmal skeptisch an und ging dann in Richtung des Speisesaals davon.

Muriel ging nun den Weg zurück in Richtung der Bibliothek und war froh, als sie die Tür hinter sich schloss. Hier würde sie vorerst ihre Ruhe haben. Sie ging ans Regal und zog wahllos eines der Bücher heraus. „Die Geschichte des nördlichen Königreichs", las sie den Titel.

Sie setzte sich in einen der Sessel und schlug das Buch auf. Die ersten Kapitel bestanden nur aus irgendwelchen Ahnenlisten. Sie blätterte einfach weiter. Weiter hinten fand sie Geschichten und Gedichte, auch vereinzelt Liedtexte. Das war schon eher nach ihrem Geschmack. Ab und zu gab es auch Zeichnungen, die die alten Könige zeigten, oder die Begebenheiten illustrierten, von denen berichtet wurde. Muriel blätterte weiter.

Von Hoffnung, Angst und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt