„Willst du denn heute gar nichts essen?", fragte Arwen ihre Schwester stirnrunzelnd. Muriel seufzte. Die beiden Frauen saßen zusammen am Frühstückstisch, doch Muriel starrte die meiste Zeit nur gedankenversunken vor sich hin.
Arwen schüttelte den Kopf. Sie konnte sich schon denken, wo Muriel mit ihren Gedanken war. Seit Gandalf vor zwei Tagen plötzlich in Bruchtal aufgetaucht war, war Muriel nicht mehr wieder zu erkennen.
Ja, Arwen konnte sie schon verstehen. Muriel hatte so viel mitgemacht in den vergangenen Monaten. Der Abschied von ihrem Geliebten, die ständige Unsicherheit, ob sie ihn jemals wieder sehen würde, die vielen bösen Träume, und nicht zu vergessen dann auch noch die Tatsache, dass sie ein Kind erwartete.
Und seit Gandalfs Ankunft in Bruchtal, war das alles nicht länger von Bedeutung. Der Zauberer hatte Muriel erzählt, dass es den Gefährten im Großen und Ganzen gut gehe, und dass Aragorn schon auf dem Weg zu ihr sei.
Da war es ja nun nicht verwunderlich, dass ihre Schwester völlig aus dem Häuschen war. Ihre Nervosität war deutlich zu spüren und sie wurde mit jeder Stunde, die ins Land zog, größer.
Gandalf hatte zu Muriel gesagt, Aragorn würde vermutlich zwei bis drei Tage nach ihm in Bruchtal ankommen. Und heute war nun schon der zweite Tag nach Gandalfs Ankunft. Es konnte also sein, dass Aragorn noch heute Bruchtal erreichte.
„Guten Morgen die Damen!", erklang fröhlich die Stimme Gandalfs. Muriel und Arwen lächelten und begrüßten den Zauberer höflich, als er sich zu ihnen an den Tisch setzte. Kurz darauf betrat auch Elrond den Raum. Er grüßte freundlich in die Runde und setzte sich dann zu Gandalf.
„Du solltest etwas essen, Muriel", meinte der Elbenfürst und sah seine Adoptivtochter aufmunternd an. „Ach, Adar, ich kann einfach nicht", gab die junge Halbelbin seufzend zurück. „Ich bin so furchtbar aufgeregt!", ergänzte sie noch mit einem verträumten Blick.
Sie war so in Gedanken versunken, dass sie gar nicht merkte, dass Elrond und Gandalf einen besorgten Blick wechselten. Arwen runzelte die Stirn. Ihr war dieser Blick der beiden Männer sehr wohl aufgefallen, doch wusste sie nicht, wie sie ihn deuten sollte.
Gandalf hatte noch am Tag seiner Rückkehr gegen Abend ein sehr langes Gespräch mit ihrem Vater geführt. Und seitdem warfen sich die beiden Männer ständig beunruhigte Blicke zu und Elrond sah Muriel immer wieder besorgt an.
Als das Frühstück beendet war, zog sich Muriel mit der Ausrede zurück, dringend noch etwas über die Herstellung von Tinkturen lesen zu wollen. Arwen sah ihr kopfschüttelnd nach.
Muriel würde vielleicht ihr Buch zur Hand nehmen, doch sie würde bestimmt nicht darin lesen. Sie würde es vermutlich mit auf den Balkon nehmen und dort sitzen und keinen Blick vom unteren Tor wenden, in der Hoffnung, Aragorn könnte heute noch hindurchreiten.
Arwen erhob sich. Ihr gefiel nicht, wie ernst ihr Vater und Gandalf waren, während sie leise miteinander sprachen. Da stimmte doch etwas nicht.
„Adar, darf ich dich etwas fragen?", begann sie vorsichtig zu sprechen. Elrond und Gandalf hoben den Kopf und sahen Arwen an. Elrond nickte ihr aufmunternd zu.
„Ihr wirkt bedrückt. Worüber macht ihr euch solche Sorgen?", fragte sie und blickte ernst von einem zum anderen. Die beiden Männer sahen sich für einen Moment an, als wären sie bei etwas Verbotenem ertappt worden. „Worüber sollten wir uns sorgen, iell nîn?", fragte dann Elrond betont gelassen. Doch Arwen ließ sich nicht täuschen.
„Ihr seht Muriel die ganze Zeit so komisch an. Ihr scheint euch Sorgen um sie zu machen. Was ist der Grund?", bohrte sie nach.
Elrond seufzte. Seine Tochter hatte wirklich ein ganz feines Gespür für ihre Mitmenschen. Das war zwar unter Elben durchaus verbreitet, aber Arwen schaffte es immer dann, ihn zu durchschauen, wenn er nicht damit rechnete und wenn er es auch gerne vermieden hätte.
DU LIEST GERADE
Von Hoffnung, Angst und Liebe
Fiksi PenggemarMuriel ist eine junge Frau, die im Städtchen Bree nahe der Grenze zum Auenland aufgewachsen ist. Sie führt ein ganz normales Leben und unterstützt ihre Eltern bei der täglichen Arbeit. Doch dann erfährt sie Dinge, die sie niemals für möglich gehalte...