Seltsame Begegnungen

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Muriel zog sich ihre Kapuze tiefer ins Gesicht. Es war ein regnerischer und selbst für Anfang Oktober sehr kühler Tag. Sie musste sich einen geschützten Platz suchen, wo sie abwarten konnte, bis der Regen aufhörte. Sonst würden ihre Kleider bald ganz durchweicht sein.

Nach kurzer Suche kam sie zu einem riesigen, umgestürzten Baum, dessen hoch aufragender Wurzelballen ein schräges Dach bildete, unter dem sie Schutz fand. Sie kauerte sich unter die Baumwurzel, zog ihre Knie nah an die Brust und wickelte ihren Mantel noch etwas fester um sich.

Es war nun schon wieder fast zwei Wochen her, seit sie im Auenland herumgezogen war. Die Gedanken an die schöne, sonnenbeschienene Landschaft brachten sie zum Lächeln.

Kaum hatte sie das Auenland wieder in Richtung Bree verlassen gehabt, hatte es angefangen zu regnen. Es musste wohl doch etwas dran sein, dass es in Bree mehr regnete als anderswo.

So war sie komplett durchnässt im „Tänzelnden Pony" angekommen. Ihre gute Mutter hatte sie erst einmal in die Badewanne gesteckt, damit sie sich nicht erkälten sollte. Irgendwie schienen Mütter nie zu begreifen, dass man erwachsen war und behandelten einen, als wäre man immer noch fünf Jahre alt. Aber sie hatte es auch genossen.

Auch hatte ihre Mutter sich über die zwei schönen großen Hasen gefreut, die Muriel unterwegs geschossen hatte. Für den kommenden Tag wurde gleich Hasenbraten auf die Tageskarte gesetzt.

Muriel war einige Tage in Bree geblieben und hatte Pläne für ihre weitere Reise gemacht. Ihr Vater hatte sie mehrmals darum gebeten, nicht wieder loszuziehen. Es seien in letzter Zeit seltsame Gestalten in und um Bree herum unterwegs, hatte er gemeint.

Sie hatte ihm lieber nicht erzählt, dass sie selbst auf dem Weg von Hobbingen nach Bree einigen sehr komischen Gestalten begegnet war. Es war gleich in der ersten Nacht gewesen, nachdem sie beschlossen hatte, wieder Richtung Bree und dann weiter nach Bruchtal zu gehen.

Sie hatte sich unter einer kleinen Baumgruppe etwas abseits der Straße einen Schlafplatz hergerichtet und war gerade eingedöst, als ein schriller Schrei sie hochfahren ließ. Zuerst hatte sie gedacht, es müsse sich wohl um einen Raubvogel handeln, aber dann war ihr klar geworden, dass es ja Nacht war und die Raubvögel daher nicht unterwegs waren.

Noch einmal hatte sie einen solch seltsamen Schrei gehört und ihre Nackenhaare hatten sich aufgestellt. Sie war leise aufgesprungen und hatte sich umgeschaut. Plötzlich hatte sie einen Schatten auf der nahen Straße heranziehen sehen. Als er näher gekommen war, hatte sie erkannt, dass es sich um einen schwarzen Reiter auf einem schwarzen Pferd handelte.

Muriel hatte ihren Blick nicht abwenden können und eine eisige Kälte war in ihre Knochen gekrochen. Sie hatte kaum gewagt, zu atmen und hatte sich reglos hinter dem Baumstamm versteckt, der ihr am nächsten gewesen war. Wie lange sie so dagestanden hatte, konnte sie nicht mehr sagen. Waren es nur Minuten gewesen oder Stunden?

Irgendwann hatte die eisige Kälte begonnen, aus ihrem Körper zu weichen und sie hatte sich wieder in der Lage gesehen, sich zu bewegen. Von dem schwarzen Reiter war weit und breit nichts mehr zu sehen gewesen.

Muriel schüttelte sich. Selbst jetzt, bei Tageslicht erfasste sie ein Schauer und ein Gruseln, wenn sie nur daran dachte.

Und dann waren ihr auch noch Orks begegnet. Etwa zwei Tage, nachdem sie den gruseligen Reiter gesehen hatte, war sie abends auf einen Baum geklettert, weil sie sich auf dem Boden irgendwie unwohl gefühlt hatte. Doch auch auf dem Baum hatte sie das ungute Gefühl nicht verlassen. Es war gewesen, als wenn ein bleierner Schatten sich auf ihre Seele hatte legen wollen. Sie hatte eine große Beklemmung verspürt, die mit jeder Minute stärker wurde.

Von Hoffnung, Angst und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt