Sorgen

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„Mylady, ich bitte um Verzeihung", sagte die junge Heilerin, während sie atemlos vor der Königin knickste. „Frau Lydia lässt sich entschuldigen. Sie kann heute nicht zur Besprechung kommen!"

Muriel nahm die junge Frau am Arm und führte sie zu einem Stuhl am Tisch des Besprechungszimmers. „Setzt Euch und beruhigt Euch doch erst einmal", meinte sie freundlich zu der immer noch nach Luft ringenden Frau. „Und dann erzählt mir, warum Ihr so gerannt seid und was geschehen ist."

Folgsam setzte sich die junge Frau und bemühte sich, wieder ruhiger zu atmen. Muriel setzte sich ihr gegenüber und wartete geduldig.

Muriel hatte sich schon gewundert, denn noch nie waren Lydia oder Morwen zu spät zu einer Besprechung mit der Königin erschienen. Doch heute war Lydia nicht erschienen und stattdessen hatte auf einmal dieses völlig aufgelöste Mädchen im Raum gestanden.

Sie musste eine der erst vor kurzem von Morwen ausgebildeten Heilerinnen sein, denn Muriel hatte sie bei ihren regelmäßigen Besuchen in den Häusern der Heilung noch nie dort angetroffen.

„Nun?", fragte Muriel freundlich, als die junge Frau sich wieder etwas beruhigt hatte.

„Es sind so viele Leute krank geworden in den vergangenen Tagen!", berichtete die Heilerin aufgeregt. „Angefangen hat es mit einigen wenigen, die Durchfall hatten und sich übergeben mussten. Doch im Laufe des gestrigen Tages wurden es immer mehr Kranke und heute früh kamen noch einmal einige dazu."

Muriel sah die junge Heilerin besorgt an. Das hörte sich nicht gut an. „Gibt es Informationen über die Kranken, die Aufschluss über die Ursache geben könnten?", fragte Muriel.

„Welche Art von Informationen, Mylady?", fragte die junge Frau schüchtern nach.

„Aus welchem Teil der Stadt kommen sie, benutzen sie den gleichen Brunnen, kaufen sie bei denselben Händlern ein? Gibt es irgendetwas, was alle Erkrankten gemeinsam haben könnten?", erklärte Muriel.

Die Heilerin schüttelte langsam den Kopf. „Nicht dass ich wüsste", meinte sie ratlos. „Es sind Menschen aus allen Schichten und aus allen Gegenden der Stadt betroffen. Es scheint keine Seuche zu sein, die über Wasser oder Nahrung übertragen wird, wenn Ihr das meint", fuhr sie fort.

„Vielmehr scheint eine Ansteckung von Mensch zu Mensch stattzufinden, denn fast alle, die neu erkranken, hatten vorher Kontakt zu einem anderen Kranken."

Muriel nickte langsam. Fieberhaft überlegte sie, was man tun könnte, um die Ansteckungsgefahr einzudämmen. „Auf jeden Fall muss man versuchen, die Kranken schnellstmöglich von ihren noch nicht betroffenen Familienmitgliedern abzuschirmen. Keiner, außer den Heilern sollte Kontakt zu den Erkrankten haben", erklärte Muriel dann bestimmt.

Die junge Heilerin nickte. „Frau Lydia hat dies schon so angeordnet", gab sie zur Antwort. Muriel nickte erleichtert. Lydia war eine kluge und verantwortungsbewusste Heilerin mit viel Erfahrung.

Trotzdem hätte Muriel viel darum gegeben, Morwen in Minas Tirith zu wissen und sie um Rat fragen zu können. Oder Elrond. Doch Morwen weilte nach wie vor in Ithilien, und Bruchtal war weit.

„Bitte nennt mir Euren Namen", bat Muriel nun die junge Frau, die sie erstaunt ansah. „Ich bin Leonora, Mylady", antwortete sie höflich.

„Leonora, würdet Ihr einen Moment warten, bis ich einen kurzen Brief an Frau Lydia geschrieben habe?", bat die Königin nun und die junge Heilerin nickte. Schnell nahm sich Muriel ein Blatt Papier und die Feder, die sie schon für die Besprechung bereit gelegt hatte, und begann zu schreiben.

In kurzen Worten teilte sie Lydia mit, was sie in Bezug auf die Krankheitswelle beschäftigte. Auch bot sie der Heilerin ihre Hilfe an.

Sie konnte zwar angesichts der anscheinend doch recht hohen Ansteckungsgefahr nicht wagen, selbst die Häuser der Heilung aufzusuchen, doch konnte sie immerhin anbieten, hier in der Veste Arzneimittel herzustellen, die dort so dringend benötigt wurden. Dann würden sich die Heilerinnen ganz um die Pflege der vielen Kranken kümmern können.

Von Hoffnung, Angst und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt