Der große Tag

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Als Muriel erwachte, dämmerte es erst leicht. Unruhig wälzte sie sich noch eine Weile lang im Bett hin und her. Schließlich gab sie es auf. Sie würde ohnehin nicht mehr zur Ruhe kommen.

In Gedanken zogen die vergangenen Tage und Wochen noch einmal an ihr vorbei. Sie konnte es kaum glauben, dass seit ihrer Versöhnung mit Aragorn gerade einmal vier Wochen vergangen sein sollten. In diesen vier Wochen hatten sie unendlich viele Gespräche geführt und es gab so vieles vorzubereiten.

Und heute nun würde ihre feierliche Hochzeit stattfinden. War das nicht verrückt? Eigentlich kannten sie und Aragorn sich ja noch kaum, wenn man einmal darüber nachdachte, wie wenig Zeit ihres Lebens sie überhaupt miteinander verbracht hatten.

Und doch waren ihre Seelen in den vergangenen Monaten so sehr zusammen gewachsen, trotz der räumlichen Trennung.

Muriel erhob sich mühsam aus ihrem Bett und streifte sich ihren Morgenmantel über. Dann trat sie auf den Balkon. Die Morgenluft war mild und duftete nach Frühsommer.

Zärtlich legte Muriel ihre Rechte auf ihren runden Bauch. Nur noch etwa sechs Wochen, dann würde ihr gemeinsames Kind zur Welt kommen. Muriel lächelte.

In den vergangenen Tagen hatte sie Aragorn kaum zu Gesicht bekommen. Nun ja, sie war ja selbst sehr beschäftigt gewesen mit den letzten Anproben des Hochzeitskleides und den anderen Vorbereitungen.

Aragorn hatte die anreisenden Gäste begrüßt und für deren Wohlergehen gesorgt. Viele Gefährten und Freunde, die ihn durch die vergangenen Monate begleitet hatten, waren zur Hochzeit angereist. Muriel hätte sie ja gerne gleich wieder getroffen, doch Aragorn meinte, sie solle sich bis zum großen Fest gedulden.

Muriel fing nun doch leicht an zu frösteln und ging in ihr Zimmer zurück. Was hätte sie darum gegeben, wenn Aragorn jetzt bei ihr gewesen wäre. Vielleicht hätte er ihr etwas von ihrer Nervosität nehmen können.

Doch sie hatten sich nach altem Brauch entschieden, die Zeit bis zu ihrer Hochzeit in getrennten Gemächern zu nächtigen. Nun ja, es würde trotzdem nicht zu übersehen sein, dass sie bereits mit ihm das Bett geteilt hatte, dachte Muriel bei sich und der Gedanke machte sie etwas nervös.

Gandalf und Elrond hatten diesen Umstand ja mit viel Verständnis hingenommen, und sie hoffte inständig, dass auch die angereisten Gäste wohlwollend darüber hinweg sehen würden.

Aber wahrscheinlich gab es doch den ein oder anderen, der sie als schwangere Braut etwas missbilligend ansehen würde.

Muriel seufzte und nahm den Brief in die Hand, der auf ihrem Nachtschränkchen lag. Er war von ihren Zieheltern aus Bree. Sie würden leider nicht zur Hochzeit kommen. Muriel wusste jetzt schon, dass sie ihr an diesem besonderen Tag sehr fehlen würden.

Doch ihr Vater hatte geschrieben, dass sie im Moment leider nicht in der Lage seien, den Gasthof so lange alleine zu lassen. Es gab ja niemanden, der ihn während ihrer Abwesenheit hätte weiterführen können.

Außerdem hatte Vater Butterblum angemerkt, dass sie sich nicht sicher seien, ob sie sich in diesen erlauchten Kreisen überhaupt wohl fühlen würden. So ein Quatsch! Muriel seufzte wieder.

Es hätte ihnen bestimmt gefallen in Bruchtal, und so wie sie Elrond und seine Familie kennen gelernt hatte, war sie sich sicher, dass sie auch ihre menschlichen Zieheltern mit offenen Armen empfangen hätten.

Natürlich hatte Muriel ihren Eltern auch geschrieben, wer der zukünftige Schwiegersohn ist. Und auch die Tatsache, dass sie schon bald Großeltern werden würden, hatte sie nicht verschwiegen.

Ob sie deswegen nicht kamen? Schämten sie sich am Ende für ihre gefallene Tochter? Oder war der Auserwählte das Problem? Ihr Vater kannte ihn ja nur als knurrigen Waldläufer. Und jetzt sollte er auf einmal der zukünftige König Gondors sein. Das war für ihre armen Eltern bestimmt nicht ganz so leicht zu verstehen.

Von Hoffnung, Angst und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt