Minas Tirith

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Am nächsten Morgen ging es Muriel wirklich schon wieder besser. Das Fieber war gesunken und nur die üblichen Erkältungssyptome plagten sie noch etwas. Aragorn hatte ihr erst einmal für zwei weitere Tage Bettruhe verordnet, damit sie sich wieder richtig auskurieren konnte.

Erst war Muriel froh über die Möglichkeit, sich gründlich auszuschlafen, doch nach einigen Stunden wurde ihr schon etwas langweilig. Gilraen schlief auch viel. Die Reise schien sie ebenfalls sehr angestrengt zu haben.

Plötzlich klopfte es an der Tür und Edda trat herein. „Mylady, Gandalf der Weiße möchte Euch sprechen!", sagte sie höflich. Muriel setzte sich auf. „Oh wie schön!", freute sie sich. „Schickt ihn bitte herein, Frau Edda."

Keine fünf Sekunden später betrat der alte Zauberer lächelnd den Raum. „Aragorn hat mir gesagt, du seist krank?", fragte er besorgt, als er an Muriels Bett trat. Muriel machte nur eine abwehrende Handbewegung. „Ich habe mich nur auf der Reise erkältet", meinte sie dann locker.

Gandalf trat leise an die Wiege und betrachtete die schlafende Gilraen. „Sie ist sehr hübsch", stellte der Zauberer mit einem Lächeln fest. „Aragorn ist unglaublich stolz auf seine Frau und seine Tochter", fügte er schmunzelnd hinzu.

„Wo steckt er denn überhaupt?", wollte nun Muriel wissen.

Gandalf berichtete ihr, dass Faramir Aragorn schon gleich am Morgen alle wichtigen Berater und Minister vorgestellt hatte und sich nun mit ihm ins königliche Arbeitszimmer zurückgezogen hatte, wo er ihn in alle wichtigen Vorgänge einweisen wollte.

Faramir war zwar auch noch nicht lange im Amt des Truchsess, jedoch hatte sein Vater dieses Amt lange genug bekleidet, so dass der junge Mann trotzdem eine gewisse Erfahrung vorzuweisen hatte.

Muriel war froh, dass Aragorn den jungen Truchsess an seiner Seite hatte, denn sie spürte, dass Aragorn in den vergangenen Tagen nicht nur einmal an seiner Entscheidung gezweifelt hatte. Er war zwar ein kluger Mann und verstand schnell, jedoch machte ihm die Vorstellung Angst, die Verantwortung für ein ganzes Volk übernehmen zu müssen.

Von seinen Entscheidungen würden Wohl und Wehe seiner Untertanen abhängen. Konnte er dieser Verantwortung überhaupt gerecht werden?

Herr Elrond hatte ihm eine fundierte Ausbildung angedeihen lassen. Er sprach fließend Sindarin, kannte sich in der Geschichte Mittelerdes hervorragend aus, hatte Lehrstunden in Diplomatie erhalten und war zu einem hervorragenden Heerführer ausgebildet worden.

Das waren alles Dinge, die ein zukünftiger König gut brauchen konnte. Doch im tiefsten Inneren seines Herzens sah Aragorn sich immer noch als den einfachen Waldläufer, der sich zwar zum Wohle aller freien Völker Mittelerdes eingesetzt hatte, aber nie diese große Verantwortung tragen musste.

Ein Leben als Heerführer wäre ihm mit Sicherheit leichter gefallen. Dieses Amt hatte er nicht nur einmal in seinem bisherigen Leben erfolgreich bekleidet. So war er unter anderem mit den Rohirrim in Schlachten gezogen, allerdings damals unter falschem Namen.

Und auch in der Schlacht am schwarzen Tor hatte er die wenigen verbliebenen Krieger unter einem Banner vereint gegen die Streitmacht des Bösen geführt.

Doch als König würden noch ganz andere Dinge auf ihn zukommen. Verhandlungen mit Gesandten aus allen Gegenden Mittelerdes, Gerichtsverhandlungen, in denen er über das Schicksal von Menschen würde entscheiden müssen, offizielle Empfänge und Feste nach höfischem Protokoll.

Vor diesem höfischen Getue graute es Aragorn von allen Dingen am meisten. Er hielt nicht viel von Pomp und Glanz. Auch tat er sich schwer damit, dass alle ihm so viel Ehrerbietung entgegen bringen mussten, nur weil er ja der König war. Und wie viel der Ehrerbietung ehrlich gemeint war, konnte man nie wissen.

Von Hoffnung, Angst und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt