Geduldsprobe

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„Mami, ich will, dass Layla kommt!", beschwerte sich Gilraen bei ihrer Mutter. Muriel seufzte und schüttelte den Kopf.

„Heute nicht, Mäuschen", gab sie zurück. „Aber heute kommen doch Opa und Oma zum Mittagessen", versuchte die Königin ihre kleine Tochter aufzumuntern. „Oma kommt?", fragte Gilraen und sah ihre Mutter gespannt an.

„Ja, Oma muss heute nicht im Gasthaus kochen, und deshalb kommen sie zu uns zum Essen!", erklärte Muriel.

Im „Weißen Baum" war am ersten Tag der Woche Ruhetag und so nutzten die Butterblums diesen Tag manchmal, um ihn mit der königlichen Familie in der Veste zu verbringen.

Und da nun Elrond und Arwen auch in Minas Tirith waren, bot es sich natürlich besonders an, an diesem Tag gemeinsam zu essen. Gilraen hopste fröhlich durch den Wohnraum, um gleich darauf im Flur zu verschwinden.

„Awi?... Aaaaaaawiiiiiii!", hörte Muriel ihre Tochter nach der geliebten Tante rufen und konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. Die arme Arwen hatte seit ihrer Ankunft in der weißen Stadt noch nicht allzu viel Ruhe gehabt.

Eigentlich tat sie Muriel schon fast ein bisschen leid, denn trotz der Tropfen von Morwen hatte Arwen immer noch ziemlich unter Morgenübelkeit zu leiden. Doch Rücksichtnahme war nicht gerade Gilraens Stärke, wie Muriel aus eigener leidvoller Erfahrung wusste.

Aber Arwen nahm das alles relativ gelassen hin, war es doch schließlich ihre eigene Entscheidung gewesen, mit nach Minas Tirith zu reisen und sich um Gilraen zu kümmern. Und Muriel war nun wahrlich nicht böse darüber, dass nicht sie diejenige war, die ständig Gilraens Temperamentsausbrüche über sich ergehen lassen musste.

„Mami, wie lange dauert es noch?", fragte Gilraen, als sie Arwen hinter sich her in die Wohnstube zog. „Was dauert wie lange?", fragte Muriel verwirrt nach.

„Bis Oma kommt!", erklärte Gilraen und bedachte ihre Mutter mit einem Blick, der deutlich verriet, dass sie gar nicht begreifen konnte, warum diese immer so dumme Fragen stellen musste.

„Ach Gilraen, sie kommen doch erst zum Mittagessen, das dauert noch ein bisschen", seufzte Muriel. „Oma soll aber jetzt kommen!", gab Gilraen energisch zurück und verschränkte die kleinen Ärmchen vor ihrer Brust.

Muriel warf Arwen einen vielsagenden Blick zu. „Na komm, Gilraen, wir beide können noch ein schönes Bild malen", meinte Arwen daraufhin zu ihrer Nichte. „Das kannst du deiner Oma schenken, wenn sie nachher kommt."

Gilraen überlegte einen Moment und nickte dann. „Aber ich male ein ganz schönes Bild", erklärte sie Arwen noch, bevor sie ihre Tante wieder an der Hand nahm und hinter sich her in den Flur hinauszog.

Muriel schüttelte nur den Kopf. Der Tatendrang der kleinen Prinzessin war einfach unermesslich und sie schaffte es mühelos, mehrere Personen gleichzeitig mit ihrem Aktionismus auf Trab zu halten.

Muriel versuchte mühsam, eine etwas bequemere Sitzposition in ihrem Sessel zu finden. „Bin ich froh, wenn ich euch beide endlich nicht mehr mit mir herumschleppen muss", murmelte sie leise, während sie ihren Zwillingsbauch streichelte.

„Was machen meine beiden Enkelkinder?", hörte sie auf einmal Elronds Stimme. Sie hob den Blick und sah Elrond in der Tür der Wohnstube stehen. Muriel seufzte nur und zuckte mit den Schultern. Elrond trat zu ihr und setzte sich in den Sessel neben ihr.

„Ich will einfach nur noch, dass sie endlich kommen", meinte sie dann leise. Elrond nickte verständnisvoll. „Verstehen kann ich das ja", meinte der Elb zustimmend. „Doch aus der Sicht eines Heilers muss ich dir leider sagen, dass du dich über jeden Tag freuen solltest, den sie noch in deinem Bauch aushalten", erklärte er. „Jeder Tag länger hilft ihnen, dann einen besseren Start im Leben zu haben."

Von Hoffnung, Angst und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt