XXXV.

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Ich glaube man kennst diese "kurz vor dem Tod"- Momente. Ich werde sie alle so sehr vermissen, ich werde sie immer lieben.. Die Psychologin sagte sogar so etwas wie:,,Denk doch an deine Eltern, die Menschen die dich lieben." So oft habe ich diesen Satz gehört. Ich weiß es klingt unglaublich undankbar, aber ich werde meine Eltern wohl kaum vermissen. Sie haben mich hier rein gesteckt, haben mich verleugnet und empfinden mich als Enttäuschung. Sie sind nicht die Menschen die mich lieben, sie sind die Menschen die mich mal geliebt haben. Aber das ist vorbei, niemand liebt mich. Ich bin depressiv, will nur sterben und Hass bestimmt meinen Tagesablauf. Ich hasse mich mehr als die Menschen die mir gegen den Kopf getreten haben, mir in den Bauch geschlagen und mir 2 Rippen brachen, bis ich ins Krankenhaus kam um dort vollgepumpt mit Morphium nur Schmerzen empfand. Ich hasse mich mehr als die Tage an denen ich den ganzen Tag im Bett geblieben bin, um nicht in die Schule zu müssen. Ich hasse mich mehr als die Klingen, die sobald mich die inneren Schmerzen quälten, äußere Schmerzen zur Ablenkung verursachten. Und dass war oft, zu oft. Ich hasse mich mehr als die unzähligen Narben die auf meinen Armen eingraviert sind. Mehr als diese Psychiatrie, in die ich nach einem Jahr voller Schmerzen eingeliefert wurde. Ich hatte das Gefühl nichts mehr empfinden zu können, ich hatte dieses Gefühl von nichts - und dann? Dann kam Felix und löste in mir ein Gefühl aus, welches ich umso mehr hasse. Hass, Hass, Hass. Ich will nicht mehr hassen und pessimistisch aufwachen, einschlafen und atmen. Ich will diese Gedanken hier nicht in meinem Kopf haben. Ich will nicht mehr - und da gibt es auch keine "kurz vor dem Tod" -Momente. Es wird einfach nur aufhören.
,,Rewi?"
Ich wandte meine Augen von meinem Tablett ab und sah mich wieder in der Cafeteria um. ,,Ja ich komme sofort." Antwortete ich und stand auf.
Ich ging den anderen einfach nur hinterher ohne wirklich darauf zu achten wohin. ,,Du musst schon Antworten",die Stimme so nah an meinem Ohr ließ mich aufschrecken. Felix ging neben mir her. ,,Ich habe gefragt ob du morgen mit kommst, wir versuchen ein paar Infos über Taddl zu bekommen." ,,Klar." Ich hatte nur halb zugehört. ,,Leute? Rewi hat ne Downphase",rief Felix in die Runde. ,,Das ist keine Phase das ist ne Down-Woche",berichtigte Palle. Ich schüttelte den Kopf:,,Chillt ich hab n paar mal die Tabletten vergessen"
,,Dazu sind doch die Pflegerinnen da",sagte Dner. Ich hatte keine Lust auf eine Diskussion, also ließ ich es.
Ich setzte mich auf mein Bett, während Felix und Palle auf dem gegenüber saßen. Die anderen gingen zu Manu.
,,Musst du nicht heute zum Wiegen?",fragte ich. Auch wenn mir so ziemlich alles egal war, er nicht.
,,Ja aber erst um sieben",antwortete Felix. Ich musterte ihn, zugenommen hatte er meiner Meinung nach nicht.
,,Sag mir dann bescheid."
Er nickte.
Palle und er fingen an über irgendwas zu reden, was mich nur bedingt interessierte. Meine Augen fixierten Felix, wen auch sonst. Seine braunen Haare, seine Lippen, welche manchmal ein Lächeln andeuteten. Nichts in der Welt konnte meine Aufmerksamkeit mehr erregen. Selbst wenn hier direkt neben mir ein Feuerwerk wäre, ich könnte meine Augen nicht von ihm abwenden. Das musste ich jedoch können. Ich musste mich von ihm ablösen. Sonst verliere ich mich. Verliere mich in seinen Augen, in die ich jetzt schon nicht mehr sehen kann. Ich habe Angst davor.
Ich habe Angst vor dem Schmerz der mich erwartet, wenn ich in seine Augen sehe und weiß ich darf ihn nicht lieben.
Ich liebe ihn, darf es nicht und glaube ich könnte es ertragen bei ihm zu sein. Ich kann es nicht, nicht mal mehr einem Tag.
Ich überschätze mich zu oft.
In allem.
Vielleicht habe ich doch einen kleinen "kurz vor dem Tod" -Moment.
Ich habe ihn und er sitzt direkt vor mir.

Ich werde ihn so sehr vermissen, ich werde ihn immer lieben...

Psychiatrie | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt